Kapitel 20

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Rosa lief den Hotelgang entlang. Sie hatte bereits gefrühstückt und hielt in ihrer Hand einen Becher mit Kaffee, den sie aus dem Frühstücksraum mitgenommen hatte. Vielleicht konnte Phil den gebrauchen, genau wie die Banane und den Apfel, die sie in ihrer Hosentasche hatte verschwinden lassen. Ja, sie hatte ziemlich lange im Frühstücksraum auf ihn gewartet, aber er war nicht erschienen. Das hieß dann wohl, dass er länger schlief. Okay, das war wohl auch erklärlich, denn scheinbar war er gestern Abend wirklich noch ausgegangen. Wer wusste schon, wann er heute Nacht erst ins Bett gekommen war. Jedenfalls war er gestern Abend um 22 Uhr, als Rosa bei ihm geklopft hatte nicht zu Hause gewesen. Vielleicht war das auch ganz gut gewesen. Irgendwie war es ihr mittlerweile total peinlich, dass sie um die späte Uhrzeit an der Tür geklopft hatte. Was wäre gewesen, wenn sie ihn da in Schlafklamotten oder gerade beim Duschen erwischt hätte? Wahrscheinlich wäre ihr Kopf vor Scham geplatzt. Gestern Abend hatte sie aber gar nicht so weit gedacht und war nur impulsiv zu seinem Zimmer gelaufen, nachdem Alfonso sie im Hotel abgeliefert hatte. Ja, sie hatte Phil sofort von ihrer Überraschung mit dem Ausritt erzählen wollen. Vielleicht wäre es auch doch nicht so dumm gewesen, denn dann hätte er früh genug aufstehen können, um pünktlich fertig zu sein. Vielleicht hätte sie wenigstens eine Nachricht unter der Tür durchschieben sollen. Ja, das wäre wohl besser gewesen. Aber gewesen ließ sich halt nicht mehr ändern. Deshalb stand sie jetzt vor Phils Tür und klopfte erst einmal zurückhaltend dagegen. Wenn er schon wach war würde er das schon hören. Nichts passierte. Rosa erhöhte die Intensität des Klopfens. Blöderweise war in der Reitplanung kein längeres Ausschlafen vorgesehen und sie musste ihn jetzt wecken. Rosa hörte das leise Klicken der Verriegelung der Tür und ein ganz blödes Gefühl stieg spontan in ihr empor. Was war, wenn Phil wirklich gestern noch irgendwo gefeiert hatte, was ja eigentlich für sie fest stand, und jetzt gar nicht alleine in seinem Zimmer war. Scheibenkleister! Warum hatte sie sich nicht früher Gedanken gemacht? Das würde total peinlich! Die Tür öffnete sich und Phil tauchte vor ihr nur in einer Boxershorts und mit total verwuschelten Haaren auf. Okay, es wurde nicht nur peinlich, sondern total endpeinlich. Wieso hatte sie nur auf Alfonso gehört? Phil brauchte mit Sicherheit keine Überraschung und einen Reitausflug. So wie er aussah, hatte er den wohl bereits heute Nacht gehabt. Es fehlte nur noch, dass es gleich ein empörtes Wiehern von der Stute aus dem Zimmer gab.
„Rosa?" Phil schaute das Mädel ihm gegenüber erstaunt an. Hatte er irgendeinen Termin vergessen? Er fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare. Wie spät war es überhaupt? Er hatte bis eben, als ihn das Klopfen geweckt hatte tief und fest geschlafen. Gestern Abend war er nach seiner Burger Mahlzeit dann doch zurück ins Hotel gegangen, weil er hundemüde war. Er musste schon vor 22 Uhr in eine Art Koma gefallen sein. Scheinbar wurde er doch langsam alt. Früher wäre ihm so etwas mit Sicherheit nicht passiert. „Sind wir verabredet?" „Ähm....nein" Super, dann musste er also kein schlechtes Gewissen haben, weil ihm etwas durch die Lappen gegangen war.  „...ähm ....also....ja" Was denn nun? „...ähm...nein." Okay, dieses Gestotter war gerade noch ein wenig viel für seinen Kopf, besonders, wenn er noch keinen Kaffee intus hatte. Er hatte keinen blanken Schimmer, was wirklich Sache war. „Also sind wir verabredet, oder nicht?" Scheinbar war seine Ansprache wohl etwas zu barsch, wenn er den rötlichen Schimmer beobachtete, der sich auf Rosas Wangen ausbreitete. „Ähm....also...." Nee, so ging das nicht weiter. Er trat etwas zur Seite und bedeutete ihr in sein Zimmer zu kommen. Sie mussten das ja nicht im Hotelflur ausdiskutieren. Wer wusste schon, wie viele Ähms sie noch produzierte. „Das geht nicht." Rosa schüttelte empört den Kopf, der mittlerweile ein ziemlich tiefes Rot angenommen hatte. „Warum....." Phil schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Kleinen Moment!" Er lief schnell zu dem Stuhl, wo er seine Jeans und sein T-Shirt gestern abgelegt hatte und schlüpfte hinein. „So, jetzt aber rein mit dir." Er griff nach Rosas Arm und zog sie ins Zimmer. Wieso sträubte sie sich denn immer noch? Sie war doch schon öfter mit ihm alleine in einem Raum. Also manchmal war sie echt ein Rätsel. „Oh, du bist alleine?" Ihre Kornblumen-Augen waren erstaunt aufgerissen.„Ja, ich wohne in dem Zimmer alleine. Du hast doch auch ein Zimmer für dich." Was hatte sie bitte gedacht? „Ich hatte gedacht...." Sie winkte ab und Phil war erstaunt, dass es noch ein tieferes Rot gab, das ihr Gesicht färben konnte. Echt! Bei Phil machte es klick. „Du hast gedacht, ich habe hier eine Frau auf dem Zimmer." Ein verschämtes Nicken war die ganze Antwort. Er musste grinsen. Na wenigstens schien sein Ruf besser durchzuhalten als die Realität. „Gut, wo wir das jetzt geklärt haben, warum bist du klopfen gekommen? Habe ich eine Verabredung verpasst?" Vielleicht bekam er ja jetzt eine klare Aussage, mit der er etwas anfangen konnte. „Nein, nicht wirklich. Eigentlich wollte ich dich überraschen", platzte es aus Rosa heraus und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Es war so schrecklich peinlich, dass sie schon wieder total voreingenommen gedacht hatte und dann kam sie auch noch mit ihrer übergriffigen Idee von einem gemeinsamen Ausritt. Vielleicht hatte Phil ja schon etwas ganz anderes für den Tag geplant. „Also wenn die Überraschung der Kaffee in deiner Hand ist, dann ist sie dir geglückt." Phil deutete auf den Becher, den sie wie ein Schutzschild vor sich gehalten hatte. „Ähm ja, der ist für dich. Und das auch." Sie reichte ihm erst den Becher und zog dann die Banane und den Apfel hervor. „Wow, ein Affen- und ein Pferdesteak. Dazu Kaffee. Ein perfektes Männerfrühstück." Begeistert nahm er ihr die Mitbringsel ab. Das ließ sie all ihren Mut zusammen nehmen. „Ich habe für uns einen Ausritt gebucht. Wir müssen aber in einer halben Stunde los." „Warum sagst du das erst jetzt?" Phil zog sein T-Shirt wieder über den Kopf und fummelte an seinem Hosenknopf herum. „Ich beeile mich mit dem Duschen. Ich brauche höchstens eine Viertelstunde." Rosa spürte, wie die Hitze wieder in ihre Wangen schoss. „Ich komme in 20 Minuten wieder!" Sie flutschte schnell aus dem Zimmer und blieb einige Meter entfernt im Hotelflur stehen. Manno, war das peinlich gewesen, wie sie auf Phils gut trainierten Oberkörper gestarrt hatte. Seit wann tat sie so etwas?

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt