Kapitel 91

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„Princesa, und du willst wirklich nicht mitkommen?" Alfonso schaute Rosa mit einem nicht genau identifizierbaren Blick an. Es konnte Enttäuschung, aber auch Verständnis sein, was sich darin versteckte. Phil war sich da nicht sicher. Rosa schüttelte ihren Kopf. „Du weißt genau, was ich von Sascha erwarte. Es liegt ganz alleine an ihm." Alfonso nickte. „Ich weiß, Princesa und ich verstehe dich auch, aber es sind doch nur ein paar Schritte bis zu ihm und nicht umsonst sagt man, der Klügere gibt nach. Außerdem ist doch heute sein Geburtstag." Rosa zuckte mit ihren Schultern. „Dann sag ihm das und nicht mir. Ich finde, dass ich schon die Klügere bin, weil ich ihm überhaupt die Möglichkeit gebe, sich zu entschuldigen. Damit habe ich schon den ersten Schritt gemacht und nachgegeben. Und in einem halben Jahr habe ich auch Geburtstag. Das ist wirklich kein Argument." Alfonso verzog leicht sein Gesicht. Wieder war nicht klar, ob es sich um ein unterdrücktes Grinsen oder Enttäuschung handelte. „Ach Princesa, so sehr ich deine Stärke bewundere, so sehr verfluche ich deinen Starrkopf." Alfonso beugte sich zu Rosa und drückte ihr einen Kuss auf ihr blondes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst war. Phil musste bei dem Wort Pferdeschwanz schmunzeln. Es passte irgendwie perfekt zu Rosa. Alfonso wandte sich an Rosa-Maria, die mit einer großen Schale im Arm auf ihn zu warten schien. Ja klar, sie würde natürlich mit zu Saschas Geburtstag gehen und natürlich nicht mit leeren Händen, was bei ihr bedeutete, dass sie eine Leckerei mitbrachte. Seit sie hier bei ihm wohnte und ihn versorgte, hatte Phil auch immer ein prüfendes Auge auf seine Waage. Glücklicherweise schien er genug körperliche Aktivität zu haben, um ihren leckeren Kalorienbomben zu trotzen. Sein Blick folgte den beiden Spaniern, die laut diskutierend zur Haustür verschwanden. Natürlich war der Zoff zwischen dem Geburtstagskind und seiner Schwester das Thema. Phil musterte Rosa genau. Wahrscheinlich versuchte sie gerade sich ihre Traurigkeit nicht anmerken zu lassen. Er wusste doch genau, wie sehr sie an ihrem Bruder hing. Und es gab mit Sicherheit nicht einen Geburtstag, den sie nicht mit ihm gefeiert hatte, seit sie geboren war. Und das alles nur wegen ihm. Obwohl das stimmte nicht. Der eigentliche Grund war ja Saschas blöde Überreaktion und daraus folgende Uneinsichtigkeit. Irgendwie imponierte ihm diese sture Entschiedenheit, die die Kleine da an den Tag legte. Sie hatte ihn ihm Grunde über ihren Bruder gestellt. Und Sascha war ihr unangefochtener Held. Das hieß dann ja wohl, dass er diese Position jetzt eingenommen hatte. Das schmeichelte ihm ziemlich und er konnte nicht sagen, dass dieser Gedanke abschreckte. Ab und zu mal Held sein, war ja auch ganz nett. Blödsinn! Das war ja Quatsch. Er war nicht Rosas Held. Sie hatte nur einen ausgeprägten Gerechtigkeitsdrang. Nicht mehr und nicht weniger. Na ja und vielleicht erkannte sie auch ein bisschen an, dass er den Überblick behalten und Saschas Fehler ausgebügelt hatte. „Und was hast du heute geplant?" Rosa zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ein bisschen in deinen Veterinärbüchern schmökern, damit ich mir zusätzliches Wissen aneigne." Phil schmunzelte. Ja, Zielstrebigkeit gehörte definitiv zu ihren Charaktereigenschaften. „Das vergiss mal ganz schnell. Heute ist Sonntag und damit dein freier Tag." Er hatte ja auch eine gewisse Sorgfaltspflicht gegenüber seiner Auszubildenden. „Ja, das stimmt, aber trotzdem muss ich ja auch etwas lernen, schließlich gehe ich ja nicht in die Berufsschule. Und ich habe sowieso nichts besseres zu tun. Reha ist heute auch keine." Ihr Blick wanderte aus dem Fenster in Richtung Saschas Gartenzaun. Ja klar, Vicky war heute garantiert auch bei ihrem Neffen zur Feier. Manno, wie viele Geburtstag hatte Phil schon mit Sascha zusammen gefeiert. In seinen Erinnerungen tauchten Bilder auf. Zu Saschas 23. Geburtstag waren sie in einen Club gegangen um reinzufeiern und ein paar Chicks aufzureißen. Man, war das ins Auge gegangen. Also nicht nur, dass die Weiber da so hohl gewesen waren, dass sie schon vor Mitternacht wieder zu Hause waren, nee, es waren auch noch Fotos von ihnen beiden entstanden. Für die Presse war das ein gefundenes Fressen gewesen. Was gab es interessanteres als einen schwulen Fußballer, egal ob das der Wahrheit entsprach oder nicht. Phil hatte gelernt, dass Leute das sahen, was ihnen von diesen Schmierfinken suggeriert wurde. Denn anstatt eines Liebespaar waren dort nur zwei Kumpel zu sehen gewesen, die die Köpfe zusammensteckten. Aber gerade diese Sache hatte ihre Freundschaft so zusammengeschweißt. Und jetzt.....jetzt war das alles nichts mehr wert. Phil schluckte seine Enttäuschung runter. Ja, er hätte wenigstens von Sascha erwartet, dass er ihm zuhörte und versuchte seine Argumente nachzuvollziehen. Egal! Rosa sollte hier jedenfalls nicht traurig herumsitzen, während ihre Familie nur ein paar Meter entfernt feierte. Er hatte eine spontane Idee. Ja, ihm würde es auch gut tun, nicht den ganzen Tag hier zu sitzen und im Kopf ein Grundstück weiter zu sein. Was hatte seine Familie immer gemacht, wenn es hieß, etwas zu feiern? Ja, es gab ja noch etwas anderes als Saschas Geburtstag zu feiern- Rosas Fortschritte. Dazu waren sie nämlich noch gar nicht gekommen. An dem Abend im Reitstall hatten Rosas Eltern seinen Feierplan gecrasht und sie zu einem Essen in einem edlen Restaurant eingeladen. Das entsprach aber nicht seiner Idee mit ihrem Lieblingsitaliener. Das musste unbedingt nachgeholt werden und dazu kam dann noch die Reussche Feierlocation für alle Fälle. Also nicht die Fußballhalle, der ging Phil aus dem Weg, wie der Teufel dem Weihwasser. Nein, da gab es noch eine viel bessere Alternative. „Also hättest du Zeit mit mir einen kleinen Überraschungsausflug zu unternehmen?" Rosa schaute ihn erstaunt an. „Wohin?" „Was sagt dir das Wort Überraschung?", zwinkerte er ihr zu. „Das du mir nicht verraten wirst, wo es hingeht", kicherte sie und die ganze unterdrückte Traurigkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden und einer freudigen Neugier gewichen. Das gefiel ihm. Ja, er würde sie heute auf andere Gedanken bringen und dafür sorgen, dass sie trotz Saschas Geburtstag einen schönen Tag hatte. Na ja, und ihm würde es ja auch helfen. Also war das Ganze ja auch nicht ganz uneigennützig.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt