-fünfundreißig-

2.7K 155 19
                                    

Schloss, Iléa
Dena's Point of View:

"...We danced the night away
We drank too much
I held your hair back when
You were throwing up

Then you smiled over your shoulder
For a minute, I was stone cold sober
I pulled you closer to my chest
And you asked me, to stay over
I said, I already told ya
I think that you should get some rest..",
James Arthur Songtexte drangen an meine Ohren. Ich saß auf meinem Bett und hörte durch Kopfhörer Musik. Nach dem Tanzunterricht hatten wir Freizeit. Viele nutzten dies um ihre Eltern anzurufen oder spazieren zu gehen, aber mir war nicht danach. Vor allem nicht weil ich irgendwie gar nicht wissen wollte, wie es meiner Mutter ging.
Hoffentlich hatte meine Schwester mit dem Geld, was ich nach hause schickte, Medizin für sie gekauft oder sie waren sogar zum Arzt gegangen.

Also las ich nur und versuchte mir die Zeit bis zum Mittagessen zu vertreiben. Danach würden die Wahlalktivitäten wieder stattfinden.

Plötzlich wurde die Zimmertür geöffnet und Rosie kam mit gepacktem Koffer und reisefertig herein. Völlig überrumpelt nahm ich die Kopfhörer ab und sah sie verwirrt an. "Fährst du schon? Ich dachte erst morgen..", stotterte ich.

Sie nickte leicht. "Es gab eine Planänderung. Die Kutsche steht schon draußen. Eigentlich sollte ich schon weg sein, aber ich wollte mich noch von dir verabschieden."

Sofort stand ich auf und umarmte meine Freundin. Auch wenn wir uns erst seit knapp einer Woche kannten, waren wir so eng zuammen gewachsen, sodass ich es mir nicht vorstellen konnte die restliche Zeit ohne sie zu überstehen. Wir hatten wirklich jeden Tag miteinander verbracht, hatten so intensiv zusammen gelebt, wie ich es noch nie mit jemand außer meiner Familie getan hatte. Sie war mir wichtig geworden, wie eine zweite Familie.

"Ich werde dich vermissen", eine Träne rann aus meinem Augenwinkel, "Wie soll ich das nur ohne dich schaffen?"

Sie strich mir über den Kopf. Die sonst so quirlige Rosie wirkte auf einmal total erwachsen und verletzlich zugleich. "Du bist das wundervollste mädchen, was ich je getroffen habe. Wenn du nicht gewinnst, wer dann? Du schaffst das, Dena. Ich glaub' an dich und es gibt noch viele andere, die das auch tun."

Ich wischte mir die Tränen, die immer mehr wurden, weg und schniefte einmal. "Danke für alles, Rosie. Du warst immer für mich da, egal wann, wo oder warum. Ich schreibe dir auf jeden Fall, klar?"

Sie lächelte, aber auch ihre Augen glitzerten. "Natürlich. Wir bleiben in Kontakt", versprach sie mir und löste sich aus unserer Umarmung. "Ich muss gehen, bevor das hier noch zu emotional wird"

Ich lachte leicht, konnte meine Tränen aber nicht mehr zurückhalten. Auch ihr liefen sie die Wangen hinunter. Sie drückte mit einen Brief in die Hand.

"Lies ihn erst, wenn ich weg bin, okay?"

Ich nickte und drückte einmal ihre Hand. Dann drehte sie sich um und verließ das Zimmer.

Kraftlos ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich wischte mir die Tränen ab und starrte gedankenverloren an die Decke. Jetzt war ich alleine. Komplett alleine.

Seufzend öffnete ich den Umschlag und begann ihn zu lesen.

An Dena, meine wundervolle Freundin,
Ich weiß, dass ich nicht immer einfach bin und dass du mich am Anfang echt nervig fandest, aber ich hoffe für dich war diese Zeit genau so schön wir für mich. Ich habe nicht nur den Aufenthalt im Schloss, sondern auch deine Gegenwart sehr genossen und bin dankbar für jeden Tag mit dir. Du hast mir gezeigt, dass man zu sich stehen sollte und bist so eine selbstbewusst und tolle Person.. das kann ich gar nicht beschreiben. Bevor ich beim Schreiben noch anfange zu heulen nur noch eins:
Du hast mich einmal gefragt, warum ich mich Rosie nenne, obwohl ich eigentlich Helen heiße. Weißt du noch?
Das kann ich dir jetzt beantworten, wo ich keine Angst mehr haben muss, dass du mich nicht mehr mögen wirst, da ich nicht mehr da bin. Ich weiß, dass klingt albern, weil ich weiß, dass du mich niemals uncool finden würdest nur weil andere es tun, aber ich habe nun mal Komplexe..
Früher haben alle mich Helen genannt. Ich war ein sehr glückliches Kind, hatte viele Freunde und keine Sorgen. Bis irgendwann mal ein Mädchen zu mir gekommen ist und mich beleidigt hat. Grundlos und einfach so, weil sie eifersüchtig auf mich war. Ich habe mir das nicht so zu Herzen genommen, aber als es immer mehr wurde.. kurz gesagt: ich wurde gemobbt. Ohne jeglichen Grund. Deswegen wollte ich mit meinem alten leben abschließen und habe mich seitdem nie wieder Helen genannt. Die "fette Helen" hat einfach zu viele Erinnerungen in mir hinterlassen.
Aber du fragst dich sicherlich, warum dann Rosie? So hat meine Oma mich immer genannt. Sie meinte, ich würde aussehen wie eine Rose, wenn ich lächelte. Das hat mich immer zum Lächeln gebracht, wenn ich daran gedacht habe. Also Rosie.
So, nun weißt du es. Klar, du wirst sagen, es ist doch nichts schlimmes, aber ich schäme mich dafür.

Ich hoffe du wirst mich nicht zu sehr vermissen und mir schreiben.
Du schaffst das, Dena. Auch ohne mich. Aber vertraue nur den richtigen.
In Liebe,
deine Freundin Rosie. 

Langsam ließ ich das Blatt Papier sinken. Was wollte Rosie mir damit sagen? Vertraue nur den richtigen. Spielte sie damit auf die 'Unfälle' an, die am Anfang der Woche passiert waren? Oder vielleicht auf den Drohbrief, den ich bekommen hatte? Hatte sie ihn vielleicht sogar selber geschrieben? Warum sollte man den Leuten im schloss nicht vertrauen?

Ich zermaterte mir noch einige Zeit das Hirn, kam aber zu keiner schlüssigen Lösung. Ich war mir jedenfalls sicher, dass ich ihren Rat befolgen würde und immer wachsam bleiben würde.

Es klopfte an der Tür.
"Sicher ist sicher", murmelte ich und ging dann zur Tür um sie zu öffnen. Es waren Fanny und Lilian, die sich sofort daran machten mich fürs Mittagessen fertig zu machen. Ich streichelte die ganze Zeit die kleine Nala, die mittlerweile für mich wie ein eigener Hund geworden war. 

"Ich habe gehört, dass der König außer Haus sein soll", erzählte Lilian, während sie mich schminkte.

Ich runzelte die Stirn. "Heute morgen saß er an unserem Tisch und ist ganz plötzlich verschwunden. Weißt du, warum er weg ist? Und wo?"

Lilian zuckte mit den Schultern. "Nicht warum, aber er soll sich bei der Pflegefamilie von der Königin aufhalten. König Daemon hat wohl ein gutes Verhältnis zu Ihnen. Die kleine Stiefschwester von Königin Camillia heißt Lacy, ihr Bruder heißt Ashton und ihre große Schwester Fijona. Sie ist mit einem Maxon Leander verheiratet, ein indirekter Nachfahre von Familie Schreave."

Ich sah sie überrascht durch den Spiegel an. "Wirklich? Dann ist sie ja auch eine eingeheiratete adelige", stellte ich fest.

Fanny schüttelte den Kopf. "Seine Familie gehört der zweiten Kaste an. Er ist kein direkter Nachfahre und hat keinen großem adeligen Anteil seines Blutes. Trotzdem irgendwie schon, ja."

"Zufälle gibt's", murmelte ich, "Aber warum ist König Daemon dort?"

"Das kann ich dir beantworten", die Stimme der Königin erklang. Erschrocken fuhr ich herum und erkannte ihre Gestalt im Türrahmen lehnen. "Gehen wir ein Stück"

Unsicher nickte ich, stand auf und ging auf sie zu. Ich wollte sie Fragen, was sie hier tat, brachte aber kein Wort heraus. Fanny und Lilian schien es ähnlich zu gehen. Anscheinend kam es nicht oft vor, dass die Königin auf einmal in einem Zimmer auftauchte.

Sie hielt mir einen Arm hin, in den ich mich unsicher einhakte. "Meine Damen", sie lächelte meinen Zofen zu und und fügte noch etwas hinzu, bevor sie sich umdrehte: "Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Lady Raven wieder in diesem Zimmer hier unterbringen würden. Ich habe das Gefühl, dass Prinzessin Kathleen einen schlechten Einfluss auf sie hat."

Was meinte sie damit? Hatte Ray irgendetwas angestellt? Mit gerunzelter Stirn verließ ich neben der Königin das Zimmer.

"Warum wollten Sie mit mir reden?", fragte ich als wir den Garten betraten.

"Ich denke, dass es einiges zu klären gibt, meinst du nicht auch?", sie pflückte eine Rose und betrachtete sie gedankenverloren, während wir nebeneinander hergingen.

"Warum ist König Daemon in Carolina bei ihrer Familie?", fragte ich sie langsam.

Sie nickte und wiegte den Kopf hin und her. "Es freut mich, dass du Familie sagst. Viele würden Pflegefamilie oder Stieffamilie sagen, aber ich bin bei Ihnen aufgewachsen. Sie sind genau so Familie für mich wie meine Eltern. Jetzt zu deiner Frage, Daemon besucht meine Familie öfters einmal. Ebenso wie ich. Wir können uns nicht so oft sehen, deswegen kommen wir manchmal vorbei. Heute ist er aber noch wegen etwas anderem da, denn meine kleine Schwester hat ihr zweites Kind bekommen. Ich wäre auch gerne gekommen, aber ich habe zu viel mit dem Ball zu tun."

Ich sah sie misstrauisch an. Warum sollte nicht der König den Ball vorbereiten? Und warum war er so plötzlich verschwunden? Wie hat er beim Frühstück wissen können, dass Lacy ein Kind bekommen hat? "Ich glaube Ihnen nicht", erwiderte ich schlicht.

Königin Camillia lachte. "Ach wirklich? Ich dachte, ich wäre eine gute Lügnerin.."

Ich musste leicht lächeln. "Da muss ich sie leider enttäuschen, ich besitze gute Menschenkentnisse."

Star Selection - never give up 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt