-sechzehn-

3.9K 182 3
                                    

Lesenacht Teil 1:

Schloss, Iléa
Dena's Point of View:

Das Mittagessen verlief ohne weitere Vorkommnisse. Prinz Jonathan erschien nicht, was viele mit einem sauren Blick bemerkten, aber niemand sagte etwas oder fing einen Streit an. Lavinya und Elaine hatten Martha zusammen mit den beiden anderen Mädchen in ihrem Zimmer gefunden, also kam sie doch noch rechtzeitig. Nachdem ich Rosie und Ray beim Mittagessen wiedergesehen hatte und sie gehört hatten, was bei mir passiert war, regten sie sich beide auf. Ray, weil ich die Aufgaben nicht beenden durfte und Rosie, die mir nicht zugehört hatte, weil der Prinz nicht da war.

"Warum hast du mir eigentlich nicht gesagt, dass du eigentlich Helen heißt?", fragte ich sie schließlich, als wir bei der Nachspeise waren. Es gab ein pudding-quark-joghourt Gemisch, was ehrlicherweise wirklich lecker war, aber was erwartete man auch anderes vom Schloss.

Rosie schwieg und sah betreten auf ihren Teller. "Ich-... Ich habe nicht den Grund dafür gesehen", nuschelte sie und löffelte schnell ihren Quark in sich hinein. Offensichtlich hatte sie dabei vergessen, dass sie eigentlich abnehmen wollte, obwohl Ray und ich ihr mindestens tausendmal gesagt haben, dass sie eine perfekte Figur hatte.

Ich runzelte verwirrt die Stirn, fragte aber nicht weiter nach.

"Ladys", die Stimme von Adria ertönte. Sie hatte uns gesagt, dass wir sie nicht mit ihrem Nachnamen ansprechen oder sietzen sollten, denn sonst fühle sie sich so alt. "Heute beginnt offiziell das Casting, das wird natürlich alles aufgenommen. Deswegen werdet ihr auch weiterhin Unterricht bei Lady Ziley nehmen, um im Auge des Volkes zivilisiert und anständig zu wirken, was ihr natürlich sowieso seid."

Einige Prinzessinnen kicherte hämisch und warfen Blicke zu unserem Tischende. "Miss Piggy sieht aber nicht so zivilisiert aus", flüsterte eine, sodass viele anderen anfingen zu lachen.

"Ruhe jetzt. Prinzessin Amber, Prinzessin Louise und Prinzessin Magdalena sind die nächsten, bitte machen Sie sich bereit", fuhr Adria in strengem Ton fort, dann verließ die den Saal und sofort fing das tratschen  an, was ich schon fast am Tisch vermisst hatte.

"Miss piggy?", flüsterte Ray verwirrt, "Damit ist doch wohl nicht Rosie gemeint.. oder?"

Ich schüttelte hastig den Kopf, froh darüber die Wahrheit zu sagen. "Nein, Martha. Sie hat wohl Streit mit Prinzessin Kathleen und damit natürlich auch ihren Anhängern, du weißt doch wie das ist."

Sie nickte nachdenklich. "Fanny hat mir erzählt, dass gestern eine Prinzessin abgereist ist, weil ihre Mutter ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Also sind wir nur noch 34 Ladys. Ich glaube es war die Prinzessin von Estland."

Rosie nickte eifrig und schien auf einmal vollkommen bei der sache. "Ich habe gehört, dass noch eine andere Prinzessin nach hause geschickt werden musste. Diese Klove, die Prinzessin von Griechenland, hatte auf einmal total harte Magenkrämpfe. Und da waren es nur noch 33."

Ich runzelte die Stirn. Schon nach dem ersten Tag des offiziellen Beginns mussten zwei Ladys das schloss verlassen, aus gesundheitlichen Gründen. War das normal? Oder half sogar jemand nach. Ich wollte gerade meine Gedanken aussprechen, da schüttelte Ray entschieden den Kopf.  "Egal was du denkst Dena, wir unternehmen nichts. Das ist reiner Zufall, okay? Wenn auf einmal alle sterben, sollten wir uns sorgen machen, aber immerhin ist ihre Mutter im sterben und nicht sie. Und Klove hat eine Allergie gegen Äpfel, man sagt, dass sie gestern mit ein paar Mädchen 'gefeiert' hat. Du weißt schon, mit trinken und so. Und dann hat sie es angeblich vergessen bzw. nicht darauf geachtet und einige Äpfel gegessen."

Ich nickte ergeben. Ray hatte Recht. Das waren alles Zufälle. Nichts als reine Zufälle, an die ich aber leider nicht glaubte..

Als Ray, Rosie und ich nach dem Mittagessen auf unserem Zimmer ankamen, wurden wir sofort von Lilian begrüßt, die uns in neue Kleider steckte. Heute würde nichts besonderes mehr sein, da immer drei Ladys die Prüfungen ablegen, aber die restlichen würden währenddessen an
Lady Zileys Unterricht teilnehmen. Dafür trugen wir alle ausladende Ballkleider, demnach würden wir uns heute mit dem Benehmen auf einem Ball beschäftigen.

"Gehen Sie beiden bitte schon mal vor, Lady Ray hat noch einen Termin", erklärte Lilian und schlicht, ohne irgendetwas anzudeuten. Ich warf Ray einen fragenden Blick zu, diese wich mir aber aus.

"Gut, lass uns gehen, Dena", Rosie zog mich am Arm aus dem Zimmer und noch ein Stück weiter den Gang entlang, bis ich mich losriss.

"Ich kann selber gehen", murmelte ich leicht genervt, sagte aber nichts weiter. Rosie konnte ja nichts dafür. "Weißt du, was Ray noch machen muss?"

Rosie nickte überrascht. "Ja.. ich dachte sie hätte es dir auch gesagt. Ihr versteht euch doch so gut, oder nicht?"

Ich zuckte mit den Achseln. Ich hatte Ray immer als beste Freundin hier gesehen, aber warum vertraute sie mir nicht? Warum erzählte sie es Rosie und nicht mir? Vielleicht ging es um mich, oder sie wollte mich nicht verletzten.. aus welchem Grund auch immer. Aber dann hätte Rosie anders reagiert.. Ich seufzte auf. Ich war nicht wütend oder enttäuscht, vielleicht mochte Ray mich einfach nicht so sehr, wie ich sie. Ich war verwirrt und.. enttäuscht von mir selber.

Ich schluckte den Klos in meinem Hals hinunter und zwang mich zu einem Lächeln. Ich würde am liebsten sofort nach hause fahren.. aber das ging natürlich nicht. Ich war eine der letzten 33 Ladys der Selection von Prinz Jonathan III. von Iléa, da durfte ich nicht aufgeben.

Rosie schien mein Unbehagen nicht zu bemerken, denn sie redete fröhlich weiter, nachdem wir den Unterrichtsraum betreten und Lady Ziley begrüßt hatten. Diese schien meine kleine Zeichnung in ihrer letzten Stunde nicht vergessen zu haben, denn die ganze Stunde über betrachtete sie mich argwöhnisch und nahm mich viel öfter dran, als alle anderen. Aber das störte mich herzlich wenig, denn über Bälle hatte mir mein Dad immer viel erzählt. Früher hatte er mir keine Gute-Nacht-Geschichte, sondern eine Geschichte über seine Arbeit im Schloss erzählt. Er hatte nämlich damals als Wache gearbeitet, bis es vom Dienst befreit wurde, wegen einer Schusswunde. Danach lernte er Mum kennen.

"Lady Dena, es bekommt Ihrem Punktekonto nicht gut, wenn Sie in meinem Unterricht nicht aufpassen", ermahnte mich Lady Ziley zum gefühlt hundertsten mal. Seufzend musste ich zusehen, wie sie mir erneut 5 Punkte abzog. Damit lag ich auf dem letzten Platz, denn nicht einmal Martha hatte wegen ihres plötzlichen Verschwindens und dem Zerstören einer teuren Vase so wenige Punkte wie ich.

"Das wird schon wieder", tröstete Rosie mich und tätschelte beruhigend meinen Arm. Sie sah mich mitleidig an, obwohl wir beide nicht einmal wussten weshalb. Ich hatte keinen Grund um traurig zu sein, umso schlimmer war es, dass ich es dennoch war.

Star Selection - never give up 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt