Kapitel 150

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Phil stand mit seiner Tochter zusammen im Wohnzimmer seiner Eltern. So wie es aussah, waren sie beide die letzten, denn um sie herum herrschte bereits munteres Treiben. „Schön, dass ihr auch endlich da seid." Phils Vater schaute ihn mit diesem fixierenden Blick an, den er immer hatte, wenn jemand auf dem besten Weg war, seinen Plan zu sabotieren, von dem derjenige nicht einmal etwas wusste. Okay, in seinem Fall wusste er ja von den Ponys, die irgendwo im Garten geparkt waren. Es war seinem Vater einfach nicht auszureden gewesen, dass man Tiere zu Weihnachten nicht verschenkte. Andererseits wusste Phil auch, dass die Tiere bei seiner anderen Hälfte und seiner Familie in guten Händen waren und nach Weihnachten garantiert nicht im Tierheim landeten. Deshalb hatte Phil seinen Vater auch lieber unterstützt als ihn alleine losziehen zu lassen. Ja, wenn ein Marco Reus sich was in den Kopf gesetzt hatte, dann hielt ihn nichts auf. Das hatten früher seine Gegner auch zu spüren bekommen. Das Hintergrundwissen mit den Ponys erklärte aber auch diese gewisse untergründige Nervosität seines Vaters. „Soll ich mal raus schauen, ob alles okay ist?" Vielleicht beruhigte ihn das ja. Sein Vater schüttelte sofort den Kopf. „Nichts da! Du bleibst hier, sonst dauert das ja alles noch länger." Phils Mutter klopfte mit einer Gabel gegen das Glas, das sie in der Hand hielt. „Jetzt wo wir alle da sind, gibt es erst einmal was zu essen, damit dann alle gestärkt sind, wenn der Weihnachtsmann kommt." „Dat wurde ja auch mal Zeit, ich dachte schon ich verhungere gleich." Das war mal wieder typisch Tessa. Seine älteste Schwester sauste an ihm vorbei zu dem Buffet, das an der einen Zimmerwand aufgebaut war, als wäre sie gerade im Angriffsmodus und sah nur noch das Tor, auf das sie zustürmte. Okay, vielleicht war diese Assoziation ja wirklich ihr Erfolgsgeheimnis als Fußballerin. Phil musste schmunzeln. Ja, so abwegig war der Gedanke bei der Fressraupe gar nicht. Wahrscheinlich stellte sie sich wirklich im gegnerischen Tor immer etwas zu essen vor. „Aua, Ey! Wer hat dich denn hier abgestellt?" Phils Blick wanderte zu Tessa, die wohl auf ein Hindernis gestoßen war. Ja, defenitiv....auf ein Hindernis namens Pippa. „Ich bin nicht abgestellt. Ich verhungere." Die Kleine stellte sich auf Zehenspitzen und versuchte auf den Tisch zu schauen während sie ihr Gesicht leidend verzog. Tessa griff nach einem Teller und füllte Kartoffelsalat, Nudelsalat und Würstchen darauf. „Papa, Tante Tessa drängelt sich vor!", ertönte sofort der spitze Aufschrei seiner Tochter. „Ich drängle mich nicht vor. Ich betreibe nur erste Hilfe für einen Fressfreund, der noch nicht über die Tischkante schauen kann." Tessa reichte Pippa den beladenen Teller. Phil beeilte sich zu seiner Tochter zu kommen, bevor mit der Ladung noch ein Unglück passierte. Scheinbar hatte seine Schwester wohl gedacht, seine Tochter hatte seit Wochen nichts zu essen bekommen. Pah! Er hatte sie in den letzten Tagen ziemlich gut versorgt, obwohl er alleine ohne Rosa-Maria dafür zuständig war. Er hatte alle Register gezogen und das Essen auf den Tisch gebracht, dass Kinder liebten. Phil nahm seiner Tochter den Teller ab und stellte ihn auf einen der vorbereiteten Tische, ehe er Pippa hochhob und auf den Stuhl setzte. Sie schnappte sich sofort das Besteck und schob sich die erste Gabel mit Nudeln in den Mund. „Mmm, das ist so lecker! Papa, endlich wieder richtiges Essen." Phil hatte das Gefühl, dass alle Gespräche im Raum verstummt waren. Er schaute auf. Das war nicht nur ein Gefühl, sondern die Realität. Genau wie die Tatsache, dass alle Blicke der Erwachsenen auf ihm lagen. „Richtiges Essen?" Seine Mutter hatte sich neben ihre Enkeltochter gesetzt. Pippa nickte mit einem leidenden Gesichtsausdruck. „Ja, Papa hat immer nur kaputte Eier gemacht oder wir waren bei Mc Donalds. Da kann man zwar schön spielen, aber das Essen ist bäh." Pippa verzog angewidert das Gesicht. „Kaputte Eier und Mc Donalds?" „Ja, Rührei und Burger geht immer." Zumindest hatte Phil das gedacht. Seine Tochter war wohl das einzige Exemplar, das damit nichts anfangen konnte. „Na ja, aus medizinischer Sicht kann ich dir da nicht so ganz zustimmen. Aber mir scheint, dass das Nachdenken bei Rosa wohl mehr Effekt hatte als bei dir." Max musterte ihn mit seinem Blick, der jedes Röntgengerät wegen der Konkurrenz zum Zittern gebracht hätte. „Rosa ist zusammen mit Rosa-Maria und Alfonso ausgezogen. Ich nehme an sie ist mit ihnen nach Mallorca." Wozu sollte er erst auf eine Frage seines Bruders warten. Das die kam, stand ja außer Frage. Und das mit Mallorca war für ihn ziemlich klar, auch wenn er es nicht wirklich wusste. Aber da die beiden Spanier zu Weihnachten sowieso nach Hause hatten fliegen wollen, hatten sie das wohl nur etwas vorgezogen und Rosa mitgenommen. Max verzog sein Gesicht. Es spiegelte Unzufriedenheit wider. „Wieso hast du dich nicht bei uns gemeldet, anstatt deine Tochter zu vergiften? Wir hätten dir geholfen." „Wir auch!" Auch seine Mutter schaute ihn empört an. Sie hatte für ihr Alter noch ein Gehör wie ein Luchs. „Wann kommt Rosa wieder?" „Heute mit dem Weihnachtsmann, Oma. Papa und ich haben gestern nämlich eine Mail an ihn geschrieben. Er soll mir heute Rosa, Nado und einen eigenen Hund bringen." Die leuchtenden Augen seiner Tochter waren über jeden Zweifel erhaben. Phil sah, wie sowohl seine Mutter als auch seine andere Hälfte ihre Augenbrauen fast zum Scheitel hatten wandern lassen und ihn anschauten. Verflucht! Er saß echt in der Scheiße! Der Weihnachtsmann würde keinen von Pippas Wünschen erfüllen. Das war fast das Gleiche wie die Offenbarung es gab keinen Weihnachtsmann an eine Vierjährige. Es war wohl höchste Zeit sich eine wirklich schlüssige Erklärung einfallen zu lassen. „Na ja Maus, das war dann aber ganz schön kurzfristig." Seine Mutter strich ihrer Enkelin über den Rücken. „Und manchmal schafft das der Weihnachtsmann nicht pünktlich. Stell dir mal vor, wenn alle Kinder ganz viele Wünsche haben, dann ...." „ dann wären das ganz schön viele", nickte Pippa und schaute sich im Raum um, wo noch eine ganze Menge Kinder herumturnten. Ja, da müsste der Weihnachtsmann wahrscheinlich schon alleine für die Familie Reus eine Sonderschicht einlegen. „Genau", nickte seine Mutter. „Und manche Wünsche kann er auch gar nicht erfüllen." Ihr eindringlicher Blick wanderte zu Phil. Das sollte dann wohl heißen, dass es nicht der Job des Weihnachtsmann, sondern seiner war. Pippa schaute ihre Oma traurig an. „Du meinst, er erfüllt keinen meiner Wünsche?" Seine Mutter zauberte sich ein Grinsen ins Gesicht. „Doch, einen mit Sicherheit. Einen erfüllt er immer." Na super! Und welcher sollte das bitte sein? Scheinbar hatte seine Mutter wohl einen besseren Draht zum Weihnachtsmann, so wie sie ihm zuzwinkerte.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt