„Der Ausritt war wirklich klasse und genau das richtige, um noch einmal durchzuatmen, bevor morgen dann die Action losgeht. Das hast du echt toll organisiert." Phil hatte sich entspannt im Beifahrersitz zurückgelehnt, während Rosa den Wagen, den sie sich von Alfonso geliehen hatte, über die Landstraße steuerte. Phil musste schmunzeln. Sein Lob hatte gerade wieder zu einem kurzen Durchblutungsschub in ihren Wangen geführt. Das war schon irgendwie niedlich, wie sie versuchte sich das nicht anmerken zu lassen. Irgendwie mochte er ihre zurückhaltende Art genauso wie das kleine Teufelchen, dass manchmal durchbrach. Wenn Phil da an Stella dachte, seine Schwester wäre deshalb mit Sicherheit nicht errötet, sondern hätte sich eingebildet ihre langen Haare über die Schulter geworfen und auf das nächste Kompliment gewartet. Er beobachtete Rosa weiter, die sich komplett auf die Straße konzentrierte und unterbewusst auf ihrer Unterlippe herum kaute. Okay, als Fahranfänger war ihm das auch manchmal passiert, obwohl er im Gegensatz zu Rosa draufgängerischer gefahren war. Da war sie wie ihr Bruder, der auch immer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit einhielt. Na ja, Rosa unterbot sie schon ziemlich. Das sah wohl auch ihr Hintermann so und rauschte an ihnen vorbei. „Irrer!", knurrte Rosa und krampfte ihre Hände noch mehr um das Lenkrad. Sie hatte abbremsen müssen, weil der Typ kurz vor ihr wieder reingezogen war. Er hatte sich wohl mit dem entgegenkommenden Auto verschätzt. Phil schielte in den Rückspiegel. So wie es aussah, war dort nur noch ein Fahrzeug hinter ihnen, was auch Anstalten machte zu überholen. Okay, verübeln konnte er es dem Fahrer nicht, denn das vorherige Überholmanöver hatte Rosa scheinbar dazu veranlasst noch etwas vorsichtiger oder auch langsamer zu fahren. Wie gut, dass sie heute keinen Termin mehr hatten. Es war ja auch ganz schön die Landschaft so im Vorbeischaukeln zu genießen.
„Scheiße, der hat irgendein Tier angefahren!" Rosa legte eine Vollbremsung hin und Phil war zufrieden, dass er angeschnallt war. „Hast du das nicht gesehen?" Nein, hatte er nicht, denn er hatte aus der Seitenscheibe und nicht nach vorne geschaut. „Wo?" Eine Antwort auf seine Frage bekam er nicht mehr, denn Rosa war schon aus dem Auto gesprungen. Na wenigstens hatte sie den Gang herausgenommen und die Handbremse angezogen. Phil drückte den Knopf für die Warnblinkanlage und stellte den Motor aus, ehe er auch aus dem Auto sprang. Rosa kletterte gerade über die kniehohe Steinmauer, die das dahinterliegende Feld von der Straße abgrenzte. Phil hoffte, dass sie einer optischen Täuschung unterlegen war, denn wenn es ein Tier, egal welcher Gattung, bis hierher geschleudert hatte, war wahrscheinlich nicht mehr viel zu machen. So wie es aussah, hatte Rosa wohl etwas direkt hinter der Mauer gefunden, denn sie ging in die Knie. „Phil, komm schnell!" Er beeilte sich und sprang über die kleine Mauer. Scheiße! Es war ein Hund, den es da erwischt hatte. Phil kniete sich neben den kleinen Kerl, der herzzerreißend wimmerte. „Na, mein Kleiner, dich hat es ganz schön erwischt." „Kannst du was für ihn tun?" Ein leichtes Zittern war in Rosas Stimme zu hören. „Ich schau mal, wie schlimm seine Verletzungen sind. Gibt es im Auto vielleicht eine Decke?" „Bestimmt." Rosa setzte sich sofort in Bewegung. Das war gut, wenn er sie erst einmal nicht hier hatte, falls er den Kleinen sofort von seinen Qualen erlösen musste, wäre das, so sensibel wie sie war, mit Sicherheit kein schöner Anblick. Phil verschaffte sich erst einmal einen äußeren Eindruck. Gut, der Kleine hatte nur eine kleinere Abschürfung. Er tastete ihn weiter ab. Sein Hinterlauf war mit Sicherheit gebrochen, so wie er reagierte. Aber nichts sprach für innere Verletzungen. Phil atmete erst einmal auf. „Und?" Rosa kniete sich neben ihn und streichelte den Kopf des Hundes. Über ihrem Arm hatte sie ein großes Badetuch. „So wie es aussieht, hat der Kleine echt Glück gehabt." Phil griff nach dem Badetuch und bettete den Hund vorsichtig darauf. „Schau mal, da ist ein Brett. Wäre das nicht gut, um es als Trage zu benutzen?" Rosa deutete auf ein Holzbrett, das an der flachen Steinmauer lehnte. „Sehr gute Idee." Phil sprang auf und holte das Brett. Gemeinsam transportierten sie den kleinen Patienten ins Auto. „Ich fahre jetzt, und du setzt dich zu ihm auf die Rückbank." Rosa nickte sofort und kletterte in den Fonds. Mit dem Schock, den sie garantiert hatte, würde Phil sie niemals fahren lassen. Außerdem war es jetzt wichtig möglichst schnell in die nächste Tierklinik zu kommen und da war ein Fahranfänger mit Tempomat nicht so der richtige Fahrer. „Was soll ich denn machen?" Ihre Unsicherheit war nicht zu überhören. „Du streichelst dem Kleinen das Köpfchen und redest beruhigend auf ihn ein." Er sah über den Innenspiegel, wie sie nickte und seinen Anweisungen folgte. Phil tippte schnell auf seinem Handy herum und suchte die nächste Tierklinik. Glücklicherweise war Spanien ja nicht so unterentwickelt mit der Netzabdeckung wie Deutschland und man hatte hier guten Handyempfang. Er startete den Motor, drückte den Knopf für die Warnblinkanlage und gab Gas. Wenn das Navi nicht log, musste der Kleine nur noch zehn Minuten durchhalten, bis ihm geholfen wurde. Vom Rücksitz hörte er leise Rosas Stimme. „Das wird schon alles wieder gut, mein Kleiner. Du hast nämlich Glück gehabt, dass der beste Tierarzt der Welt dich gefunden hat. Phil kann jedem Tier helfen. Meiner Stute Dalia hat er auch schon ganz oft geholfen. Du wirst sehen, bald tut es gar nicht mehr weh und du bist wieder fipsfidel." Auch wenn ihn ein gewisser Stolz erfüllte, dass Rosa seine Qualitäten als Tierarzt so hoch einschätzte, hoffte er, dass er sie nicht enttäuschen würde. Auch wenn alles ziemlich glimpflich aussah, war er nicht sicher, dass der Kleine über den Berg war.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Ficção AdolescenteRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...