„So wie das aussieht, hast du das also mit Rosa nicht geklärt bekommen." Max schaute Phil kopfschüttelnd an. „Ich hätte dich echt für schlauer gehalten." Musste sein Bruder wieder mit dem Thema anfangen? „Ich hatte gar keine Möglichkeit dazu, weil sie schon weg war", brummte Phil genervt. „Na dann hätte ich sie ja echt für dümmer gehalten als sie ist. Ich dachte sie lässt sich echt jeden Mist von dir bieten." „Rosa ist alles andere als dumm. Sie hat nicht umsonst das Abi mit einer 1,0 hingelegt und will Veterinärmedizin studieren", verteidigte er sie sofort. Was bildete sich sein Bruder eigentlich ein, zu behaupten, er hielt Rosa für dumm? „Na ja das eine hat ja mit dem anderen wenig zu tun. Es gibt auch eine soziale Intelligenz." An Phils Sakko Ärmel begann es zu zuppeln. Er drehte sich um und sah seine Tochter vor ihm von einem Bein auf das andere hüpfen. „Papa, wann kommt denn endlich der Weihnachtsmann mit Rosa, Nado und meinem Hund?" Okay, das war zwar eine Unterbrechung für das wenig angenehme Gespräch mit seinem Bruder, aber diese hatte nicht weniger Konfliktpotenzial in sich. Phil ging vor seiner Tochter in die Knie, damit er mit ihr auf Augenhöhe war. „Du weißt doch, was Oma gesagt hat." Pippa verzog ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen. „Nur ein Geschenk. Aber solange ich nicht weiß, welches er bringt, kann ich ja alle drei Wünsche aufsagen. Und weißt du Papa, eigentlich wünsche ich mir, dass er Nado bringt." Phil schaute sie überrascht an. Klar liebte sie diesen kleinen Kerl, aber er hätte erwartet, dass ihr ein eigener Hund wichtiger wäre. „Wieso Nado?" Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Na weil Rosa ihn niemals alleine zum Weihnachtsmann lassen würde und ich mit diesem Wunsch zwei Ameisen mit der Hand geschlagen hätte." Phil hörte hinter sich das Glucksen seines Bruders. „Du meinst zwei Fliegen mit einer Klappe", korrigierte er Pippa, die mit ihren Schultern zuckte. „Oder so. Was ist überhaupt eine Klappe?" „Dat, wat bei dir und mir ziemlich ausgeprägt is." Tessa hatte sich die Hand ihrer Nichte geschnappt. „Komm mal mit. Wir müssen da noch wat für den Weihnachtsmann üben." Allein das Wort Weihnachtsmann reichte aus, damit seine Tochter mit seiner Schwester ohne Protest mitlief und Phil wieder dem Gespräch mit seinem Bruder aussetzte. Kleine Verräterin! „Wo waren wir noch einmal stehen geblieben?" Max schaute ihn auffordernd an, ehe er nickte. „Ach ja, bei sozialer Intelligenz. Das ist...." „Ich weiß, was soziale Intelligenz ist. Die ist im Tierreich ausgeprägter als bei uns Menschen." „Ja, da würde ich dir durchaus zustimmen. Du bist ja das beste Beispiel dafür, dass sie bei uns Menschen schnell verkümmert." Okay, Max wollte ihn provozieren. Heute war aber Weihnachten und er hatte weder auf so ein tiefgreifendes Gespräch noch auf Unfrieden Lust. Das Handy in seiner Brusttasche vibrierte. Wenn das sein Mitarbeiter war, der ihn zu einem Notfall rief, würde er gleich aus dem Sakko springen. Das war das erste Weihnachten mit seiner Tochter und da war sein Platz bei ihr und nirgendwo anders. „Reus", meldete er sich deshalb auch schon gleich deutlich genervt. „Durm", scholl es ihm entgegen. „Ist es jetzt schon so weit, dass wir uns nur noch siezen und mit Nachnamen ansprechen?" Das war Sascha. Was wollte der denn? Na was wohl. Die Frage konnte sich Phil ja ziemlich einfach beantworten. Mit Sicherheit wollte er ihm kein frohes Fest wünschen, sondern ihn zusammen stutzen. „Ich habe nicht auf das Display geschaut, sorry", entschuldigte sich Phil. Manchmal war ja beschwichtigen auch eine gute Strategie. Im Tierreich funktionierte das jedenfalls ganz gut. „Ist mir klar. Sonst hättest du den Anruf wahrscheinlich gar nicht angenommen", kam die prompte Antwort. Seit wann war Sascha so schlagfertig? Seine Frau schien langsam auf ihn abzufärben. Was sollte Phil darauf antworten? Wahrscheinlich hätte er den Anruf ganz aus Versehen überhört. Manno, er war echt zu einem Schisser mutiert, wenn er schon irgendwelchen Telefonaten aus dem Weg ging. Das war doch überhaupt nicht seine Art. „Ich wünsche dir ein schönes Weihnachtsfest", redete er also in seiner ihm angeborenen Fröhlichkeit los. „Wo feiert ihr denn?" Als die Frage seinen Mund verließ, schlug er sich innerlich vor die Stirn. Na wo wohl. „Da, wo du auch gerade sein solltest", scholl es ihm auch schon entgegen. „Wir sollten den Smalltalk sein lassen, mein Lieber und zu dem wirklichen Grund meines Anrufs kommen." Wirklicher Grund? Scheiße! War etwa was mit Rosa passiert? War sie vielleicht irgendwie gestürzt und hatte sich wieder verletzt? „Geht es Rosa gut?", platzte es aus Phil heraus. Er spürte sofort Max alarmierten Blick auf sich. Sein Bruder stand ja immer noch neben ihm. Max gab ihm ein Zeichen und er stellte auf Lautsprecher. „Ist alles okay mit Rosa? Hier ist Max." „Was meint ihr denn?", kam es von Sascha. „Sie sitzt hier total verzweifelt, weil sie nicht weiß, was sie falsch gemacht hat. Phil, ich hätte echt nicht gedacht, dass du so ein Feigling bist und einfach den Schwanz einziehst." „Ich bin kein Feigling. Ich habe eine Verantwortung für Pippa und auch...." „Ach, versteck dich doch nicht hinter deiner Tochter", unterbrachen Max und Sascha ihn gleichzeitig. „Und auch für Rosa", fuhr er unbeirrt fort. „Wenn sie noch nicht in der Lage ist abzusehen, welche Folgen eine Beziehung mit mir für sie hätte, dann muss ich als der Ältere die Entscheidung treffen und sie beschützen. Sie hat schließlich noch ihr ganzes Leben vor sich und muss ihre Träume verwirklichen." Das war doch wohl logisch verständlich genug, damit Max und Sascha ihn endlich in Ruhe ließen. „Also meine Schwester ist definitiv reif genug, um ihre Entscheidungen zu treffen. Das musst du nicht für sie machen. Vielleicht sind es nicht die schlausten, wenn sie sich an so einen Feigling wie dich bindet." Wie bitte? Feigling! „Ich bin kein Feigling! Ich bin nur verantwortungsvoll. Das solltest du als ihr Bruder durchaus zu schätzen wissen." Der hatte doch einen Knall. „Falsch, du bist ein Feigling und ...." „Und dazu noch uneinsichtig und beratungsresistent", mischte sich Max ein. Na prima! „Ich habe ihm auch schon gesagt, dass Rosa das entscheiden muss und nicht er, sonst ist er keinen Deut besser als Blanca." „Du sagst es! Blanca hat ihn fallen lassen, weil er noch zu jung und nicht fertig war. Und jetzt macht er den gleichen Mist mit Rosa", kam prompt die Zustimmung von Sascha. „Na prima, wenn ihr euch so einig seid, könnt ihr ja weiter telefonieren. Frohe Weihnachten!" Phil drückte Max sein Handy in die Hand und schaute sich suchend nach Pippa um. Die beiden waren doch bekloppt. Er und genauso wie Blanca. Das stimmte doch nicht. Sie hatte ihn für einen alten Sack fallen lassen, weil er noch nicht so viel zu bieten hatte. Das war doch etwas ganz anderes. Er war einfach nur verantwortungsvoll und dachte an Rosas Zukunft. Nein, er hatte definitiv nichts falsch gemacht.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Teen FictionRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...