Kapitel 23

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„Ich hatte angerufen und uns angekündigt." Phil stürmte zusammen mit Rosa in die Tierklinik. Auf dem Holzbrett trugen sie den Hund, der zwar immer noch wimmerte, aber ganz ruhig lag. Rosa hatte es geschafft ihn zu beruhigen. Das war gut. Wahrscheinlich würde sie mal eine wirklich gut Kollegin werden. „Kommen Sie hier hinein!" Eine Frau in Phils Alter war sofort hinter dem Schreibtisch, der wohl die Anmeldung darstellte, aufgesprungen und wies ihnen den Weg in ein Behandlungszimmer. „Ich hole sofort den Doktor. Er ist gerade in einem anderen Raum bei einem Patienten." Phil legte den kleinen Kerl vorsichtig auf dem Behandlungstisch ab und schaute sich suchend um. Er griff sich ein Stethoskop und begann den Hund abzuhorchen. Rosa beobachtete jeden seiner Handgriffe. Das sah alles so professionell aus. Ob sie wohl auch jemals so werden würde? Momentan konnte sie es sich nicht vorstellen. Klar, hatte sie sofort reagiert, als sie gesehen hatte, dass ein Tier angefahren worden war. Aber dann, als sie den Hund gefunden hatte, war sie total hilflos gewesen. Ohne Phil hätte sie überhaupt nicht gewusst, was sie hätte machen sollen. Das Wimmern des kleinen Kerls tat ihr in der Seele weh. Er musste unglaubliche Schmerzen haben. „Was ist passiert?" Ein Mann mittleren Alters kam in OP Klamotten in den Raum gestürzt. Das musste dann wohl der Tierarzt sein, schlussfolgerte Rosa. „Der Hund wurde von einem Auto angefahren und mehrere Meter durch die Luft geschleudert. So wie es aussieht hat er nur ein paar Abschürfung und eine Fraktur des Hinterlaufs. Der Kreislauf ist stabil." Wieder atmete Rosa erleichtert auf, dass Phil die Erklärung übernahm. Glücklicherweise sprach Phil genauso gut Spanisch wie sie selbst, und sie musste nicht dolmetschen. Ja, sie hatte es schon von kleinauf bei Rosa-Maria und Alfonso gelernt, ganz im Gegenteil zu Sascha, der kaum ein Wort Spanisch sprach. Dem weiteren Fachchinesisch oder eher Fachspanisch, das dann kam, folgte Rosa nicht mehr. Nein, das war einfach noch ein bisschen zu heftig für sie. Momentan konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie irgendwann auch diese ganzen Begriffe, die die beiden sich da an den Kopf warfen, beherrschen würde. „Ähm, könnten Sie vielleicht das Auto umparken?" Die Dame vom Empfang schaute Rosa bittend an. „Unsere anderen Patienten benötigen ja auch den Parkplatz." Ja, das war verständlich. Phil hatte vorhin einfach quer über drei Parkplätze angehalten, weil er wohl nicht noch Zeit auf das Einparken verschwenden wollte. Glücklicherweise hatte er ihr den Autoschlüssel zugeworfen, als er begonnen hatte das Brett mit dem Hund aus dem Auto zu ziehen. „Ich parke nur schnell das Auto um." Phil schien sie nicht einmal gehört zu haben, so war er in das Fachgespräch mit seinem Kollegen vertieft. Na ja, wichtig war nur, dass sie dem kleinen Kerlchen helfen konnten. Rosa folgte der Arzthelferin aus dem Behandlungszimmer. „So wie ich das sehe, wird das Ganze ja noch etwas länger dauern. Sie können das Auto gerne in den Innenhof stellen. Dann haben wir keine Probleme mit dem Parkplatz." Rosa nickte und zog die Autoschlüssel aus ihrer Hosentasche und stieg ins Auto. Irgendwie hatte sie es geschafft Alfonsos Wagen durch die schmale Einfahrt in den Innenhof zu fahren. Alfonso! Er machte sich bestimmt schon Sorgen, weil sie noch nicht zurück waren. Rosa griff schnell nach ihrem Handy und wählte die Nummer. „Hola, Princesa. Wo seid ihr? Macht ihr euch noch einen schönen Nachmittag? Das ist eine gute Idee. Ich denke auch gerade über Flucht nach. Rosa-Maria drangsaliert hier jeden, der ihr über den Weg läuft. Aua!" Die gut gelaunte Stimme des alten Mannes schlug ihr schon nach dem ersten Klingeln entgegen.„Der Mann erzählt dummes Zeug. Ich bin ruhig und ausgeglichen wie immer. Er steht mir nur ständig im Weg herum. Also, meine Kleine, du musst dir keine Sorgen machen, ich habe hier alles im Griff, genieße den Nachmittag mit dem netten jungen Mann." Rosa-Maria hatte Alfonso wohl das Telefon abgenommen. „Ähm, ich...ähm wir...", setzte Rosa an. „Ja Princesa, was gibt es denn? Brauchst du noch weitere Tipps?", ertönte wieder Alfonsos Stimme. „Nein, wir sind in einer Tierklinik......", platzte es aus Rosa heraus und sie erzählte Alfonso, was passiert war. „So, dann bleib noch etwas an der frischen Luft und erhole dich. Soll ich zu dir kommen?" Rosa lehnte Alfonsos gutgemeintes Angebot ab. Sie würden ihn nicht über die halbe Insel scheuchen, nur weil sie irgendwie jämmerlich war und immer noch zitterte. Das musste wohl der Schock sein. Sie schaute sich im Innenhof um und entdeckte eine Bank. Ja, Alfonso hatte recht, etwas frische Luft würde ihr bestimmt helfen. Sie setzte sich und schloss kurz die Augen, während sie tief durchatmete. Warum machte sie sich so verrückt?  Der Hund war doch jetzt in guten Händen und Phil würde dafür sorgen, dass alles Menschenmögliche für ihn getan wurde. Trotzdem bekam sie dieses Wimmern einfach nicht aus ihrem Kopf. „Hola, cómo estás?" Rosa öffnete ihre Augen wieder und schaute in ein Kindergesicht, das sie misstrauisch musterte. Man, musste sie einen beängstigenden Anblick bieten, wenn selbst ein Kind sie so anschaute. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Danke, mir geht es gut."  Die Kleine nickte zufrieden, dabei wackelten ihre geflochtenen Zöpfe hin und her. Die sahen echt putzig aus, „Ich bin Pippa", stellte sie sich vor und reichte Rosa die Hand. Rosa musste sich zusammen reißen, um nicht loszulachen. Der Name passte ja fast perfekt zum Erscheinungsbild der Kleinen. Sie erinnerte irgendwie an Pippi Langstrumpf mit ihren rotblonden Haaren. „Und wer bist du?" Als Rosa ihr ihren Namen gesagt hatte, kicherte die Kleine. „Das ist lustig. Ich bin auch nach einer Farbe benannt." „Pippa ist doch aber keine Farbe." Die Kleine fing an zu lachen. „Pippa ist ja auch nur eine Abkürzung." „Alba Filippa, was machst du denn schon wieder alleine hier draußen?" Die Arzthelferin war in der Hintertür der Praxis erschienen und schaute das Mädel ernst an. „Wie oft haben wir dir schon gesagt, dass du hier nicht alleine raus gehen sollst. Abmarsch mit dir." Die Kleine verzog ihr Gesicht und hüpfte ins Haus. „Ich hoffe, sie hat Sie nicht zu sehr belästigt. Die Kleine ist einfach ein kleiner Spring-ins-Feld, den man kaum bändigen kann. Ständig ist sie bei den Zwingern und wir müssen dann immer aufpassen, dass sie sie nicht einfach öffnet und hineinklettert." Die Arzthelferin zuckte mit den Schultern. „Aber was will man erwarten, wenn sich keiner wirklich um die Erziehung kümmert und sie zusätzliche diese Tierliebe geerbt hat. Egal..." Sie winkte ab. „Was erzähle ich Ihnen das überhaupt? Ich wollte Ihnen eigentlich nur Bescheid sagen, dass Ihr Freund gerade mit unserem Doktor den kleinen Patienten operiert. Das dauert bestimmt eine Stunde. Sie können ruhig da drüben in das Café gehen und sich etwas entspannen. Ein Kaffee und etwas Kuchen wird Ihnen nach der ganzen Aufregung bestimmt gut tun. Die Ensaimadas sind dort ein wahres Gedicht." Rosa nickte und setzte sich in Bewegung. Ja, vielleicht war die Idee gar nicht so schlecht, auch wenn sie befürchtete, dass sie keinen Happen hinunter bekam, ehe sie wusste, was mit dem Hund war.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt