„Das sieht echt cool aus." Phil hielt die Skizze von Marshmallow in der Hand. Ja, ihm gefiel diese Gestaltung, die an eine Art Wimmelbuch mit allen möglichen Tieren erinnerte. „Wann könntest du denn damit beginnen? Schaffst du das noch bevor dein Studium beginnt?" Delphine grinste ihn breit an. „Erstens beginnt mein Studium erst im Oktober und zweitens würde ich dafür trotzdem Zeit finden." Sie verzog kurz ihr Gesicht. „Also ich habe schon die Zusammenstellung für die Farben beisammen. Die könnte ich sofort bei Opa Erwin bestellen, aber..." Sie kaute auf ihrer Unterlippe. „Was aber?" Warum wirkte sie so nachdenklich? „Hast du Angst, ich kann mir wegen des Umbaus die Farben und deine Dienste nicht mehr leisten?" „Ach Quatsch", winkte Marshmallow grinsend ab. „Du weißt doch, dass ich das auch aus caritativen Zwecken bei dir so male." Schlagartig wurde sie wieder ernst. „Nee, aber ich dachte, vielleicht könnten wir damit warten, bis Rosa wieder aus der Reha zurück ist. Ich würde sie da gerne mit einbeziehen. Dann hätte sie gleich eine Aufgabe und käme sich nicht so überflüssig vor." Das klang interessant. „Was meinst du? Soll sie dir die Sprayflaschen reichen?" Delphie schüttelte den Kopf. „Nee, ich dachte schon, dass sie auch sprayt. Zum Beispiel den Hintergrund. Das hat sie schon einmal gemacht, als wir die eine Wand eures Reitstalls verschönert haben." Ja, das Graffiti dort war cool geworden und auf Rosas Initiative entstanden. Aber.... „Meinst du nicht, dass sie das dann umso mehr an den Unfall erinnert?" Marshmallow zuckte mit den Schultern. „Den Unfall hat es nun einmal gegeben. Der wird auch nicht verschwinden, wenn sie nicht daran denkt. Vielleicht ist es viel wichtiger, dass sie sich sogar einmal damit auseinander setzt, damit sie dann damit umgehen und weitermachen kann." Das klang gar nicht so dumm. Ja, vielleicht wäre das der richtige Schritt in die richtige Richtung. „Und du meinst sie sprayt dann den Hintergrund?" So wie Rosa bei seinem letzten Besuch drauf war, würde er wahrscheinlich ziemlich düster. Aber das war ihm egal. Hauptsache sie fing wieder an, zu leben. Und einen Versuch war es wert. „Ja, vielleicht bekomme ich sie auch zu mehr. Du glaubst ja nicht, wie befreiend das Sprayen sein kann. Ich hatte damit auch schon bei einigen Kids im Einzigartig vollen Erfolg." Phil musste schmunzeln. Ja, das Einzigartig war eine Einrichtung, in der Delphie mittlerweile freiwillig mit behinderten Kindern und Jugendlichen arbeitete. Als sie damals beim Sprayen erwischt worden war, hatte sie dort ihre Sozialstunden ableisten müssen und dabei ihren Berufswunsch entdeckt, sozial zu arbeiten. Deshalb begann sie auch demnächst ihr Studium zur Sozialpädagogin. Wenn es jemand schaffte Rosa aus ihrem Tief zu ziehen, dann war es garantiert Marshmallow mit ihrer Ausstrahlung und unverblümten Art, gepaart mit unglaublich viel Empathie. „Okay, ich bin dabei. Du fängst an, wenn es für dich passt." „Das war ja klar, dass du da dabei bist!" Saschas Stimme triefte nur so vor Hohn. „Wo bist du nicht dabei?" Wo kam der denn auf einmal her? „Was machst du überhaupt hier? Hatte ich mich nicht klar ausgedrückt, dass ich mit dir nichts mehr zutun haben will?" Man, der war ja immer noch so angepisst wie bei ihrem letzten Treffen. Phil schaute sauer zu Delphie. „Ich denke, er ist zum Mannschaftstreffen." Er hatte ihr doch klar gemacht, dass ein Aufeinandertreffen nicht gerade positiv wäre. „Ups, dann habe ich dich wohl angelogen oder zu deinem besten angeschwindelt. Dann sind wir jetzt ja quitt", grinste ihn das Mistbiest an. „Sehr witzig!", knurrte er. Also nicht, dass er sich nicht gerne mit Sascha aussprechen würde, aber er wäre schon gerne darauf vorbereitet und auf neutralem Boden. „Nee, es ist überhaupt nicht witzig, wie ihr beiden Deppen euch momentan benehmt. Ihr beide seid best Buddys." „Wir waren best Buddys", knurrte Sascha. „Bis er mich hintergangen hat. Das ist ein großer Unterschied. Und ich bin überhaupt kein Depp, sondern ein besorgter großer Bruder, der von seinem besten Freund enttäuscht wurde. Also verpiss dich aus meinem Haus", spie er in Phils Richtung. „Wo sind überhaupt Alfonso und Rosa-Maria? Ich denke sie kommen zum Grillen und ich sollte nur schnell das Brot holen? Ich habe nämlich ziemlichen Hunger", wandte er sich mit wieder freundlichem Ton an seine Frau, die nur den Kopf schüttelte. „Und ob du ein starrköpfiger Depp bist. Und wenn du nicht verhungern willst, dann setzt du dich da auf das Sofa." Sie deutete mit ihrem Finger in Richtung Wohnzimmer, ehe sie Phil leicht gegen die Brust stupste. „Und du auch!" Das hörte sich nicht wie eine Bitte, sondern ein Befehl an. Okay, dann würde er sich da eben hinpflanzen, genau wie es Sascha gemacht hatte. Er war sich zwar sicher, dass das nicht das geringste brachte, aber was sollte es. Er würde Sascha einfach genau wie beim letzten Mal seine Beweggründe darlegen und hoffen, dass er diesmal seine Denkzentrale zuschaltete und ihm wenigstens zuhörte und versuchte alles nachzuvollziehen. So wie der aber gerade mit finsterem Blick und vor der Brust verschränkten Armen ihm gegenüber saß, bezweifelte Phil das ernsthaft. Er hört ein Schließgeräusch und sah, wie Marshmallow den Schlüssel der mittlerweile geschlossenen Tür abzog und in ihrem BH verschwinden ließ. Was erhoffte sie sich von dieser Aktion? Sie sollte ihren Mann doch gut genug kennen, um zu wissen, dass er nicht einlenken würde. „Ihr braucht euch gar nicht so finster anstieren." Marshmallow hatte sich einen Stuhl herangezogen. „Ihr kommt hier nicht raus, bevor ihr euch wieder lieb habt. Und wenn ihr wegen Blödheit hier verhungert, ist das euer Problem, nicht meins." Sie brach sich ein Stück von dem Baguette ab, das Sascha auf dem Tisch abgelegt hatte und begann daran zu knabbern. „Ich verscharre dann nämlich eure Kadaver im Garten und stelle ein Kreuz darauf." Sie klopfte kurz mit ihrem Zeigefinger ans Kinn. „Auf dem Kreuz wird dann stehen: Hier ruhen zwei Idioten." So wie sie schaute, war es ihr glatt zuzutrauen. Sie tippte kurz auf ihre Uhr. „Also legt los, ihr Deppen. Die Zeiger drehen sich weiter." „Ich bin kein Depp!", protestierte Phil empört. Der Depp saß ihm gegenüber! Scheinbar schien Sascha das genauso zu sehen, denn auch ihm war der gleiche Satz aus dem Mund geschossen. Marshmallow begann zu grinsen und klatschte begeistert in die Hände.. „Na prima, dann seid ihr euch ja schon mal in einem Punkt einig. Jetzt müsst ihr nur noch den Beweis dafür erbringen. Also, los geht's. " „Er soll anfangen", schoss es Sascha und Phil gleichzeitig aus dem Mund. „Wieder eine Übereinstimmung. Das ist doch ein guter Anfang. Aber ich würde sagen, Phil erklärt erst einmal seine Gründe und dann kannst du ihm deine Empfindungen deshalb mitteilen." Marshmallow lehnte sich entspannt auf ihrem Stuhl zurück. Sie würde in ihrem Job garantiert mal eine richtig Gute. Phil schaute zu Sascha, der immer noch mit vor der Brust verschränkten Armen ihm gegenüber saß. Er musste schlucken. Das wurde mit Sicherheit kein einfaches Gespräch. Aber egal. Einfach konnte ja jeder. Er wollte endlich seinen besten Kumpel zurück. Okay, dann zählte es jetzt wohl.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Novela JuvenilRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...