-sechsundsechzig-

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Schloss, Iléa
Raven's Point of View:

"Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass du damit durchkommst oder?", ich lehnte im Türrahmen von Jonathans Zimmer. Ja, ich hatte mich durchgesetzt, damit er ein richtiges Zimmer bekam. Immerhin wäre es ganz hilfreich, wenn er mich mögen würde.

Er sah nicht auf, sondern band sich in aller Ruhe seine Schuhe zu. Er trug ein enges Shirt, durch das man seine Muskeln deutlich erkennen konnte. Ein paar Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, aber trotzdem konnte man noch seine gerunzelte Stirn erkennen, was ihn noch sexier aussehen ließ.

"Hör mal, Jonathan-", ich seufzte und kam auf ihn zu, aber in diesem Moment ruckte er hoch und sah ich feindselig an.

"Keinen Schritt näher", zischte er leise, sodass ich es kaum hören konnte, aber es brachte mich tatsächlich zum Stehen. Auch, wenn ich ihm nicht unterlegen war, strahlte er eine solche Autorität aus, die wirklich furchteinflößend war.

"Ich wollte nur mit dir reden", murmelte ich etwas eingeschüchtert, zog aber meine Schultern zurück und reckte mein Kinn. Ich würde mich hier ganz sicher nicht einschüchtern lassen.

"Ich denke nicht, dass wir beiden etwas zu bereden haben", erwiderte er kalt.

"Oh doch. Ob du nun willst oder nicht, werden wir nämlich heiraten", fuhr ich ihn an. Ich hielt die Luft an, weil ich vor seiner Reaktion Angst hatte. Zwar wusste er es ja schon, dass es so vorhergesehen war, aber den eiskalten Blick, den er mir gleich zuwerfen würde, wollte ich nicht so gerne auf mir spüren.

"Zum Glück habe ich genau das noch gerade mal gerettet", sagte er und lächelte fast zufrieden.

Autsch. Das war noch schlimmer, als jeder Blick. Er freute sich, dass er mich nicht heiraten musste. Und trotzdem würde er es irgendwann tun. Mehr oder weniger freiwillig.

"War's das dann? Ich würde nämlich gerne alleine sein", sagte er wieder mir einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck.

Zornig schüttelte ich den Kopf. "Nein, das war's nicht! Wie wäre es vielleicht mit einem Dankeschön, dass du mir ein Zimmer bereitgestellt hast. Ohne dich würde ich in einem Kerker schlafen müssen. Hm? Du solltest froh sein, dass ich so nett zu dir bin. Denn eigentlich bist du doch nur ein verwöhntes Königssöhnchen!"

Er fing an zu lachen und sah auf. "Danke Raven, dass du mein Leben noch viel schlimmer gemacht hast, als es eigentlich schon war. Danke dafür, dass du meiner Schwester Schmerzen zufügst. Danke für deine tollen Hochzeitspläne. Danke für alles."

Ich wurde immer wütender. Aber zu meiner Unzufriedenheit traten mir auch Tränen in die Augen. Ich würde jetzt nicht vor ihm heulen. Nein. Ich durfte keine Schwäche zeigen. Eilig wischte ich mir über de Augenwinkel und reckte mein Kinn.

"Wie gesagt, damit kommst du nicht durch, Jonathan. Du wirst mich heiraten, so oder so. Und dann wirst du dir wünschen nich so unverschämt gewesen zu sein", mit diesen Worten rauschte ich aus dem Raum. Die beiden Wachen schlossen die Tür hinter mir, damit Jonathan nicht entkommen konnte.

Der Mitleid, den ich vor ein paar Minuten noch mit Pricilla gehabt hatte, war wie verflogen. Wie konnte man nur so grausam sein, wie Jonathan? Ich hatte ihm nie etwas getan und dann behandelte er mich so. Warum konnte er mich nicht einfach mögen? Warum drehte sich immer die ganze Welt um jeden, nur nicht um mich?

Als ich beim Zimmer von Pricilla vorbeikam, nickte ich den beiden Wachen zu. Diese öffneten mir etwas unsicher die Tür. Pricilla lag mit Unmengen von Wunden und am ganzen Körper zitternd auf dem Bett. Ein leises Wimmern war gut hören. Von der taffen Prinzessin war nichts mehr übrig geblieben. Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln.

"Dein Bruder ist nicht besonders nett, weißt du", ich setzte mich auf einen Stuhl an ihr Bett und betrachtete sie lange. Natürlich antwortete sie nicht, aber auch der hasserfüllt Blick funktionierte nicht ganz, denn die Schmerzen waren zu groß.

"Irgendwie hast du mir wirklich leidgetan. Aber als Mittel zum Zweck funktionierst du wirklich gut. Leider musst du dafür leben..", mit meinem spitzen Fingernagel strich ich über ihren Hals, "Sonst hätten wir kein Druckmittel mehr, verstehst du?"

Ich lächelte sie an, wie ein kleines Kind, das nicht verstehen würde, was ein Druckmittel war. "Wenn er einfach etwas netter wäre und meine Hilfe annehmen würde, sähe deine Situation ganz anders aus, aber so.. Tut mir leid, Prinzesschen, aber du wirst wohl noch etwas länger leiden müssen. Ich wünsche dir noch ein angenehmes Leben."

Angenehm beschrieb ihre Situation nicht so ganz..

Lancester, Iléa
Dena's Point of View:

An diesem Tag passierte nicht mehr viel. Die Zeit bis zum Abendessen verbrachte ich größtenteils auf dem Sofa und las etwas oder dachte über irgendwelchen banalen Dinge nach. Aber meine Gedanken schweiften immer wieder zu ihm. Wie es ihm wohl ging? Ich würde ihm so gerne sagen, wie sehr ich ihn mochte, bevor wir uns nie wieder sehen würden. Aber das war wohl nicht möglich.

Das Abendessen verlief genau so ruhig. Soraya versuchte hin und wieder ein Gespräch aufzubauen, aber sie schaffte es immer nur zu Smalltalk. Und auch der Vorschlag für einen gemeinsamen Spieleabend, fand nur wenig Begeisterung.

Doch der Tag sollte noch eine komplett andere Wendung nehmen..

Ich half Soraya noch beim Abdecken und setzte mich dann noch kurz zu ihr in die Küche, während sie die Zeitung durchblätterte.

"Kann ich dich mal etwas fragen?", fragte ich Soraya nachdenklich.

Sie sah auf und nickte. Sie sah fast begeistert aus und lächelte mich warm an. "Natürlich, immer raus mit der Sprache."

"Marylin. Warum hat sie sich nicht zum Casting angemeldet? Sie ist so hübsch, sie wäre bestimmt genommen worden", überlegte ich.

Sie runzelte die Stirn. "Ich denke, da bin ich nicht deine richtige Ansprechpartnerin. Ich bin ihre Mutter, natürlich finde ich sie wunderschön", sie lächelte schief.

Ich nickte. "Klar, aber warum hat sie sich nicht angemeldet?"

Soraya seufzte. Hatte sie mir etwa mit dieser Antwort ausweichen wollen? "Ich wollte es nicht. Beziehungsweise haben wir beiden uns dazu entschlossen, dass es besser wäre, wenn sie sich nicht anmeldet."

"Warum?", fragte ich verwirrt, "Ihr kennt die Königsfamilie doch!"

"Genau deswegen. Ich möchte nicht, dass Marylin deswegen den anderen Teilnehmerinnen gegenüber einen Vorteil hätte", antwortete sie.

"Aber dann hätte ich ja theoretisch auch einem Vorteil. Meine Eltern standen Ihnen ebenso nah, wie ihr. Jedenfalls wenn man allen glauben schenken soll."

"Das stimmt. Natürlich lag es nicht nur daran, dass andere gedacht hätten, dass sie einen Vorteil hat, sondern auch, daran dass wir mit der Königsfamilie zerstritten sind", seufzte Soraya.

Überrascht sah ich sie an. "Warum das?"

"Entschuldige, aber das ist eher eine private Angelegenheit zwischen uns. Vielleicht erzählt es dir irgendwann einmal jemand, aber ich bin es in diesem Moment nicht", sie lächelte mich entschuldigend an. Ich nickte verstehend. Sie musste mir nichts erzählen, was sie nicht wollte.

Als ich gerade die Stille zwischen uns brechen wollte, klopfte es an der Tür. Ich sah zu Soraya. "Erwartet ihr noch Gäste?"

Diese schüttelte verwirrt den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Ich bin gespannt, wer es ist."

Ich wartete in der Küche, während Soraya zur Tür ging und nachsah, wer es war. Ich hörte die Tür öffnen und dann ein überraschten Luftschnappen, wahrscheinlich von Soraya.

"Camillia. Was für eine Überraschung."

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