Kapitel 4

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Rosa lief die Stallgasse entlang zu der Box ihrer Stute Dalia. „Hier, meine Hübsche." Sie hielt ihr einen Apfel hin, den die Stute ganz vorsichtig abbiss. Dabei berührten ihre samtigen Lippen ganz sanft Rosas Hand. Ihr Herz quoll in diesem Moment fast über vor Zuneigung zu ihrem Pferd. Ja, Dalia war ihr ein und alles seit dem Tag, an dem sie sie bekommen hatte. Okay, das war noch nicht ganz so lange her und manchmal vermisste sie auch noch Dalias Vorgängerin. Aber sie war dem Pony einfach entwachsen. Glücklicherweise wusste sie, dass es jetzt bei einem anderen Kind in sehr guten Händen war. Sie streichelte über die Nüstern ihrer Stute.  Dalia war für sie von der Größe als auch dem Charakter das perfekte Pferd. Ja, sie passten zusammen, weil sie beide ziemlich ruhig waren. Bei den Turnieren hatten sie schon einige Schleifen gewonnen und für Rosa stand fest, dass das in Berlin auch so weitergehen würde. Sie musste nur noch den perfekten Stall mit dem perfekten Trainer dort finden. „Wir beide werden in Berlin eine richtig tolle Zeit haben." „Das glaube ich auf's Wort. In Berlin da haben Salomon und ich auch die Stuten nur so vor Freude wiehern lassen." Erschrocken fuhr Rosa zusammen als Phils Stimme hinter ihr ertönte. Man, war sie gestern Abend überrascht gewesen, als er sie angerufen hatte, um sich mit ihr heute im Reitstall zu verabreden. Nach ihrem fluchtartigen Abgang gestern bei ihm, hatte sie eigentlich nicht so schnell damit gerechnet von ihm zu hören. Wahrscheinlich hatte er sie in einer kurzen Sexpause angerufen. In ihrem Kopf setzte sich ein Kinofilm in Gang, bei dem es sie schüttelte. Wahrscheinlich hatte Phil gerade das benutzte Kondom im Müll versenkt als ihm seine Telefon in die Augen gefallen war, während seine Sexgespielin lasziv im Bett lag und auf ihn wartete. Bei dem Gedanken schüttelte es sie noch mehr. Igitt, war das ekelig. Hoffentlich hatte er sich wenigstens die Hände gewaschen, bevor er das Telefon angefasst hatte. Und für Rosas Seelenfrieden wäre es auch besser, wenn er wieder seine Jogginghose zur Hand gehabt hätte. Alleine bei dem Gedanken, dass er nackt mit ihr telefoniert hatte, spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Und der Gedanke, was er wohl unter die-Stuten-vor-Freude-wiehern-lassen verstand, machte es auch nicht besser. 
Phil runzelte die Stirn. Wieso lief das Mädel denn schon wieder wie eine Tomate an? Er hatte doch nur davon gesprochen, dass er sich in Berlin richtig mit seinem Pferd verbessert hatte. Ja, er hatte dort den perfekten Trainer gefunden und mehr Turniere gewonnen als vorher. Was war daran jetzt schon wieder so peinlich? Was hatte er genau gesagt?Die Stuten vor Freude wiehern lassen! Okay, mit sehr viel Fantasie konnte man das auch zweideutig verstehen. Dieser blonde Engel mit roten Wangen vor ihm, war ihm echt ein Rätsel. Scheinbar waren ihre Gedankengänge wohl viel versauter als ihr sensibler Charakter es zuließ. Das konnte ja noch interessant werden, wenn sie gemeinsam die Hochzeitsplanung für Sascha und Marshmallow übernahmen. Auf alle Fälle sollte er seine Worte genau abwägen, bevor sie den Mund verließen. Nicht, dass sie ihm auch noch vor Scham umkippte. Das beste wäre wohl, wenn er das Thema erst einmal möglichst neutral hielt....obwohl, das hatte er ja bis jetzt. Egal! Neuer Versuch, neues Glück. „Hast du denn schon einen Reitstall in Berlin?" Ja, das war absolut unverfänglich. Wenn sie daran noch etwas Zweideutiges fand, dann wusste er auch nicht mehr weiter.
Na das war doch mal die richtige Frage. Rosa atmete erleichtert auf, dass sie das etwas schmierige Terrain verlassen hatten. Außerdem war es genau die Frage aus Phils Mund, die ihr die perfekte Vorlage gab, um ihren Fragenkatalog an ihn zu starten, den sie sich heute morgen zurecht gelegt hatte. Ja, sie hatte sich gleich nach dem Frühstück an ihren Schreibtisch gesetzt und alle offenen Fragen zusammengetragen. Blöderweise lag dieser Zettel jetzt aber immer noch auf ihren Schreibtisch und sie hatte nicht mehr alle Fragen im Kopf. Das war aber auch erst einmal egal, denn die wichtigste Frage würde sie nie vergessen. „Nein, aber vielleicht kannst du mir ja einen empfehlen." Ja, das war die wichtigste Frage.
Phil begann zu schmunzeln. Dann hatte er ja wohl wirklich Glück, denn Rosa hatte wieder eine normale Gesichtsfarbe angenommen und strahlte ihn breit an. Wahnsinn! Ihre blauen Augen erinnerten gerade an Kornblumen, die in der Sonne leuchteten. „Also mit Sicherheit kann ich dir einen empfehlen, aber ob du da auch wirklich eine Box für deine Stute bekommst, das weiß ich nicht. Die sind da immer ziemlich gut belegt." Okay, die leuchtenden Kornblumen waren schlagartig verschwunden und einem enttäuschten Blick gewichen. „Oh....dann..." Rosa stockte und zuckte mit den Schultern. „Aber ich kann da ja mal anrufen und für dich nachfragen." Manno, er konnte einfach keine enttäuschten Mädchenaugen ertragen. Irgendwann war das mit Sicherheit noch sein Untergang. „Das würdest du für mich tun!" Und da waren wieder die leuchtenden Kornblumen. „Das wäre super toll. Dann könnte ich da ja nächste Woche gleich vorbeigehen und alles klar machen, wenn ich in Berlin bin." Wow, die Kleine sprudelte ja förmlich vor Begeisterung über. Vielleicht sollte er ihr trotzdem sicherheitshalber den Wind etwas aus den Segeln nehmen, denn ein Anruf von ihm war sicher nicht verkehrt und erhöhte ihre Chance, aber das bedeutete noch nicht eine Zusage. „Kannst du da bitte gleich anrufen?" Oha, Kornblumen konnten nicht nur leuchten, sondern auch bettelnd schauen. Das war dann wohl die Variante Welpenaugen in kornblumenblau. Blöderweise hatte er schon immer eine Schwäche für Welpen gehabt und Kornblumen waren seine Lieblingsblumen. Ergeben zog Phil sein Handy aus der Tasche und scrollte durch seine Kontakte.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt