Kapitel 5

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Rosa schwebte hinter Phil durch die Tür der Pizzeria. Er hatte es wirklich geschafft, dass man eine Box bis nächste Woche für Dalia freihielt. Das war der Wahnsinn. Wenn das wirklich klappte -und davon ging sie aus, so freundschaftlich wie das Telefongespräch von Phil geklungen hatte- dann war ihre größte Sorge Geschichte. Ja, dann ging es nur noch um eine Studentenbude. Aber wie schwer sollte es schon sein ein Zimmer irgendwo in Berlin zu bekommen?Ja, ein Zimmer würde ihr vollkommen ausreichen. Sie brauchte keine ganze Wohnung. Die meiste Zeit war sie sowieso im Reitstall oder in der Uni. Und mit einem Zimmer minimierte sie die häuslichen Tätigkeiten ungemein. Ja, sie hasste es sich um Sachen im Haushalt zu kümmern. Wie oft hatte ihre Mutter schon geschimpft, dass es in ihrem Sattelschrank im Stall ordentlicher aussah als in ihrem Zimmer. Das war ja auch eine logische Tatsache, schließlich war sie dort ja auch viel öfter als in ihrem Zimmer. Und putzen machte auch viel mehr Sinn, wenn es ein Pferd beinhaltete als ein Toilettenbecken oder den Fußboden. „Schau, da drüben ist was frei." Phil deutete mit seiner Hand zu einem freien Tisch in einer hinteren Ecke. Rosa ließ ihren Blick durch die anderen Leute gleiten, die dort saßen, und dann an sich hinunter. Sie zog ihre Stirn kraus. „Ist was nicht in Ordnung?" Phil musterte sie besorgt, während er ihr ihren Stuhl zurecht schob. „Doch eigentlich schon, nur...." Sie stockte und deutete mit ihrer Hand auf ihre Kleidung. „Die sind hier alle so schick angezogen und wir sind in Reitklamotten." Ja, auch Phil hatte Reithose und Reitstiefel an, genau wie sie. Er war auch noch eine Runde auf seinem Salomon geritten, ehe sie sich getroffen hatten. Ihre Eltern hätten sie garantiert erst einmal zum Duschen und Umziehen geschickt, bevor sie hier essen gegangen wären. Ja, ihre Leidenschaft für das Reiten war in ihrer Familie akzeptiert und sie wurde auch von allen unterstützt. Selbst Sascha km zu den Turnieren, wenn es seine Zeit zuließ, aber in einem waren sich alle einig, sie mochten den Pferdegeruch absolut nicht, den sie als fast ständigen Begleiter hatte. Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen vorher noch einen kurzen Abstecher nach Hause zu machen und dann erst hierher zu kommen. Phil hatte sie aber mit der Einladung zum Essen überrascht. Er hatte gemeint, dass er mit etwas im Magen viel besser denken könne. Okay, das traf auf sie auch zu. Ihre letzte Mahlzeit war schließlich das Frühstück vor acht Stunden gewesen. Es war also klar, dass ihr Magen Phils Vorschlag sofort zugestimmt hatte. „Also, ich weiß nicht, was du hast. Gibt es etwas Schickeres als eine Reithose und Reitstiefel an denen noch Pferdemist und ein paar Strohhalme kleben? Und der Duft von Eau de Gaul ist der edelste überhaupt." Phil lachte lauthals. Das wirkte so ansteckend, dass Rosa auch lachen musste. „Du hast recht, eigentlich sind wir gar nicht zu übertreffen." „Du sagst es! Mit Reithose und Reitstiefeln ist man immer passend und perfekt gekleidet." Phil schnitt eine Grimasse. Das sah total lustig aus, denn es wirkte fast, als tanzten die Sommersprossen auf seiner Nase. „Ich glaube aber Sascha und Delphie haben was dagegen, wenn wir da so ankommen." Rosa lenkte das Thema auf den eigentlichen Grund des Treffens. „Ja, da könntest du bei diesen beiden Modemuffeln recht haben. Die wissen ja nicht was gut ist." Gab es eigentlich auch Momente, in denen Phil nicht grinste oder lachte? „Lass uns aber erst einmal bestellen, ehe wir uns diesem Thema zuwenden." Phil griff nach der Karte, die ihnen der Ober reichte. „Was möchtest du trinken? Pferdechampagner?" Diesmal war es Rosa, die lachend nickte. „Bringen sie uns bitte eine große Flasche Mineralwasser", wandte er sich an den Kellner, der gleich wieder verschwand. „Und was willst du essen?" Phil hatte nicht einmal in die Karte geschaut. Rosa ehrlicherweise nur, um sich zu vergewissern, dass es ihre Lieblingspizza hier auch gab. „Pizza Diavolo", platzte es aus ihr heraus. Ja, sie liebte die scharfe Pizza. Warum riss Phil denn seine Augen so überrascht auf? „Echt jetzt?" Sie nickte sofort. „Ja, die esse ich immer." „Ich auch", grinste Phil. „Bei mir ist das ja klar, warum." Sein Gesicht nahm einen diabolischen Ausdruck an. „Aber womit begründest du das?" „Weil ich so eine scharfe Braut bin", platzte es aus ihr heraus. Scheiße! Wieso hatte sie ihren Mund nicht besser kontrolliert? Was sollte Phil denn jetzt von ihr denken? Sie spürte wie ihre Wangen glühten. Da war nicht einmal die scharfe Salami mehr für nötig.
Na da schau mal einer an! Phil verkniff sich ein Schmunzeln. Der kleine Engel konnte also ein freches Teufelchen sein. Es war niedlich, wie peinlich ihr das aber im gleichen Moment auch schon wieder war. Wahrscheinlich hatte sie es faustdick hinter den Ohren, konnte damit aber noch nicht umgehen. „Da hast du recht. Zusammen sind wir eine ziemlich explosive Mischung", zwinkerte er ihr zu und bestellte die beiden Pizzen bei der Bedienung. Wenn er ehrlich war, reizte es ihn, noch mehr von dem kleinen Teufelchen aus ihr heraus zu kitzeln. Die Frage war nur wie. Vielleicht sollte er es aber auch lieber langsam angehen.  „Hey Phil", wurden seine Gedanken durchbrochen und er wurde in eine feste Umarmung gezogen, die in einem dicken Schmatzer gipfelte. Wo kam denn Sina her? „Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen, Schatzi!" Das stimmte. Wahrscheinlich drei Jahre oder so. Es musste zur Hochzeit seiner Schwester Maja gewesen sein. Das Mädel hatte sich aber definitiv kaum verändert. Sie war eine ehemalige Kommilitonin von Maja aus Berlin. Und sie hatte schon immer die Angewohnheit gehabt jeden Schatzi zu nennen und abzuschlappen wie ein Labrador sein Herrchen. „Ich bin gerade mit meinem Freund hier." Sie deutet ein paar Tische weiter. „Ich wollte nur mal kurz Hallo sagen und dich nicht weiter stören." Sie zwinkerte ihm zu. „Waidmanns Heil, du bist und bleibst mein liebster Jäger." Na, ein Glück machte das Weib einen Abgang, denn Phil konnte sich nicht nur an ihr Abgeschlappe erinnern, sondern besonders auch an ihr nie still stehendes Plappermaul. Er warf ihrem Freund einen mitleidigen Blick zu, ehe er sich wieder Rosa zuwandte. Was war denn jetzt schon wieder mit dem Engelchen los? Ihre Wangen glühten ja schon wieder und sie schaute ihn mit einem Blick an, den er von seiner Mutter kannte. Sie schaute immer so, wenn er etwas verbrochen hatte. Musste er das verstehen?

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt