Kapitel 90

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Rosa saß vor Phil auf Dalia. Völlig automatisch folgte sie den Anweisungen von Vicky und ließ ihre Arme kreisen. So ein bisschen war das ja schon Routine und sie kannte die meisten Übungen. Das war auch gut so, denn ihre Gedanken wanderten zu dem Gespräch von Max und Phil im Stall zurück, das sie belauscht hatte. Es sollte auf keinen Fall so sein, dass Phil unter der Blödheit ihres Bruders litt. Nein, das war ja wohl das allerletzte, was er verdient hatte, nachdem er ihr so half. Verflucht! Sie brauchte dringend eine Idee. Die kam ihr in aller Regel am besten auf Dalias Rücken bei einem kleinen Galopp. Reflexartig trieb sie ihre Stute mit den Fersen und Schenkeln an. Dalia reagierte sofort drauf und steigerte das Tempo. Phils Griff um Rosa wurde fester. Ihr Körper passte sich aber nur dem wunderbaren Rhythmus an. „Halt! Stop!" Vickys laute Stimme scholl durch die Halle. „Ich habe das gerade genau gesehen!" „Und ich gespürt!" Phil lachte ausgelassen. Ja, er hatte genau gespürt, wie Rosas Beine sich an den Körper der Stute gedrückt hatten und sie den Tempowechsel damit eingeleitet hatte. Das.....das war der totale Wahnsinn. Es bedeutete, dass ihre Beine endlich wieder ihre Arbeit aufnahmen. Er hatte doch gewusst, dass das irgendwann passieren würde und dass Dalia dabei das entscheidende Puzzleteil sein würde. Phil beugte seinen Kopf vor und drückte Rosa überschwänglich einen Kuss auf die Wange. Er freute sich so, dass er förmlich aus seinen Klamotten platzen könnte. Ja, er hatte gewusst, dass das der richtige Weg war. Seine Gedanken wanderten kurz zu dem Gespräch mit Max. Nein, er würde bestimmt nicht mehr seiner Freundschaft mit Sascha hinterher trauern, wenn der Idiot zu dumm war, zu sehen, worum es ihm gegangen war und dass er mit seinem Ansatz recht hatte. Auf so einen Freund, der ihm und seinen Einschätzungen nicht vertraute oder sie sich überhaupt anhörte, konnte er auch verzichten. Rosas Wohlergehen war ihm viel wichtiger. Und gerade fühlte sich das tausendmal besser an als ein Kumpelgespräch oder ähnliches. Ja, manchmal musste man auch Prioritäten setzen und Phil war sich gerade absolut sicher, genau die richtigen gesetzt zu haben. „Was? Was ist denn los? Spielt das Pferd wieder verrückt?" Erik war von seinem Platz auf der Tribüne aufgesprungen. Klar, er machte sich natürlich sofort wieder Gedanken. Nein, der Job als Vater war wirklich nicht zu beneiden. „Quatsch, sie läuft doch nur im Galopp im Kreis und deine Tochter strahlt wie ein kleiner Glückskeks. Du kannst dich wieder beruhigt hinsetzen." Kathie zog ihren Mann an seinem Arm zurück auf die Bank.
„Kannst du den Gaul jetzt auch wieder abbremsen?" Vicky schaute zu ihrer Nichte und Phil musste lachen. Wahrscheinlich dachte sie, dass es beim Pferd auch wie beim Auto ein Bremspedal gab. Er gab Max ein Zeichen Dalia abzustoppen. „Vielleicht versuchen wir das Ganze jetzt noch einmal bewusst." Er zwinkerte Rosa zu, die sich mit einem schmolligen Gesichtsausdruck zu ihm umgedreht hatte. Sie genoss es wohl sichtlich nicht mehr nur im Schritt zu reiten. Wunderte ihn das? Nicht wirklich, schließlich war sie Reiterin durch und durch. Im Schritt an der Longe war nur etwas für Anfänger. In Rosas Gesicht trat ein breites Grinsen und er spürte, wie sich ihre Beine wieder anspannten und die Fersen sich bewegten. Dalia verfiel kurz in einen Trab und wechselte sofort wieder in den Galopp. In Phil breitete sich ein warmes Gefühl aus. Es war also wirklich nicht nur eine kurzes Zufallsprodukt gewesen, sondern Rosa konnte bewusst ihre Beine wieder ansteuern und bewegen. Er gab Max wieder ein Zeichen abzustoppen. „Ich glaube, für heute haben wir genug erreicht. Ich denke, ihr beide möchtet vielleicht erst einmal ein paar Tests machen." „Auf alle Fälle!", kam es sowohl von Vicky als auch von Max.
„Was ist denn los? Ist etwas nicht in Ordnung mit Rosa? Oder warum wollen sie Tests machen?" Erik war aufgeregt neben Phil aufgetaucht als Max und Vicky mit Rosa im Rollstuhl die Reithalle verließen. Nee, also Vater wäre wirklich nicht Phils Ding, wenn er sah, wie panisch Erik schon wieder war. Das konnte auf keinen Fall gesund für die eigene Person sein. „Ja, warum habt ihr schon Schluss gemacht? Unser Krümel hat so glücklich gestrahlt." Kathie gesellte sich zu ihrem Mann. Wenigstens war sie total ruhig. „Rosa hat zum ersten Mal ihre Beine selbst benutzt, um das Pferd anzutreiben", setzte er sie ins Bild. Die beiden hatten ja zu weit entfernt gesessen, um das mitzubekommen. Ganz abgesehen davon, dass sie es wahrscheinlich sowieso nicht wahrgenommen hätten. Sie waren ja keine Reiter und wussten auch nicht auf welche feinen Zeichen Dalia reagierte. „Was!" Kathie schaute ihn mit aufgerissenen Augen an „Heißt das, dass sie ihre Beine bewegt hat?" Phil nickte nur und Kathie schluchzte auf und schlug sich ihre Hand vor den Mund. „Hast du gehört?"Sie wandte sich zu ihrem Mann, dessen Augen verräterisch glitzerten, während er nickte. „Jetzt wird alles gut! Unser Krümel wird wieder laufen!" Die beiden fielen sich in die Arme und Phil musste schlucken. Sie waren glücklich, dass es bei Rosa jetzt endlich voran ging. Man spürte, wie die Sorgen, die sie sich die ganze Zeit gemacht hatten einfach von ihren abgefallen waren. Okay, das waren sie bei ihm auch. Er hatte aber niemand, mit dem er diesen Moment teilen konnte. Das war....das war irgendwie ziemlich blöd. Früher hätte er Sascha angerufen und es ihm sofort erzählt. Sascha! Phil zog sein Handy aus der Tasche und wählte. Vielleicht....nach dem dritten Klingelzeichen war der Anruf beendet. Er hatte ihn einfach weggedrückt. Dann halt nicht. Idiot! Phil würde das unglaubliche Ereignis halt nachher einfach mit Rosa bei ihrem Lieblingsitaliener mit einer Pizza Diavolo feiern. Ja, das war angemessen und ein Plan. Sollte Sascha doch in der Hölle schmoren. Seine Schwester war sowieso viel unterhaltsamer und als Freundin zuverlässiger. Wer brauchte da schon Sascha, wenn er Rosa haben konnte!

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt