„Papa, schau mal!" Pippa deutete aufgeregt mit ihrer Hand zur Seitenscheibe. „Da ist eine ganz große Weihnachtskugel. Leuchtet die auch, wenn es dunkel ist?" Das war eine gute Frage, die Phil nur auf eine Art beantworten konnte. „Ich weiß es nicht, aber das werden wir herausfinden. Wir fahren einfach her, wenn es dunkel ist und schauen." Im Gesicht seiner Tochter tauchte ein breites Grinsen auf. „Gut, Papa. Dann fahren wir heute Abend wieder her." So hatte Phil das nicht gemeint. Also nicht so zeitnah. Heute Abend hatte er definitiv andere Pläne. Jedenfalls wenn alles so lief, wie er sich das vorstellte. Ja, dann würde er den heutigen Abend alleine mit Rosa verbringen. Dank José war ja alles perfekt durchgeplant. Apropos José, er hatte sich und Marisol als Babysitter für Pippa angeboten. Wenn die Kleine also darauf bestand heute noch einmal nach Palma zu fahren, würde sich mit den beiden mit Sicherheit eine Lösung finden lassen. „Können wir dann auch zum Hafen fahren, wenn die heiligen drei Könige an Land kommen? Mama war da auch mit mir. Da werfen sie auch Caramelos. Bitte, Papa! Zusammen mit Rosa." Wie sollte er denn da nein sagen? Natürlich würde er gerne zu der Parade mit seinen beiden Mädels gehen. Das setzte aber voraus, dass er Rosa überzeugen konnte, dass er zeitweise ziemlich geistig eingeschränkt gewesen war. „Klar können wir das." Vielleicht musste er seinen Mitarbeiter bitten noch ein paar Tage länger alleine die Stellung zu halten, denn eigentlich müsste er am siebenten Januar wieder in der Praxis auftauchen. Das würde aber nicht klappen, wenn er am fünften Januar abends noch in Palma war. Egal! Ihm würde schon eine Lösung einfallen. Jetzt gab es aber wichtigere Dinge. Ja, er musste Rosa überzeugen, dass sie recht und er unrecht gehabt hatte. Normalerweise sollte das keine Schwierigkeit sein, denn die wenigsten Menschen hatten ein Problem damit, wenn man ihnen recht gab. Wenn da aber das Herz mit im Spiel war, konnte das anders laufen. Manchmal stellte man dann fest, dass man vielleicht doch falsch gelegen hatte oder aber man änderte seine Meinung, weil man verletzt war. Das könnte blöderweise bei Rosa zutreffen, denn er hatte seit ihrer Abreise nicht einen Pieps von ihr gehört. Nicht einmal ein paar Weihnachtswünsche von ihr waren gekommen. Das legte ziemlich nahe, dass er das Ganze komplett verkackt hatte. Im schlimmsten Fall konnte er nur auf Pippas Charme hoffen, der Rosa überzeugte, sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Ja, er würde definitiv nicht davor zurückschrecken die Pippa-Karte zu ziehen. Wie sagte man immer so schön? Im Krieg und der Liebe war alles erlaubt. Ja, er würde nicht kampflos aufgeben, dazu war er sich jetzt zu sicher, dass Rosa zu ihm und zu Pippa gehörte.
„Papa, Papa, schau, Alfonsos Finca!" Pippa rutschte aufgeregt in ihrem Kindersitz hin und her und klatschte begeistert in ihre kleinen Hände als Phil in die Einfahrt des Grundstücks einbog und das große weiße Haus vor ihnen auftauchte. Bei dem Anblick beschleunigte sich Phils Puls auch um einige Schläge. Er parkte sein Auto neben den anderen Autos ein. Das eine kannte er. Es war Alfonsos. Die beiden anderen waren wahrscheinlich die Mietwagen von Erik und Sascha. Vor dem Auto streckte er sich. „Papa, ich will raus!", hörte er durch die geschlossenen Türen Pippa meckern und ihre Hände klopften gegen die Scheibe. Eigentlich sollte sie nicht Alba Filipa heißen sondern Pippa Ungeduldig. Phil lief zur Beifahrerseite und öffnete die Tür. Seine Tochter hüpfte ihm wie ein kleiner Flummi entgegen. „Los, Papa komm!" Sie zog ihn an seiner Hand Richtung Haustür. Dort angekommen atmete er noch einmal tief durch und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass ihm Amor und Rosa wohl gesonnen sein mochten, bevor er den Klingelknopf drückte. Mit jeder Sekunde, die verging, ehe die Tür geöffnet wurde, legte sein Puls um einen Schlag zu. Hoffentlich ließ ihn bald jemand herein, bevor er platzte. Es wäre eine schlichte Katastrophe, wenn Rosa und ihre Familie zusammen mit Alfonso gerade einen Ausflug machte. Quatsch! Dann wären ja die Autos nicht da, beruhigte er sich. Erleichtert atmete er auf als sich die Tür vor ihm öffnete. „Rosa-Maria!" Seine Tochter stürzte sich auf Alfonsos Haushälterin, die sie sofort auf ihren Arm nahm und sie an sich drückte. „Dios mio, wo wart ihr so lange?" Ihr vorwurfsvoller Blick landete auf Phil, der sich gerade wie ein kleiner Schuljunge vorkam, der beim Abschreiben erwischt worden war. „Wir waren auf der Fähre. Da gab es Ensaimada. Die ist aber nicht so lecker wie deine", sprudelte seine Tochter los. „Was ist denn hier los?" Hinter Rosa-Maria tauchte Erik auf und starrte Phil an. „Was willst du hier?" Okay, das war jetzt nicht die Ansprache, die man sich vom Vater seiner Freundin wünschte. Phil schluckte. Hatte er sich das alles viel zu einfach vorgestellt? Vielleicht. Aber davon würde er sich nicht abschrecken lassen. Nein, endlich wusste er, was er wollte. Und das war Rosa. „Schatz, was ist denn?" Na prima, dann war da ja auch noch gleich Rosas Mutter, die ihn abkanzeln konnte. Sie hatte garantiert noch weniger Verständnis für sein Zögern. „Pippa! Phil! Verflucht!" Wow, es gab also wirklich noch eine Steigerung. Kathie schob sich an ihrem Mann vorbei und musterte Phil. „Los, kommt erst einmal rein. Du siehst ja total müde aus. Hattet ihr den Rote-Augen-Flieger?" Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn mit sich. Okay, damit hatte er nach der Begrüßung nicht wirklich gerechnet, aber wahrscheinlich hatte sie in den Mutter-Modus gewechselt. Er hörte wie sich die Tür hinter ihm schloss und die anderen ihnen folgten. Aus dem Wohnzimmer hörte er Stimmen und sein Herz begann wieder zu rasen. Gleich würde er Rosa gegenüberstehen. Ab jetzt zählte es.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Teen FictionRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...