-einundvierzig-

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Schloss, Iléa
Dena's Point of View:

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, galt mein erster Gedanke nicht Ray oder dem Casting, sondern meiner Familie. Ich hatte das Gefühl, dass sie gerade in diesem Augenblick an mich dachten, obwohl das natürlich völlig absurd war.

Manchmal, wenn ich alleine war, stellte ich mir soetwas vor. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn es Übernatürliches geben würde. Einhörner, Vampire und das ganze andere Zeugs. Und dann dachte ich daran, was wohl passieren würde, wenn ich für einen Tag so tun würde, als wäre ich tot. Wer würde um mich trauern? Wie würden die Leute reagieren? Und dann kam ich wieder in der Wirklichkeit an.

"Guten Morgen, Lady Dena", Fanny kam in mein Zimmer und entfernte die Gardinen. Angenehmes Sonnenlicht strahlte herein und mir fiel in dem Moment auf, dass ich zum ersten Mal von alleine aufgewacht war. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Dieser Tag würde gut werden.

"Heute bekommen Sie das Frühstück an ihr Bett geliefert. Wir haben dadurch mehr Zeit sie herzurichten und können alles entspannt angehen", erklärte sie, als schon eine Zofe herein kam. Sie hatte ein Tablett in der Hand auf dem mein Frühstück war.

"Kann es sein, dass Sie mich beobachtet haben?", fragte ich sie halb scherzhaft, halb überrascht. Sie hatte genau das auf mein Tablett getan, was ich immer zum Frühstück aß.

Fanny lachte und deutete der Zofe an, dass sie gehen konnte. "Sag mir nicht, dass dich das überrascht. Für dieses Frühstück haben fast 30 Leute jede Kameraaufnahme der letzten Woche angesehen, nur damit jede Lady zufrieden ist."

Ich verdrehte die Augen. "Es überrascht mich tatsächlich nicht", stimmte ich ihr zu und biss in mein Croissant.

"Dein Kostüm ist schon fertig. Der Maskenball für die Prinzessin hat kein Thema, was der ungewöhnlich ist, aber für uns ist es gut. Wir konnten unserer Fantasie freien Lauf lassen. Ich denke, es wird dir gefallen", rief sie mir aus dem Ankleidezimmer zu und kam wenig später mit einem riesigen Haufen aus Tüll und Stoff wieder.

"Wo ist eigentlich Ray?", fragte ich sie mit Blick auf das leere Bett vor mir, "Wir wollten uns eigentlich zusammen fertig machen."

"Ray schien da eine andere Meinung zu haben. Sie macht sich zusammen mit Kathleen fertig, was mich nicht überrascht. Ein Wunder, dass sie hier überhaupt wieder eingezogen ist. Die beiden sind doch so dicke", Fanny zuckte mit den Schultern, während sie das monströse Kleid an einen Kleiderständer hängte, damit ich einen Blick darauf werfen konnte.

"Was soll ich darstellen?", fragte ich neugierig und verdrängte Ray aus meinem Kopf. Sie hatte wohl erkannt, dass es besser war, mich erst einmal in Ruhe zu lassen. Mich überraschte es aber, dass sie wieder mit Kathleen abhang.

Fanny verschränkte empört die Arme. "Sieh doch genau hin, erkennst du es wirklich nicht?"

Ich seufzte und versuchte aus dem Kleid irgendeine Verkleidung zu entschlüsseln, konnte aber nicht festmachen, was sie darstellen sollte. "Sorry, Fanny. Ich weiß wirklich nicht, was das darstellen soll"

Sie schüttelte den Kopf. "Weißt du was? Ich auch nicht. Die Schneiderin hat mit das Kleid und die Maske gegeben und meinte, dass du selbst herausfinden sollst, was du darstellst. Ich hatte wirklich gehofft, dass du es weißt."

Ich musste leicht lachen und schlug meine Decke zurück. Das Frühstück konnte warten. Ich nahm mir das Kleid vom Ständer und zog es so schnell es ging an, was allerdings etwas komplizierter als gedacht war, denn die ganzen Schnüre und Röcke verhedderten sich immer wieder, also half Fanny mir.

Als ich schließlich fertig war, Fanny mir die Maske gegeben hatte und mich vor dem Spiegel betrachtete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Flashback:

"Dad, was ist das?", ich stand zusammen mit meinem Vater auf einer Wiese und beobachtete Vögel.

"Das weißt du doch, meine kleine", er hockte sich neben mich und sah mich genau an, "Deine Mum und ich haben dir den Vogel schon einmal gezeigt. Weißt du noch?"

Ich dachte scharf nach, konnte mich aber nicht mehr an einen Vogel erinnern, den meine Eltern mir gezeigt hatten. Jedenfalls keinen, der so aussah, wie der, der direkt vor uns Kreise flog.

"Es ist ein Taril!", meine große Schwester Neyla kam hinter uns abgelaufen und hüpfte um den Vogel zu berühren, "Sieh mal, Mama! Ein Taril!"

Ich seufzte enttäuscht, als der Vogel wegflog, bevor ich ihn noch länger beobachten konnte. Mein Vater stand wieder auf und lächelte. "Tarile sind sehr besondere Tiere. Sie zeigen sich nicht oft und wenn, dann nur wenn sie sich sicher fühlen. Es ist ein wunder, dass dieser so nah bei uns war"

"Hast du vorher schon einmal einen Taril gesehen?", fragte ich meinen Dad neugierig.

Dieser schüttelte den Kopf. "Nein, wie ich gesagt habe. Es ist etwas sehr besonderes. Wir können stolz darauf sein", antwortete er lächelnd.

Ich nickte und zog enttäuscht die Schultern hoch. "Neyla hat ihn verscheucht"

"Sie ist sehr neugierig, das weißt du doch", sagte mein Dad und nahm meine Hand, "Wir sehen bestimmt irgendwann noch einen anderen."

Ich nickte und ging mit ihm hinter meiner Mutter und Neyla her. Wir machten alle einen Spaziergang. Dad sagte, dass frische Luft gut für das Baby wäre und auch für uns alle.

"Lou", meine Mutter blieb stehen, "Ich glaube es kommt"

Sofort war Dad neben Mum und stützte sie. Sie krümmte sich und hielt sich den dicken Bauch. Neyla sah Mum entsetzt an.

"Tut es sehr weh, Mum?", fragte ich sie vorsichtig, als sie ihr Gesicht erneut verzog.

Sie zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. "Das sind die schönsten Schmerzen, die ich in meinem Leben habe, Schätzchen. Die von Neyla und deiner Geburt auch. Kinder sind das Beste auf der Welt, ein Geschenk des Himmels"

Dad hob sie hoch und trug sie zur nächsten Landstraße, wo wir von jemandem mitgenommen und sofort zu einem Arzt gebracht wurden. Die ganze Fahrt über hielt Dad Mums Hand. Sie stöhnte ein paar Mal vor Schmerzen, konnte aber nicht aufhören zu lächeln. Ich lächelte ebenfalls.

"Der Taril war ein Zeichen", sagte ich zuversichtlich.

"Natürlich war er das", erwiderte Mum lächelnd, "Euer Geschwisterchen wird mindestens genau so schön, wie ein Taril, sein."

Gegenwart:

Ich musste lächeln. Das Kleid, was ich trug, war wunderschön. Es schimmerte im Sonnenlicht golden, genau wie das Federkleid eines Taril, und bestand aus mehreren Schichten. Es hatte ein enganliegendes Oberteil, der Rock hingegen war ausladend und bauschig. Es sah so aus, als würde er aus Federn bestehen und spiegelte damit die Verkleidung sehr gut wieder. Das Mieder war mir gold bestickt, aber der sonstige Stoff war hellblau. Nur wenn Sonnenstrahlen darauf trafen, wirkte es, als wäre der Stoff fließendes Gold.

"Lady Dena, Sie sehen umwerfend aus", Lilian hatte den Raum betreten, hinter ihr erschien Ray. Sie war schon fertig umgezogen und musste nur noch geschminkt werden.

"Dankesehr Lilian", ich lächelte automatisch. Einfach, weil ich mich über dieses Kleid so sehr freute.

"Für die Party später, kannst du den großen Rock einfach ablösen und du hast ein perfektes Partykleid", erklärte Fanny mir stolz und nahm mir die Maske ab.

"Kannst du Lady Raven fertig machen, Fanny?", fragte Lilian, während sie Nala kurz streichelte und sich dann meinen Haaren widmete.

Fanny stimmte natürlich zu und fing an Ray zu schminken. Erst jetzt fiel mir ihr Outfit auf. Sie stellte auch einen Vogel dar. Was bei ihrem Namen nicht schwer zu erraten war: Es war ein Rabe. Ihr Kleid war pechschwarz und der Rock hatte die gleiche Federoptik, wie meiner. Die Maske ließ sie noch mehr nach einem Vogel aussehen, aber es sag alles andere als lächerlich aus. Sie wirkte elegant und überaus erwachsen.

"Genug gestarrt?", murmelte sie genervt und sah stur auf ihr Spiegelbild.

Ich errötete und wandte mich ab. Das konnte ja heiter werden.

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