-siebzig-

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Schloss, Iléa
Raven's Point of View:

Pricilla hatte sich relativ schnell von ihren Verletzungen erholt. Jedenfalls war sie wieder so fit um das ganze Schloss auf Trab zu halten. Obwohl sie eigentlich eine Gefangene war, brachte sie es dennoch zustande alle Rebellen herumzukommandieren. Eine kleine Handbewegung reichte und schon war ihr Bett neu gemacht, das Zimmer geputzt und sie genoss eine Fußmasage. Und das Problem am Ganzen war, dass sich mein Vater keineswegs darum kümmerte. Denn solange die Wachen an ihrer Tür sie nicht frei ließen, hatte er wichtigere Dinge im Kopf.

Das beinhaltete zum Beispiel die Vorbereitung des nächsten Berichts, denn es war angekündigt worden, dass nun öfters welche kommen sollten. Bis dahin hatten ich und die anderen Ladys von der Elite einen strengen Drehplan, denn es mussten Dates, Unterhaltungen, gemeinsames Essen und so weiter aufgenommen werden um es beim Bericht zu zeigen. 

Außerdem hatte mein Vater immer mehr Stress mit den anderen Rebellen, die sich zu jeder seiner Entscheidungen kritisch äußerten. Yasminé hielt sich zwar eher im Hintergrund, aber das war wahrscheinlich eher dem König zu verdanken, den sie den ganzen TAG umschwärmte.

"Raven, noch einmal alles auf Anfang! Die Szenen am Krankenbett von Lady Dena werden wir wohl noch ein paar Tage verschieben müssen, deswegen drehen wir jetzt erst einmal den Rest ab", sagte Luke, der den Regisseur abgab.

Ich kannte ihn schon relativ lange, weil er ebenfalls wie ich durch seine Eltern zu den Rebellen gekommen war. Er war aber ein paar Jahre älter als ich und es fühlte sich fast so an, als wären wir Geschwister. Jedenfalls hatte es nie etwas romantisches zwischen uns gegeben.

"Klar, ich komme!", rief ich und sprang von der Bank auf. Gerade drehten wir im Schlosspark die Dateszene von Jonathan und mir. Um noch eine kleine Spannung einzubauen, hatte Luke mit seinem Team einen Fast-Kuss geplant, der durch eine der anderen Ladys gestört werden sollte. Das würde den Zuschauern jedenfalls mal etwas zum Reden geben.

Schnell warf ich noch einen Blick auf meinem Text und ging ihn im Kopf durch.

Raven: Es war ein wirklich sehr schöner Tag heute, meinst du nicht auch?
Jonathan: Ich würde sogar sagen, das schönste Date, was ich bisher hatte. (Ein charmantes Lächeln und ein schelmisches Zwinkern)
Raven: Lass mich raten, du hattest noch gar keins? (Lachen)
Jonathan: (Lachen) Glücklicherweise schon.
Raven: (Lächeln) Dann fühle ich mich jetzt mal geehrt.
Jonathan: ...

Ich drückte einem Mann, der für die Beleuchtung zuständig war, achtlos die Zettel in die Hand und stellte mich mit einem aufgesetzten Strahlen neben Jonathan unter eine alte Eiche. Wir sollten gerade spazieren gehen.

"Wie kannst du dabei auch nur das kleinste Bißchen gutes Gewissen haben?", fragte Jonathan ohne mich dabei anzusehen. Er hatte seine Schwester fixiert, die wie immer als Druckmittel mitgekommen war.

Ich zuckte unmerklich mit den Schuktern, mein Grinsen blieb das selbe. "Willkommen in meiner Welt, Königssöhnchen."

"Ich glaube nicht, dass du so bist", erwiderte er leise, immernoch den Blick starr auf seine Schwester gerichtet.

"Glaub, was du willst. Du kennst mich nicht. Das tut niemand. Wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe, dann dass man keinen Menschen kennt. Man weiß nur das, was er einen wissen lässt", antwortete ich.

Jonathan schwieg daraufhin kurz. "Woher hast du diese weißen Worte denn?"

"Von mir selber, aber danke, dass du mir soetwas nicht zutraust", schnaubte ich.

"So langsam traue ich dir ziemlich viel zu, aber gut zu wissen, dass du sogar eine Poetin bist. Irgendwie ironisch oder? Soweit ich weiß, waren bis jetzt die Guten immer die Poeten", sagte er.

Ich lachte kurz. "Gut und Böse liegt im Auge des Betrachters, Jonathan. Denkst du nicht, dass jeder von sich selber denkt, er wäre gut? Wir sind jedenfalls keine Sekte, die einen auf dunklen Lord macht."

Er runzelte die Stirn. "Danke für die Info, werde ich mir merken."

"Weißt du, wenn du nicht so verboten gutaussehend und mein Gefangener wärst, könnte ich dich sogar mögen", erwiderte ich. Lügnerin. Ich mochte ihn auch jetzt schon. Mehr als ich durfte.

"Das nehme ich mal als Kompliment", sagte er kalt.

Dann gab Luke uns ein Zeichen und wir begannen zu spielen. Jonathan machte seine Sache wirklich gut und es schmerzte irgendwie zu wissen, dass er all die Dinge, die er sagte, nicht ernst meinte. Er tat das nur, damit seiner Schwester nichts angetan werden würde. Und das musste ich mir immer wieder in Erinnerung rufen, denn sonst hätte ich es ihm fast abgekauft.

Dena's Point of View:

"Wie lange dauert es noch bis zum Palast?", schnaufte Sarah müde, "Wir laufen jetzt schon fast-"

"Fast drei Minuten, seit dem Letzten Mal als du gefragt hast, Sar", erwiderte Ann genervt. Zwar tat sie auf stark, aber auch ihr war anzusehen, dass die Reise sehr anstrengend war.

Sarah stöhnte auf und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da legte ihr John einen Finger auf die Lippen. Empört schlug sie seine Hand weg und öffnete erneut ihren Mund, aber ich hatte die Situation durchschaut und zwickte sie in den Arm. Dann deutete ich wortlos auf zwei Männer, die in unserem Blickfeld aufgetaucht waren. Es waren ganz deutlich Palastwachen.

"Wir sind ganz nah dran", flüsterte die Königin und bedeutete allen ihr geduckt zu folgen.

Auf dem Weg hierher waren wir den ganzen Plan noch einmal genau durchgegangen. Zwar verstand ich alles und war fest entschlossen es durchzuziehen, aber auch ich hatte meine schwachen Minuten, wo ich mir wünschte nie an diesem Casting teilgenommen zu haben.

"Alles wie besprochen. Ann und Sarah ihr tut ganz normal, klar? Gerade werden im Schlossgarten Szenen gedreht, das heißt ihr werdet einfach so tun, als wärt ihr Personal. Ihr werdet ganz sicher nicht auffallen, denn niemand kennt euch hier", sagte er zu meinen Cousinen.

Beide nickten entschlossen und schlichen sich davon. Schon immer waren die beiden gut im Schauspielern gewesen, deswegen brauchte ich keine Angst um sie zu haben. Dennoch war mir mulmig zumute.

"Dena? Bist du bereit?", fragte er mich. Ich holte tief Luft und nickte. Die Königin und ich würden Gefangene spielen. Die Spione unter den Rebellen, mit denen John in Kontakt stand, würden sich mit uns in genau 2 Minuten treffen.

"Dann los", nickte die Königin und schob mich vor sich vor. Ich setzte mich in Bewegung. Nun war keine Zeit mehr zum Nachdenken.

Es ging nicht nur um Leben und Tod, sondern um die Zukunft eines ganzes Königreiches.

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