Phil saß wieder auf dem Beifahrersitz neben Rosa, die den Wagen von Alfonso durch den mallorquinischen Verkehr lenkte. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen wollen von der Tierklinik ins Hotel nach Palma zu fahren, weil er ja einige Zeit im OP,verbracht hatte und dementsprechend müde sein müsste. Die Kleine war echt süß. Scheinbar wusste sie noch gar nicht wirklich, was in ihrem Veterinärstudium auf sie zukommen würde. Da gab es weitaus anstrengendere Dinge als so eine OP. Das würde sie aber ziemlich schnell lernen. Phil schaute aus der Seitenscheibe, wie er es vorhin auch getan hatte und sah die Landschaft an sich vorbeiziehen. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Es war ja nicht das erste Mal, dass er mit einem Notfall in einer spanischen Tierklinik auftauchte. Ja, die andere Tierklinik lag aber auf Ibiza und gehörte Blanca. Damals hatten Will und Maja einen jungen verlassenen Welpen am Strand gefunden- ihre Susi. Phil war dann mit ihnen in die nächstgelegene Tierklinik gefahren, um die kleine Hundedame checken und versorgen zu lassen. Ja, damals war er noch kein fertig ausgebildeter Veterinär, sondern steckte noch in den letzten Zügen seines Studiums. Und dann hatte er dort Blanca kennengelernt und war ihr förmlich verfallen. Nicht nur förmlich! Er hatte das erste Mal erfahren, was es hieß, wenn die Leute von Liebe auf den ersten Blick sprachen. Man, war er damals glücklich gewesen, als er bemerkt hatte, dass es Blanca ähnlich ging. Sie war zwar einige Jahre älter als er gewesen, aber das hatte keinen von beiden gestört. Jedenfalls hatte das Phil geglaubt. Schmerzhaft hatte er später feststellen müssen, dass das wohl ein Irrtum war. Er hatte in Blanca ein Vorbild gesehen. Sie hatte ihr Studium in München bereits abgeschlossen und die Tierklinik in ihrer Heimat auf Ibiza übernommen. Man, was hatte er für Pläne gehabt! Für ihn war klar, dass er sich in sein Studium noch mehr reinhängen würde, um noch schneller seinen Abschluss zu haben, damit er so schnell wie möglich nach Ibiza zu Blanca ziehen und bei ihr in der Klinik mit einsteigen konnte. Dazu war es aber nie gekommen. Phil musste schlucken. Er kam sich immer noch total naiv vor, wenn er zurückdachte, wie er sich immer ein paar Tage freigeschaufelt hatte, um nach Ibiza zu Blanca zu fliegen. Ja, andersherum war da nicht dieser Wille. Das hatte ihn damals aber nicht gestört, denn er hatte das Vorschieben der Unabkömmlichkeit aus der Klinik immer akzeptiert. Heute wusste er, wie dumm das war. Egal! Die ganze Sache hatte ihn ja auch irgendwie zu dem Menschen gemacht, der er jetzt war. Weniger naiv und weitaus realistischer. Ja, er brauchte keine trügerische Partnerschaft, die dann doch nur zu Lasten des Naivlings ging. Er verließ sich lieber nur noch auf sich selbst, da wusste er wenigstens, dass alles auch so lief wie es sollte. Da gab es keine bösen Überraschungen aus dem Hinterhalt, mit denen man überhaupt nicht gerechnet hatte. Alles war schön sicher und kalkulierbar.
Rosa warf einen Seitenblick auf Phil, der ziemlich ruhig war, seit sie die Klinik verlassen hatten. War die OP vielleicht doch nicht so gut verlaufen, wie er ihr hatte glauben machen wollen? Sah er sie also genauso als kleines realitätsfremdes Pferdemädchen, so wie ihre Familie das tat? Wahrscheinlich glaubten alle, dass es ihr nicht auffiel, dass sie immer versuchten sie von der Grausamkeit des Lebens abzuschirmen. Ja, ihre Eltern und ihr Bruder Sascha hielten sie wohl für zu zart besaitet, deshalb hatten sie auch versucht ihr ihre Studienpläne auszureden. Damit hatte sie sich aber trotzdem durchgesetzt. Ihr war doch selbst klar, dass sie niemals jedem Tier helfen und es retten würde können. Aber jedes bei dem es klappte, war doch ein Erfolg. Es enttäuschte sie aber schon, dass Phil sie scheinbar genauso einschätzte. Das hätte sie nicht erwartet. Sie hatte gedacht, er würde ihre Intension besser verstehen als die anderen. Vielleicht sollte sie ihm einfach zeigen, dass sie nicht beschützt werden musste. Irgendwann wollte sie schließlich fachlich mit ihm auf Augenhöhe sein. Klar, das würde noch eine Weile dauern, bis sie soweit war. Aber dafür war es wichtig, dass sie jetzt schon dafür sorgte, dass sie seinen Respekt hatte. „Ist die OP doch nicht so gut gelaufen?", unterbrach sie die Stille im Auto. „Was?" Phil schaute sie überrascht an. Wie kam das Mädel denn jetzt darauf? „Na ja, du bist so still und ich dachte...." Dieser leichte rote Schimmer war wieder auf ihre Wangen getreten. „Nein, die OP ist super gelaufen. Der Kleine wird wieder komplett gesund. Ich war nur eben etwas in Gedanken." Rosa nickte verständnisvoll. „Das geht mir manchmal auch so." Bevor das hier noch in eine für ihn peinliche Richtung lief, wechselte Phil lieber das Thema. „Der Kleine hat echt Glück gehabt, dass du gesehen hast, wie er angefahren wurde. Wenn ihn da keiner gefunden hätte, wäre er qualvoll eingegangen, weil er sich nicht mehr alleine hätte versorgen können." „Wie alt ist er überhaupt?" „Schätzungsweise ein halbes Jahr. Auf alle Fälle war er schon alleine unterwegs." „Alleine unterwegs? Das heißt er hat keinen Besitzer?" Phil schüttelte den Kopf. „Wir haben keinen Chip gefunden." „Aber was passiert jetzt dann mit ihm?" Rosas kornblumenblaue Augen schauten ihn schockiert an. „Er kommt doch nicht etwa in so eine Tötungsstation." Rosa klang fast panisch und Phil war sich sicher, dass sie das garantiert verhindern würde. Ja, so benahm sich eine gute zukünftige Veterinärin. Er war sich ziemlich sicher, dass Rosa genau die richtige Einstellung für das Studium und den Job hatte, der nicht immer leicht war.„Meinst du wirklich, ich habe ihn zusammengeflickt und übernehme die Kosten für seine vorübergehende Unterbringung in der Klinik, damit er dann getötet wird?", versuchte er sie zu beruhigen. „Wohl nicht." Rosa schüttelte ihren Kopf und spürte die Wärme in ihren Wangen. Scheinbar war sie wohl doch ziemlich naiv, wenn sie so etwas befürchtete. Ihr hätte doch klar sein müssen, dass Phil das niemals zulassen würde. Was musste er jetzt von ihr denken? Das sie selbst so etwas durchaus zulassen würde. Er musste sie ja für eine totale Fehlbesetzung als Tierarzt halten. Wahrscheinlich dachte er, dass es schade war, dass sie für jemanden aussichtsreicheren den Studienplatz blockierte. „Ich habe schon mit José, das ist der Arzt, dem die Klinik gehört, gesprochen. Der Kleine bleibt so lange noch bei ihm bis wir alle Impfungen durchhaben. Dann kommt er zu mir nach Deutschland und ich werde ihn vermitteln." Rosa atmete erleichtert auf. Ihr kam ein ganz spontaner Einfall. „Was meinst du, ob der Vermieter in Berlin und Nessa etwas gegen einen Hund im Haus hätten?"
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Novela JuvenilRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...