Extrakapitel

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Schloss, Iléa
Ann's Point of View:

Nachdem Jus mich stehen gelassen hatte, ging ich wieder zurück vom Set. Zwar noch etwas durch den Wind, aber dennoch fokussiert. Wegen soetwas durfte ich nicht die ganze Mission verderben. Aber ich musste es den anderen schnellstmöglich sagen. Immerhin hatte Jus mit indirekt gedroht. Vielleicht war es wirklich besser zu verschwinden und das Ganze zu vergessen.

Nein, so durfte ich nicht denken. Wir mussten es durchziehen. Für die Königin. Für unsere Ehre. Für das Königreich.

"He du da!", eine dunkle Stimme ertönte hinter mir. Hoffentlich war nicht ich gemeint. Vorsichtig drehte ich mich um. Doch. Definitiv ich.

Ich war kurz davor zu antworten, dann fiel mir wieder ein, dass man das als Zofe nicht tat. Also senkte ich den Kopf gehorsam und wartete darauf, dass er fortfuhr. Hatte er mich etwa erkannt? Kaum möglich, denn ich kannte ihn nicht und es gab niemanden, der mich kannte und den ich nicht kannte. Ich war zwar nicht so unscheinbar wie Sarah, die es ja anscheinend auch nicht mehr war, aber als Zofe lernte man als erstes Demut.

"Bring mir einen neuen Kaffee! Ich werde hier schon ganz müde von der ganzen schlechten Laune", meinte er und verdrehte die Augen. Dann wandte er sich von mit ab. Puh. Da hatte ich noch einmal Glück gehabt.

Eilig machte ich mich auf den Weg zur Küche. Zwar hätte ich einfach einem Dienstmädchen Bescheid sagen können, aber ich wollte so schnell wie möglich von diesem Ort weg. Ich hatte viel zu viel Angst erkannt zu werden.

Normalerweise lief es im Schloss so, dass die Zofen nicht direkt die Arbeiten machten, sondern nur weitergeben. Es gab uns im Prinzip nur, weil die anderen nicht würdig waren dem Königshaus gegenüber zu treten. Wir waren nur soetwas wie Repräsentanten der unteren Schicht des Schlosses.

Als ich den Kaffee geholt hatte, brachte ich ihn dem Mann, der darum gebeten - eigentlich eher befohlen - hatte. Er beachtete mich gar nicht weiter und wandte sich dem Set zu. Ich folgte seinem Blick und war kurz davor laut aufzuseufzen. Anscheinend war Dena doch beim Dreh. Sie drehten gerade eine Dateszene mit ihr und dem Prinzen.

Ich konnte Prinzessin Kathleen und Raven neben der Kamera erkennen. Neben ihnen stand der Regisseur, Luke. Alle drei schauten düster drein. Raven wahrscheinlich, weil sie eifersüchtig auf Dena war. Luke, weil die beiden wirklich nicht die besten Schauspieler waren oder sich jedenfalls so gaben. Prinzessin Kathleen, weil Luke nur Augen für den Dreh hatte.

Ich schüttelte nur den Kopf und sah mich nach meiner Schwester um, konnte sie aber nirgends entdecken. Hoffentlich war Raven nicht so sauer geworden, dass Sarah jetzt im Kerker schmoren musste. Ich machte mir zwar Sorgen um sie, wusste aber, dass diese unberechtigt waren. Meine Schwester war schon groß, auch wenn ich das nicht glauben wollte.

Früher war ich immer diejenige von uns beiden gewesen, die mutiger war und die andere beschützte. Jetzt konnte Sarah das alleine, aber so richtig wollte ich nicht loslassen. Ich liebte meine Schwester über alles und genau deswegen musste ich sie ihren eigenen Weg gehen lassen. Aber bei Zwillingen ist es wahrscheinlich schwerer, dass sie sich loslassen können.

"Okay, die Szene lassen wir erst einmal", rief der Regisseur und raufte sich die Haare, "Wir drehen die mit Raven, Dena und dem Prinzen. Raven und Jonathan haben ein Date und küssen sich, Dena zerstört den Moment, ein Zickenkrieg bricht aus, BlaBlaBla. Jedenfalls muss es so aussehen, als ob Dena die Böse wäre."

Raven sah böse zu ihm, sodass der sich schnell berichtigt. "Dena ist die Böse, hebt es bitte nur noch mal mehr heraus, in Ordnung?"

Alle schienen zufrieden und schon wurde die Szene gedreht. Es dauerte sogar noch länger, als die Szene mit Jonathan und Dena, weil der Prinz einfach immer angeekelt aussah, wenn Raven ihn küssen wollte. Irgendwie war das gemein, aber ich freute mich darüber.

Als der Drehtag zuende ging, fiel mir ein, was eigentlich das größte Problem war. Wo sollte ich schlafen? Da ich zwar ursprünglich eine Zofe war, aber nicht mehr offiziell, hatte ich keine Unterkunft. Entweder ich konnte hoffen, dass mein altes Zimmer noch frei war und die anderen mir glauben würden, dass ich wieder da war oder ich musste mir etwas anderes suchen.

Ich entschied mich für die erste Möglichkeit, weil mir für die Alternative leider nichts einfiel. Mit zitternden Knien folgte ich ein paar Zofen. Die meisten kannte ich sogar. Als wir vor dem Zofenquartier angekommen waren, konnte ich zwischen den anderen Sarah erkennen. Erleichtert bahnte ich mir einen Weg zu ihr durch und fiel ihr um den Hals.

"Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass Lady von Ravenstein dich höchstpersöhnlich verspeist hat", flüsterte ich ihr zu.

Sie kicherte leise. "Keine Angst, so leicht lasse ich mich nicht aufessen. Mir geht's gut und dir?"

Ich nickte als Antwort auf ihre Frage. "Also bist du auch auf die Idee gekommen einfach einen auf normal zu tun?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Was anderes ist mir nicht eingefallen. Ich hätte bei dir eher gedacht, dass du dir einen supermäßigen Plan überlegt hast und am Ende im Königsgemach höchstpersöhnlich schläfst", kicherte sie.

Ich zeigte ihr grinsend einen Vogel. "Schön wär's-", fing ich an, wurde aber unterbrochen.

"Was wäre schön?", ich fuhr herum und sah Medina, eine sehr gute Freundin von mir.

Ich quietschte auf und wollte sie umarmen, aber sie wich zurück. "So ist das also? Du denkst, dass du hier einfach wieder auftauchen kannst und bist wieder willkommen? Glaubst du etwa, dass die keine Nachfolger für dich und Sarah haben? Sei doch nicht so leichtgläubig, Ann."

Ich seufzte enttäuscht auf. "Es ist nicht so, wie du denkst, Med-"

"Nenn mich bloß nicht Meddy, ich hasse diesen Namen", fauchte sie. Die anderen waren währenddessen in ihre Zimmer gegangen.

"Ich habe es zuerst nicht geglaubt, als ich gehört habe, dass du es tatsächlich geschafft hast zu fliehen. Weißt du, ich habe mich so für dich gefreut, das glaubst du gar nicht. Aber dann ist mir erst bewusst geworden, dass du mich hintergangen hast. Ich dachte in den ersten Tagen, dass du mich holen kommen wirst, aber du bist nicht gekommen. Wir wollten zusammen fliehen, weißt du nicht mehr?", ihr verletzter und wütender Blick traf mich eiskalt ins Gesicht.

"Wie könnte ich das vergessen?", murmelte ich und bereitete mich auf die schlimmste Nacht meines Lebens vor.




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