Phil saß neben José auf der Terrasse und hatte seine Augen auf die Schaukel im Garten gerichtet, auf der er Pippa schon unzählige Male hatte schaukeln sehen. Heute beobachtete er aber jede einzelne Bewegung seiner Tochter, auch wenn sein Vater neben der Schaukel stand, um im Notfall sofort eingreifen zu können. „Und du kanntest Blanca aus dem Studium in München?" José nickte. „Ja, wir haben dort immer zusammen gelernt und viel zusammen unternommen." Der Spanier hob seine Hand. „Nicht, wie du denkst. Wir waren immer nur sehr gute Freunde....Na ja, irgendwie vielleicht auch mehr. Sie hat mich an meine kleine Schwester erinnert." Josés Gesicht wurde wehmütig. „Und jetzt ist sie auch bei ihr." Phil legte seine Hand auf den Arm seines Freundes, um ihm etwas Trost zu spenden. Er wusste, dass Josés kleine Schwester sehr jung an Leukämie verstorben war. „Verflucht! Wenn ich gewusst hätte, dass du der Student bist, der Pippas Vater ist, dann....." Er winkte ab. „Dann hätte es wahrscheinlich auch nichts mehr geändert. Für Blanca wäre es schon zu spät gewesen." Phil hatte ja mitbekommen, dass es immer Probleme mit der mitarbeitenden Tierärztin in JosésPraxis gab, aber hatte sich nie genau dafür interessiert, welche das waren. Das hatte sich jetzt aber geändert, denn vielleicht half ihm das bei Pippa, wenn er wusste, was alles mit ihrer Mutter vorgefallen und wie ihr Verhältnis war. Er wollte jedes Fitzelchen wissen, das seine Tochter betraf. Vor allem auch den Grund, warum er nicht viel früher von ihr erfahren hatte. „Was war mit Blanca? Und warum hat sie hier bei dir gewohnt und gearbeitet und nicht in ihrer eigenen Praxis auf Ibiza?" José verzog sein Gesicht. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Irgendwie hängt das ja alles zusammen." Phil zuckte mit den Schultern. „Dann vielleicht einfach am Anfang." „Ja also, wir haben zusammen in München studiert. Nach dem Studium sind wir dann zurück. Ich nach Mallorca und sie nach Ibiza. Ich habe meine Praxis hier eröffnet und sie hat die von ihrer Großmutter übernommen. Wir sind aber immer in engem Kontakt geblieben." José griff nach dem Wasserglas auf dem Tisch und nahm einen Schluck. Sein Blick wanderte zu Pippa auf der Schaukel. „Irgendwann hat sie mir dann von diesem tollen Kerl erzählt, der noch studierte und eigentlich viel zu jung für sie war. Das warst du, mein Freund." José klopfte ihm auf die Schulter. „Sie war wie ausgetauscht. Total übersprudelnd vor Glück." Das musste ein Trugschluss gewesen sein, denn ansonsten hätte sie Phil ja nicht so einfach abrasiert und gegen einen anderen ausgetauscht. „Das lag dann wohl mehr an meinem Nachfolger und seiner Kohle." Klar, redete man nicht schlecht von einer Toten, aber die Wahrheit durfte man ja wohl trotzdem sagen. José schüttelte sofort seinen Kopf. „Nein, sie hat dich geliebt. Dieser Blödsinn mit diesem alten Geldknochen war ja der Auslöser für alle ihre Probleme. Ich habe sie damals gewarnt. Sie wollte aber nicht auf mich hören. Ich habe ihr gesagt, sie soll dir die Entscheidung überlasen, ob du Kind und Familie willst, aber sie war der Meinung, sie könnte dir nicht deine ganze Zukunft zerstören." „Aber..." aber das hatte sie doch. Sie war der Grund, warum er keine Beziehung mehr eingehen wollte und sich als beziehungsuntauglich ansah. „Aber ja, das hätte sie nicht. Das ist mir durchaus klar. Ein Sonnenschein wie Pippa kann kein Leben zerstören, sondern es nur bereichern. Ich habe da aber gegen eine Wand geredet." „Wieso lebt meine Tochter dann nicht auf einer dieser Yachten im Hafen von Eivissa oder in einer der protzigen Fincas?" Phil merkte selbst, dass seine Stimme ziemlich bitter klang. Es war ja nicht so, dass er ein verarmter Student gewesen wäre. Er hätten mit Sicherheit dafür gesorgt, dass es seiner Familie an nichts gefehlt hätte, schließlich war er von kleinauf im Besitz eines beeindruckenden Sparkontos sowie einer Eigentumswohnung in Berlin. Außerdem hatte er auch während seines Studiums schon ziemlich gut in der Tierklinik verdient. Ja, seiner kleinen Familie wäre es gut gegangen. Warum hatte Blanca ihm das nicht zugetraut? „Tja, der Kerl hatte eine Vasektomie und war nicht dran interessiert das Kind eines Fremden aufzuziehen." „Und das hat Blanca vorher nicht gewusst? Blöd gelaufen würde ich mal sagen." Wieso hörte sich das jetzt auch noch schadenfroh an? So war Phil doch gar nicht. „Ja, definitiv sogar noch blöder gelaufen, denn der Geldknochen war auch noch eine ziemlich große Nummer auf Ibiza und hat dafür gesorgt, dass Blanca zur Strafe für diesen Betrugsversuch an ihm nicht mehr ihre Praxis betreiben durfte." „Was! Aber..." „Ja, sie durfte die Praxis nicht mehr betreiben und musste trotzdem die ganzen Kredite für die neue Einrichtung abbezahlen und hatte zusätzlich noch ein Baby." Phil schüttelte seinen Kopf. „Warum ist sie dann nicht zu mir gekommen? Habe ich ihr überhaupt nichts bedeutet?" „Ganz im Gegenteil, mein Freund. Sie hatte sich nur in den Gedanken verrannt, dass sie nicht auch noch dein Leben zerstören wollte, weil du dann vielleicht das Studium geschmissen hättest." „Aber, das ist doch...." „Das ist absoluter Quatsch", unterbrach ihn José. „Das weißt du, das weiß ich. Aber in Blancas Kopf ist da irgendetwas passiert und da war dann einfach kein rankommen mehr an sie." José hob resigniert seine Arme. „Sie hat es ja nachher nicht einmal mehr geschafft Pippa zu versorgen." „Und das hast du dann mit Marisol übernommen und die beiden hier wohnen lassen?" José nickte. „Natürlich. Ich war ihr Freund und sie wie meine kleine Schwester. Außerdem habe ich gehofft, dass sie hier in der Praxis wieder Fuß fasst. Das hat aber nicht funktioniert." José griff wieder nach seinem Glas und trank einen Schluck. „Es war ein Teufelskreis. Erst kamen die Depressionen, dann ihr Versuch sie auf nicht ganz legale Weise zu betäuben und dann die Aufenthalte in irgendwelchen Kliniken. Wenn sie dann hier war, hat sie Pippa die tollsten Versprechungen gemacht, die sie doch nie halten konnte, weil der nächste Schub kam." Josés Blick wanderte zu Phils Tochter, die fröhlich quietschte. „Ich weiß, dass die Kleine es bei dir viel besser haben wird. So, wie sie es verdient. Sie ist wirklich ein kleiner Sonnenschein und du wirst ein toller Vater." Wie konnte er sich da so sicher sein? „Schau nicht so zweifelnd. Du kannst mit der Kleinen super umgehen. Und wer ein guter Tierarzt ist, ist auch ein guter Vater." Na ob das so stimmte? Phil hatte da so seine Zweifel. Es hätte ja sonst auch auf Blanca als Mutter zutreffen müssen.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Teen FictionRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...