Teil 154

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Rosa saß an dem festlich gedeckten Tisch auf Alfonsos Finca. Ihr gegenüber saßen ihre Eltern und neben ihr ihr Bruder und Delphie. Alle schienen bestens gelaunt in einem Gespräch verwickelt zu plaudern, während sie sich über das leckere Essen hermachten, das Rosa-Maria auf denTisch gebracht hatte. Ihre Patentante hatte sich wie immer geweigert ihre Küche zu verlassen und sich zu ihnen zum Essen zu setzen. Eigentlich schade, denn Alfonso würde sich mit Sicherheit genauso darüber freuen, wie auch ihre Familie. Warum konnten Rosa-Maria und Alfonso eigentlich nicht einfach zugeben, dass sie mittlerweile viel mehr verband als ein Arbeitsverhältnis? Beide waren verwitwet und hatten scheinbar beieinander Trost gefunden. Das war doch etwas Schönes, was man nicht verstecken musste. Noch dazu, wenn es so offensichtlich war. Andererseits waren sie damit ja kein Einzelfall. Rosas Gedanken wanderten zu Phil. Obwohl, bei ihnen war der Fall ja anders gelagert. Sie versteckten ihre Liebe ja nicht vor den anderen, weil es ihnen dümmlicherweise peinlich war. Nein, sie ließen die Liebe erst gar nicht zu, weil sie nicht angemessen war, wenn es nach einem von ihnen ging. Also nach dem, der nicht Rosa hieß! Und das war ehrlich gesagt nicht nur dümmlich wie bei Rosa-Maria und Alfonso, sondern saudumm. Die beiden nutzten ihre gemeinsame Zeit wenigstens, während Phil ihre einfach verschwendete. „Krümel, das Schweinefilet ist schon tot." „Was?" Rosa schaute ihre Mutter verständnislos an. Was meinte sie damit? „Na ja, du stichst in das Fleisch vor dir als würdest du es erst noch töten wollen. Das ist aber nicht nötig." Okay, vielleicht hatte sie da wirklich gerade etwas mit ihrem Besteck übertrieben. Rosa legte es deshalb auf den Teller und griff nach ihrer Serviette, um sich den Mund abzuputzen. Hunger hatte sie sowieso keinen. Den Nachtisch ließ sie auch aus, obwohl Rosa-Maria Flan zubereitet hatte und den liebte Rosa. Genau wie Phil und Pippa. Was sie wohl gerade machten? Wahrscheinlich waren sie bei Phils Eltern und feierten mit der ganzen Familie. Die beiden verschwendeten bestimmt nicht einen Gedanken an sie. Rosa musste schlucken. Glücklicherweise war das Essen beendet. Sie würde sich einfach in ihr Zimmer abseilen und dort verkriechen, um in Ruhe ihre Wunden zu lecken. „Komm mal mit!" Rosas Mutter hakte sich bei ihr unter und unterband damit ihren stillen Rückzug. Sie lief mit Rosa auf die Terrasse und schob sie auf das bequeme Gartensofa dort. „So und jetzt erzählst du mir mal, was hier los ist." Der Blick ihrer Mutter fixierte sie. „Nichts. Alles bestens." Rosa zuckte mit den Schultern. „So ein Quatsch, Krümel! Hier ist überhaupt nichts bestens. Du siehst aus wie eine wandelnde Trauerweide, die ihr totes Essen ermordet. Wieso bist du schon vor ein paar Tagen hergeflogen und wieso sind Phil und seine Tochter nicht auch hier oder du wenigstens bei ihnen? Und jetzt komm mir nicht damit, du wolltest bei den Vorbereitungen für die Silberhochzeit helfen. Wir wissen beide, dass Rosa-Maria da niemanden reinfunken lässt. Also was ist wirklich los, Krümel?" Rosa spürte die ersten Tränen über ihre Wangen laufen und warf sich ihrer Mama in die Arme. „Phi....il wii...ill mich nicht." Die Arme ihrer Mutter schlangen sich fest um sie und streichelten beruhigend über ihren Rücken. Das tat gerade richtig gut. Rosas Tränen versiegten wieder. Sie setzte sich auf und schaute ihre Mutter traurig an. „Ach Krümel, das glaube ich nicht." Rosas Mutter wischte mit ihrer Hand sanft über ihre Wangen und entfernte die letzten Tränenspuren. „Ich habe ihn und dich zusammen gesehen. Phil hat dich genauso gerne, wie du ihn. Was hat er denn zu dir gesagt? Vielleicht hast du das ja falsch verstanden." Da gab es nichts falsch zu verstehen. „Ich bin zu jung und er hat Verantwortung." Rosa erzählte ihrer Mutter von dem Gespräch im Reitstall. Wieso begann ihre Mutter zu schmunzeln? Was war daran bitte so erheiternd? „Wie viel Beweis mehr willst du eigentlich noch, dass er dich wirklich liebt?" Wie bitte? Wo bitte war da ein Beweis? Also außer dem, dass er sie nicht wollte. „Jetzt schau nicht so zweifelnd. Wenn du ihm egal wärst, dann wäre ihm auch egal, dass du jünger als er bist. Dann hätte er keine Probleme damit, dass du vielleicht deine Lebensträume für ihn aufgibst." „Aber ich gebe doch gar nichts für ihn auf. Meine Träume haben sich nur verändert und verschoben! Ich will mit ihm und Pippa zusammenleben. Das ist mir viel wichtiger als so ein blödes Studium in Berlin. Und wenn ich doch noch irgendwann studieren möchte, dann kann ich das immer noch. Ich bin ja jung genug. Außerdem hat mir der Unfall gezeigt, dass Pläne dazu da sind, um geändert zu werden. Das kann man nämlich jederzeit und immer wieder",protestierte Rosa lautstark. „Ich weiß!", grinste ihre Mutter. „Hast du ihm das genauso entschieden klar gemacht wie mir gerade?" Rosa ließ ihren Kopf hängen und schüttelte ihn. „Wieso nicht?" Rosa verzog ihr Gesicht. „Weil ich total überrascht und schockiert von dem Gespräch war." „Das verstehe ich. Jetzt hattest du aber genug Zeit zum Überlegen. Also ist es Zeit für den nächsten Schritt." „Nächsten Schritt?" Rosa schaute ihre Mutter überrascht an. Welcher sollte das sein? „Na ja kämpfen um das, was dir wichtig ist." „Du meinst, ich soll um Phil und Pippa kämpfen? Wie soll ich das denn machen?" Wie stellte sich ihre Mutter das vor? „Ich kann ihn doch nicht zwingen, mit mir zusammen zu sein." Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Nö, das kannst du nicht. Aber du kannst ihm eindrucksvoll klar machen, wie dumm sein Ansatz ist und ihm die viel besseren Argumente liefern, warum er seine Entscheidung revidieren muss. Das funktioniert aber nicht, wenn du dich hier auf Mallorca verkriechst." „Ich verkrie..." Doch, genau das tat sie. „Ich werde mir noch ein paar Argumente mehr überlegen. Noch bessere. Und dann im Januar mit euch...." „Warum bis Januar warten?", unterbrach ihre Mutter sie. „Weil ihr an Silvester Silberhochzeit habt." Ihre Mutter zuckte mit den Schultern. „Ja und, zwischen heute und Silvester liegt eine ganze Woche. Da kann man eine Menge erreichen. Außerdem, das beste Argument bist ganz alleine du selbst. Vergiss das nicht, Krümel", zwinkerte sie ihr zu. Da hatte ihre Mutter recht. Und manchmal musste man nicht warten und überlegen. Manchmal musste man auch handeln, wenn einem etwas wichtig war. Und Phil und Pippa waren das Wichtigste überhaupt für sie.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt