Kapitel 137

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„Nein! Ich will hier nicht weg!" Pippas Aufschrei hatte Rosa geweckt. Die Kleine zappelte wild im Traum hin und her. „Mama! Ich will zu Mama", schrie sie schon wieder auf. Mist! Sie hatte bestimmt einen Alptraum. Rosa rüttelte sie fest an ihrer Schulter, um sie aufzuwecken. Scheinbar war sie hier in Pippas Bett eingeschlafen. „Nein!", kreischte die Kleine schon wieder und strampelte noch wilder, als würde sie versuchen sich gegen jemanden zu wehren. Rosa verstärkte ihre Weckversuche und schien diesmal Erfolg zu haben, denn die Kleine hörte auf zu strampeln, dafür setzte ein verzweifeltes Schluchzen ein. „Pippa, alles wird gut. Ich bin doch hier bei dir. Das war nur ein ganz gemeiner Traum." Rosa war sich zwar nicht sicher, ob die Kleine überhaupt wach war und sie hörte oder einfach weiterschlief, aber es konnte ja nicht schaden, auf sie einzureden. Phils kleine Tochter krallte sich an sie. „Rosa, ich will hier nicht weg!", schniefte die Kleine. Okay, sie war wach geworden. Das war gut. Dann konnte Rosa wirklich mit ihr reden. „Süße, du musst hier doch nicht weg. Das würde dein Papa niemals zulassen." „Aber die bösen Frauen, die wollten mich wieder holen. Ich will aber hier bleiben bei dir und Papa!" Die Angst, die aus ihrer Stimme sprach, sagte Rosa mehr als tausend Worte. Ihr wurde klar, wie schlimm das alles für die kleine Maus wirklich gewesen war. Es musste der schlichte Horror gewesen sein. Wie konnte man so ein kleines Mädchen auch einfach aus seiner Umgebung herausreißen, die ihm Schutz und Sicherheit bot, nachdem es seine Mutter verloren hatte. Wie sollte so ein kleiner Mensch denn verstehen, was mit ihm gerade passierte? Warum hatte man Pippa nicht einfach bei José und seiner Frau in ihrer gewohnten Umgebung gelassen? Vorher hatte sich doch auch niemand darum geschert, ob sie gut versorgt war, als ihre Mutter in der Klinik war. Wieso hat ihr Tod plötzlich alles geändert? Rosas Herz zog sich zusammen. Alleine der Gedanke ihre Familie zu verlieren, ließ sie schlucken und sie war viel älter als Pippa. Sie zog die Kleine ganz fest in ihre Arme und spürte das aufgeregt schlagende Herz der Kleinen an ihrem Brustkorb. Rosa streichelte ihr beruhigend über den Rücken. „Dein Papa und ich passen auf dich auf. Dich holt hier niemand mehr weg." Rosa spürte, wie die Matratze etwas neben ihr einsank. „Iiihhhh, Nado!", quietschte Pippa. Der Hund schlappte trotzdem weiter durch das Gesicht der Kleinen. „Siehst du, Nado will dir zeigen, dass er auch auf dich aufpasst." Pippa begann zu grinsen. „Wenn die bösen Tanten kommen, knurrt er sie an und beißt sie weg, stimmt's?" „Ja, das macht er und dein Papa und ich verjagen sie auch. Die bekommen dich nie wieder." Rosa zwinkerte der Kleinen zu und erntete ein zufriedenes Kopfnicken. „So, und jetzt wird wieder geschlafen." Rosa würde die Nacht heute hier schlafen, falls Pippa noch einmal von einem Alptraum heimgesucht wurde. Die Kleine kuschelte sich in ihr Kopfkissen und Rosa legte ihren Arm um sie, um ihr die entsprechende Geborgenheit zu vermitteln. „Ich habe dich lieb. Kannst du mir jetzt doch noch eine Geschichte erzählen?" Rosa musste schlucken. Das Liebesbekenntnis von Phils Tochter bedeutet ihr sehr viel, vor allem weil es auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie hatte die Kleine schon gemocht als sie sie bei ihrem ersten Besuch mit Nado bei José kennengelernt hatte. Irgendwie hatte sich der kleine Wirbelwind sofort in ihr Herz geschlichen, obwohl sie noch nicht einmal wusste, dass sie Phils Tochter war. Okay, bei der Ähnlichkeit hätte ihr der Gedanke eigentlich auch schon einmal kommen können. Aber vielleicht war es auch gerade diese Ähnlichkeit, die in ihr sofort dieses Gefühl des Bekannten und Vertrauten geweckt hatte. Wie auch immer! „Ich habe dich auch lieb, Pippa." Ja, das war die volle Wahrheit, ganz unabhängig vom Familienverhältnis. Wie konnte man so einen süßen Knopf auch nicht lieb haben? „Was soll ich dir denn für eine Geschichte erzählen?" Pippa zuckte mit den Schultern. „Eine schöne." Na prima! Das half ja weiter. „Also da gab es mal ein kleines Mädchen, das Pferde ganz doll mochte....." „Kann das Mädchen Pippa heißen? Ich mag nämlich Pferde ganz doll." Rosa musste schmunzeln. „Ich dachte zwar eher an Rosa, aber es kann auch Pippa heißen." Die Kleine fuhr aus dem Kissen hoch. „Du magst auch Pferde?" Okay, das war scheinbar genau das falsche Thema, um die Kleine wieder zum Einschlafen zu bekommen. Aber diese Einsicht nützte jetzt wenig. „Ja, ich habe sogar ein eigenes Pferd." „Ehrlich?" Die Kleine schaute sie mit großen Augen an. Rosa nickte. „Und dein Papa hat auch ein Pferd." Die Augen von Pippa wurden immer größer. „Echt?" Rosa nickte. „Ja, das Pferd von deinem Papa heißt Salomon und meins heißt Dalia." „Salomon und Dalia." Die beiden Namen hörten sich aus Pippas Mund wie ein Offenbarung an. „Ob Papa mich mal auf Salomon reiten lässt?" „Ganz bestimmt." Ja, Rosa war sich sicher, dass Phil die Kleine mit auf das Pferd nehmen würde. Sofort tauchten in ihrem Kopf wieder Bilder auf, wie Phil mit ihr auf Dalia geritten war, als ihre Beine noch gelähmt waren. Sofort flutete eine unglaubliche Wärme ihren Körper. Ja, bald würden sie zu dritt ausreiten können. „So, jetzt wird aber geschlafen, sonst sind wir morgen ganz müde." Pippa nickte und kniff ihre Augen ganz fest zusammen. „Ich träume einfach von Salomon und Dalia." Rosa beugte sich zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Tu das." Ja, und Rosa würde auch einfach von Dalia träumen.....und vielleicht auch ein bisschen von Phil und ihrer gemeinsamen Zeit beim Reiten.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt