Kapitel 138

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„Papa, Papa, können wir jetzt gleich zu Salomon und Dalia in den Reitstall fahren?" Phil schaute von seinem Laptop auf. Wieso war Pippa schon wach? Und wieso kam sie im Schlafanzug in sein Zimmer gerannt? Er hatte heute extra früh seinen Wecker gestellt, damit er noch ein paar Sachen erledigen konnte und trotzdem rechtzeitig zur Stelle war, wenn Pippa aufwachte. Ja, er hatte seinem Kommilitonen ein Jobangebot gemacht. Hoffentlich sagte er zu. Dann hätte Phil schon einmal eines der größten Probleme, die ihm auf der Seele brannten, erledigt. Das wirklich größte Problem stand ihm aber noch bevor und er hatte nicht einmal einen wirklichen Ansatz der Lösung. Ihm war nur das Endergebnis klar, aber nicht wie er es unbeschadet erreichen würde. Step by step, beruhigte er sich und wandte sich seiner Tochter zu, die in sein Bett gehüpft war. „Papa, ich möchte zu den Pferden." Okay, das war dieser berühmte Bettelblick, vor dem ihn sein Vater gewarnt hatte. Der konnte ihm aber nichts anhaben. Er würde ihm einfach widerstehen. „Wir müssen jetzt frühstücken und dann muss ich in die Praxis." Pippa nickte verständnisvoll. Das war doch ganz einfach. Phil wusste gar nicht, was sein Vater hatte. Vielleicht hatte er ja auch einfach Glück mit seiner Tochter. Sicher konnte es auch nicht schaden, wenn er trotzdem etwas vom Thema ablenkte, um ganz sicher zu gehen, dass es vom Tisch war. Es war ja nicht so, dass er seiner Tochter nicht sein Pferd zeigen würde, aber erst einmal gab es andere Sachen, die wichtiger waren. Außerdem war Salomon sowieso noch viel zu groß für die Kleine. Er war auch manchmal ein wenig nervös. Nein, er war mit Sicherheit erst einmal noch viel zu gefährlich. Vielleicht könnte er aber mit Max sprechen und seine Nelly am Wochenende ausleihen oder sogar mit ihm zusammen eine Reitstunde mit Romy, Merlin und Pippa machen. Ja, das wäre nicht verkehrt, dann hätte die Kleine gleich wieder Kontakt zu Gleichaltrigen und er könnte sich vielleicht auch den ein oder anderen Erziehungstip von seiner anderen Hälfte holen. Außerdem würde es ihm eine perfekte Ausrede liefern, um Rosa aus dem Weg zu gehen. Ja, er würde sich gleich nach dem Frühstück bei Max melden, um das mit ihm abzusprechen. „Du hast aber einen schicken Schlafanzug", vollzog er seinen Themenwechsel. Die Kleine sah wirklich süß darin aus. Wahrscheinlich hatte seine Mutter den besorgt und an ihn dabei gedacht. Wie sagte man immer? Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Ja, die ganzen aufgedruckten Pferde hätten ihm auch gefallen und er hätte den Schlafanzug auch gekauft. Pippa hockte sich aufrecht auf sein Bett und zuppelte an ihrem Oberteil, während sie sich stolz hin und her drehte. „Ja, der ist voll schön. Den hat Rosa mir gekauft. Schau mal, ist da auch ein Pferd wie Dalia oder Salomon aufgedruckt?" Okay, der Themenwechsel war missglückt, aber trotzdem schien seine Tochter nicht so ein Quälgeist zu sein wie zum Beispiel sein jüngere Schwester Stella, die sofort geschmollt hätte. Scheinbar hatte er Glück und Pippa akzeptiert seine Ansage. Er atmete auf. So eine Schmollbacke wäre ehrlich sein persönlicher Horror, mit dem er nur schwer umgehen könnte. Irgendwie überraschte es ihn, dass nicht seine Mutter für Pippa eingekauft hatte, sondern Rosa. Er wusste ja, wie anstrengend das für sie mit den Einschränkungen war, die sie momentan noch hatte. Die Tatsache, dass sie sich so für Pippa engagierte, beeindruckte ihn. Aber was hatte er anderes erwartet? Rosa war ein selbstloser, liebevoller Mensch, der immer zuletzt an sich selbst dachte. Das liebte er......egal! Phil wandte sich dem Oberteil seiner Tochter zu. Er konnte ihr ja wenigstens den Gefallen tun und ihre Frage beantworten. Ja, das gehörte eindeutig zu seiner neuen Jobbeschreibung, alle ihre Fragen zu beantworten. „Das Pferd da hat Ähnlichkeit mit Salomon." Er deutet auf ein braunes Pferd. „Und das mit Dalia." Pippa zog das Oberteil etwas vom Körper weg, um die beiden Pferde genauer zu betrachten, ehe sie nickte. „Die sind aber hübsch." Okay, vielleicht konnte ein weiterer Themenwechsel nichts schaden, bevor es doch noch verfänglich wurde. „Hast du denn gut geschlafen und etwas Schönes geträumt?" Pippa schaute ihn nachdenklich an, ehe sie ihren Kopf schüttelte. „Ich habe von den bösen Frauen geträumt. Aber Rosa war bei mir und hat mir versprochen, dass sie mich nicht bekommen, weil sie auf mich aufpasst.....und du auch." Wieso hatte er nichts von dem Alptraum seiner Tochter mitbekommen? Verflucht! Er sollte für sie da sein und nicht Rosa. Noch heute würde er so ein dämliches Babyphone besorgen, damit er es sofort hörte, wenn etwas bei Pippa nicht in Ordnung war. Oder noch besser, er würde einfach ihr Bett in sein Zimmer verfrachten, damit er nachts immer in ihrer Nähe war, um sofort für sie da zu sein. „Ich habe Rosa ganz doll lieb", strahlte ihn seine Tochter an. „Hast du Rosa auch so lieb?" Verflucht! Gab es heute morgen in dem Gespräch mit seiner Tochter eigentlich nur irgendwelche Tretminenfelder? Wie sollte er denn mit dieser Frage umgehen? Er wollte sie ja schließlich weder enttäuschen noch ihr irgendwelche Hoffnungen machen, die sich nicht erfüllen würden. Sie war doch noch viel zu jung, um die ganze Problematik zu verstehen. Er selbst war sich ja nicht einmal sicher, ob Rosa sie überhaupt verstehen würde. Verflucht! Warum musste die kleine Teufelin auch noch so jung sein und am Anfang ihres Lebens stehen. Das könnte alles so einfach und perfekt sein. War es aber nicht. „Mm", brummte Phil deshalb nur ausweichend. Seine Tochter kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Papa, meinst du, ob auch der zweite Traum in einem Bett in Erfüllung geht anstatt der erste?" Musste er das verstehen? „Ach da bist du!" Rosa kam mit ihren Gehhilfen ins Zimmer gehumpelt. „Ich habe dich schon überall gesucht. Sorry, ich war nur kurz im Bad und als ich wieder in ihr Zimmer bin, war sie weg." Rosas Wangen hatten diesen rötlichen Schein wie immer angenommen, wenn ihr etwas peinlich war. Manno, wie Phil das....nee, das war egal. „Rosa!" Pippa klopfte mit ihrer Hand auffordernd auf die Matratze und diese Teufelin leistete ihr auch sofort Folge. Verflucht! Wie sollte Phil denn diesen Gedanken so schnell wieder aus seinem Kopf bekommen? Seine beiden Lieblingsfrauen in seinem Bett. Quatsch! Seine Pippa, war sein Lieblingsmädchen und Rosa war nur Rosa. „Meinst du, dass auch der zweite Traum nur zählen kann und dann in Erfüllung geht?" Rosa nickte sofort. „Natürlich! Alpträume gehen nie in Erfüllung. Das musst du dir merken." Seine Tochter fing an zu strahlen. „Prima!" Sie stupste ihn an. „Papa, du musst jetzt ganz schnell aufstehen, damit wir schnell frühstücken und du ganz schnell in der Praxis fertig bist. Ich habe nämlich geträumt, dass wir heute zu Salomon und Dalia gehen. Und das geht in Erfüllung, stimmt's Rosa?" Pippa strahlte ihn an .
Er verstand immer noch nicht, was das mit irgendeinem Traum zu tun haben sollte. „Ja, was man im neuen Bett träumt, geht in Erfüllung", nickte Rosa. Was sollte der Blödsinn? Er würde garantiert nicht wegen einem blöden Aberglauben seine ganze Planung über den Haufen werfen. „Also hoppi, Papa! Wir haben ja nicht ewig Zeit, sonst sind die Pferde müde. Stimmt's Rosa?" Pippa stupste ihn schon wieder an. Okay, sein Tochter war also kein Schmollbraten, sonder eine Drängelbacke. Natürlich nickte Rosa sofort wieder und stupste ihn auch an. „Ja, und heute Abend ist es schon dunkel. Also müssen wir in der Mittagspause in den Stall." Na prima! Fragte ihn auch mal jemand nach seiner Meinung dazu? Scheinbar nicht! „Ja, heute Mittag", jubelte Pippa sofort. Na bravo! Wie sollte er denn da noch nein sagen? „Okay, okay, heute in der Mittagspause fahren wir in den Stall." Wenn er gut aufpasste, würde nichts passieren und Pippa wäre glücklich, weil sie die Pferde streicheln durfte. Ja, das war sicher in Ordnung, wenn er da einfach nachgab. Er erhob sich und Pippa hielt Rosa ihre kleine Hand hin. Die beiden klatschten sich ab. Sie schienen sich beide wirklich zu mögen. Aber das spielte trotzdem keine Rolle. Oder doch? Nein, das durfte eigentlich keine Rolle für ihn und die Entscheidungen, die zu treffen waren, spielen. Irgendwie breitete sich in ihm aber das Gefühl aus, dass er in nächster Zukunft öfter seine Meinung geändert bekam. Ob er wollte oder nicht.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt