Kapitel 155

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„So, jetzt wird aber geschlafen." Phil breitete das Deckbett über Pippa aus, die wahrscheinlich innerhalb der nächsten Sekunden eingeschlafen sein würde. Jedenfalls hoffte er das, denn der Tag heute hatte es in sich gehabt. Ja, so ein Weihnachtsmann, der ein eigenes Pony brachte, war schon ziemlich aufregend. Die letzten Stunden hatte Phil zusammen mit seiner anderen Hälfte Max und seinen Kindern zusammen mit Pippa im Reitstall verbracht. Scheinbar war das Weihnachtsgeschenk seines Vaters für seine Tochter von langer Hand geplant gewesen, denn wie von Zauberhand war im Reitstall eine Box für Cabi, wie Pippa das Pony sofort getauft hatte, vorbereitet gewesen. Eins musste man seinem Vater wirklich lassen. Er hatte auf seine Erfahrung mit seinen beiden Reitersöhnen zurückgegriffen, denn zu den Ponys gehörte auch das komplette Zubehör über Sattel und Zaumzeug bis hin zu den Reitklamotten, das im Stall auf sie gewartet hatte. Natürlich waren dann auch ein paar Runden auf den Ponys gefolgt. Phil würde lügen, wenn er nicht zugeben würde, dass ihn das Reittalent seiner Tochter ziemlich stolz machte. Also nicht, dass er ein Problem damit hätte, wenn sie lieber einem anderen Hobby nachgehen würde....aber so war das noch eine Möglichkeit mehr, Zeit mit ihr zu verbringen. Ja, vor seinem geistigen Auge sah er sie schon zusammen ausreiten. Okay! Das würde noch ein Weilchen und viele Reitstunden dauern, bis sie dafür alt und sicher genug war. Aber trotzdem war es ein schöner Ausblick in die Zukunft. Er auf Salomon, Rosa auf Dalia und dazwischen Pippa mit Cabi. Stop! Da hatte sich ein falsches Bild eingeschlichen. Rosa gehörte dort nicht hin. Nein, er glaubte auch nicht mehr an eine Freundschaft, wenn er ganz ehrlich zu sich war. Dazu schien Rosa zu verletzt und uneinsichtig zu sein. Schließlich war sie sang- und klanglos verschwunden und hatte sich seitdem auch nicht wieder bei ihm gemeldet. So etwas machten Leute nicht, denen noch etwas an einer Freundschaft lag.  „Papa!" Pippa setzte sich in ihrem Bett wieder auf. „Der Weihnachtsmann ist ganz schön dumm. Stimmt's?" Okay, Benny hatte eine nicht wirklich überlegene Show abgeliefert. Aber dumm? Tollpatschig traf es wohl eher. „Wieso ist er dumm?" Phil setzte sich auf die Bettkante und schenkte seiner Tochter seine volle Aufmerksamkeit.  „Na Papa, ich habe mir einen Hund gewünscht und er bringt ein Pony. Das ist schon ganz schön dumm, wenn er den Unterschied nicht kennt." Okay, das war typische Pippa Logik, die sich nur schwer widerlegen ließ. „Aber ein Pony ist viel besser. Bald kommt ja Rosa wieder und dann ist Nado da und ich habe einen Hund", grinste ihn die Kleine breit an, als hätte sie jemandem gerade ein Schnippchen geschlagen. Hoffentlich endete das nicht in einer Enttäuschung, denn Phil ging schwer davon aus, dass Rosa nach ihrer Rückkehr ihre Zelte bei ihm abbrechen würde, um ihr Studium mit nur einem Semester Verspätung in Berlin aufzunehmen. Ja, das wäre die richtige Entscheidung von ihr. Und warum zog sich dann bei dem Gedanken alles in ihm zusammen? Ganz einfach deshalb, weil er die Enttäuschung seiner Tochter gerne erspart hätte. Leider führte da aber kein Weg daran vorbei, egal wie viele Menschen schon in ihrem jungen Alter aus ihrem Leben verschwunden waren. Dafür hatte sie ja jetzt eine riesige Familie, die sie niemals im Stich lassen würde. Trotzdem, der Verlust von Rosa würde die Kleine schwer treffen. „Ich weiß nicht, ob Rosa und Nado wieder kommen." Es konnte ja nicht schaden, wenn er seine Tochter schon einmal vorsichtig vorbereitete. Dann war das nicht so ein Schock. „Papa, wo sollen sie denn sonst hin. Natürlich kommen sie wieder." So überzeugt wie seine Tochter klang, hatte sie keine Zweifel. „Vermisst du Rosa auch so?" Ihre Augen hatten einen traurigen Ausdruck angenommen. Was sollte Phil darauf antworten? Natürlich vermisste er den kleinen Kornblumen-Teufel, aber das änderte ja nichts an der Tatsache, dass es so besser für alle war. Okay, nicht für alle, aber für Rosa. Und das war das Wichtigste. Als Antwort nickte er nur. „Rosa fehlt mir ganz doll!", schmollte Pippa. „Ob sie sich über mein Bild freut? Oder meinst du der Weihnachtsmann hat das verbummelt, weil er so dumm ist?" Ja, Pippa hatte ein Bild für Rosa gemalt und mit Phil zusammen eingewickelt. Es lag im obersten Fach seines Schranks und wartete auf ihre Rückkehr. „Nein, der Weihnachtsmann kennt sich ja nur nicht mit Tieren aus. Die Leute findet er schon, um ihnen ihr Geschenk zu bringen." Pippa nickte zufrieden. „Stimmt, Papa. Der hat nur keine Ahnung von Tieren und ist ein bisschen alt. So wie Opa." Oh oh, wie gut, dass sein Vater das nicht hörte. Das könnte Pippa ihren Platz als Lieblingsenkelin streitig machen. Ja, irgendwie schien sein Vater einen ganz besonderen Draht zu der Kleinen zu haben. Also nicht, dass er seine anderen Enkel weniger liebte. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass er die verlorene Zeit nachholen wollte und das kleine freche Ding gerade wegen ihres vorlauten Mundwerks mochte. Phil wusste es nicht. Manche Sachen musste man auch nicht ergründen. „So, jetzt wird aber wirklich geschlafen!" Er schob Pippa wieder zurück auf ihr Kopfkissen und drückte ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf ihre Stirn. „Nacht, Papa. Hab dich lieb!", flüsterte sie ihm zu. Da war jemand jetzt wohl wirklich müde. „Ich dich auch!" Phil lief zur Tür und löschte das Deckenlicht, so dass nur noch das kleine Nachtlicht das Zimmer etwas erhellte. „Papa!" Pippas Körper hatte sich wieder aufgerichtet. „Du musst noch meine Spangen zurück legen. Nicht dass du die verlierst." „Mache ich jetzt sofort. Und du leg dich wieder hin und schlafe!" Pippa nickte und ließ sich wieder in ihr Kissen sinken. Das war heute wohl ein ziemlich aufregender Tag für sie.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt