➑➐ *Lesenacht

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𝓙𝓾𝓷𝓰𝓴𝓸𝓸𝓴 𝓟𝓸𝓿:

"Willst du uns jetzt endlich sagen, seit wann du und Herr Kim per Du sind? Wir finden es doch eh heraus."

Schon seit zwei Tagen durfte ich mir die Fragerei anhören, denn seit dem Aufeinandertreffen im Café mit Taehyung und Eunjin wussten meine Freunde, dass sich zwischen mir und meinem Lehrer etwas getan hatte.

Sie hatten uns bei einer leisen Unterhaltung belauscht, nachdem ich mich zu dem Älteren gesetzt hatte, und natürlich konnten sie nicht anders, als mich damit unaufhörlich zu necken.

Mit zusammengepressten Lippen sah ich Jimin an, schüttelte mit dem Kopf.

Umso mehr ich sagte, umso mehr Stoff würden sie bekommen, mich damit aufzuziehen.

"Ich muss jetzt eh los, hab Nachhilfe", gab ich noch schnell Bescheid, bevor ich reiß aus nahm.

Zügigen Schrittes lief ich den Gang entlang. Viele Schüler waren nicht hier, da die meisten noch Unterricht hatten oder für die bevorstehenden Prüfungen lernten.

Keine lange Zeit später stand ich vor der Tür meines Lehrers.

Da ich aufgrund meiner Noten die mündliche Geschichtsprüfung machen musste, hatte ich auch jetzt noch Nachhilfe bei Taehyung.

Er war ein wirklich guter Lehrer und ich war mir sicher, dass ich es mit seiner Hilfe schaffen würde.

Die Tür öffnete sich direkt nachdem ich geklopft hatte.

Der Braunhaarige stand mir gegenüber und sah mit einem Lächeln auf mich herab.

"Ich hab schon auf dich gewartet. Wollen wir?", fragte er und trat zur Seite, damit ich eintreten konnte.

Nickend ging ich in sein Zimmer und setzte mich sogleich auf sein Bett. Es war inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr, da ich es die letzten Male ebenso gemacht hatte.

Vorsichtig nahm ich das Geschichtsbuch, welches bereits vor mir lag, in meine Hand. So wie es aussah, war es steinalt.

Ich spürte, wie er sich, entgegen meiner Erwartungen, direkt hinter mich setzte und hielt unbeabsichtigt die Luft an.

"Das habe ich in der Bibliothek ausgeliehen. Es ist wirklich gut und verständlich erklärt", hauchte er in mein Ohr.

Kurz zuckte ich zusammen, riss mich dann jedoch am Riemen.

Nickend blätterte ich in den vergilbten Seiten herum und sah beinahe alle Themen, die ich für die Prüfung lernen musste.

"Dankeschön, dass du es geholt hast", bedankte ich mich, da es immerhin nichts Selbstverständliches war.

"Dafür musst du dich nicht bedanken. Ich mache es wirklich gern für dich, vor allem, wenn es dir hilft", meinte er.

Sachte drehte ich mich um, sah in einige Sekunden lang an.

Stumm blickten wir uns tief in die Augen, verloren uns in ihnen.

Ich befand mich wie in einer Starre, aus der ich selbst dann nicht zurückwich, als er mir immer näher kam.

Die Spannung schien sich in der Luft um uns gefangen zu sein, schien sie förmlich zu zerreißen. Sie benebelte uns.

Der Abstand zwischen unseren Lippen verringerte sich immer mehr, unser heißer Atem prallte aufeinander.

Bevor wir die letzten Zentimeter jedoch schließen konnten, unterbrach uns ein kurzer Klingelton.

Erschrocken fuhren wir auseinander und mir wurde bewusst, dass wir zum zweiten Mal kurz vor einem Kuss standen.

Erneut war dieser Klingelton zu hören, weshalb Taehyung seufzend sein Handy vom Nachttisch nahm.

Der Klingelton kam mir seltsamerweise sehr bekannt vor, doch ich konnte nicht einordnen, woher ich ihn kannte.

Es war kein typischer, bekannter Standartton, weshalb er mir so besonders vorkam.

Doch je länger und angestrengter ich über die Verbindung nachdachte, die ich dazu anscheinend habe, desto mehr befand ich mich in einem Labyrinth aus Fragen, aus welchem ich keine Antworten ziehen konnte, so sehr ich es auch versuchte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich ein genervtes, erschöpftes Seufzen hörte.

Fragend blickte ich den Schönling an, welcher sich über's Gesicht fuhr und leicht den Kopf schüttelte.

Schnell räusperte ich mich, um meine Stimme wiederzufinden, bevor ich zu sprechen begann.

"Was ist los?"

Er hatte sich inzwischen ans Fenster gestellt und blickte nach draußen.

"Meine Ex hat jetzt einen neuen Weg gefunden, mich zu belästigen."

Entgeistert sah ich ihn an, wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte.

"Bitte?!", entfloh es mir dennoch.

Gestresst fuhr er sich durch die Haare, setze sich dann wieder neben mich.

"Sie kam mit der Trennung nicht klar. Bis vor kurze Zeit hat sie mir immer wieder geschrieben, andauernd die Nummer gewechselt, wenn ich sie blockiert hatte, bis ich meine Nummer änderte", erzählte er.

"Und was hat sie jetzt gemacht?", fragte ich vorsichtig.

Ihn schien die ganze Sache ziemlich zu belasten und ich konnte gut nachvollziehen, warum.

"San hat mir geschrieben. Sie steht vor dem Schultor und möchte nicht gehen, bis sie mich gesehen hat", brachte er stockend heraus.

Plötzlich viel es mir wie die Schuppen von den Augen.

"Ist das etwa die Frau, die eine Szene geschoben hat, als wir vom Schwimmbad wiederkamen?"

Resigniert nickte er. Seinem Blick nach zu urteilen war es ihm anscheinend sogar peinlich.

"Wenn sie dich so sehr belästigt, dann ruf doch einfach die Polizei. Das geht doch so nicht mehr weiter", sagte ich zu ihm, legte dabei meine Hand auf seine Schulter.

Nickend sah er ein letztes Mal auf sein Handy.

"Vielleicht sollte ich das wirklich tun. Sie versteht es sonst nie", stimmte er mir zu.

Lächelnd blickte er mich an, deutete dann in Richtung auf das Buch.

"Machen wir weiter? Bald sind schon die Prüfungen und es gibt noch viel zum lernen", fragte er.

"Was ist mit deiner Ex?", wollte ich stattdessen wissen.

Es bereitete mir Unbehagen zu wissen, dass seine vorherige Liebhaberin quasi vor der Tür stand, doch so durfte ich nicht denken. Immerhin war es noch mein Lehrer, über den ich so dachte.

"San wird sich um sie kümmern, mach dir keine Sorgen", beschwichtigte er mich.

Während er mir zuerst das Thema erklärte, machte ich mir Notizen, welche ich mir später nochmal durchlesen würde.

Für dieses Fach musste ich alles genaustens wissen, die Details waren ausschlaggebend.

Warum auch musste ich ausgerechnet eins der schwierigsten Fächer für die mündlichen Prüfungen machen?

Nachdem er mir das Thema erklärt hatte, gab er mir eine Aufgabe zum überlegen, die mir so auch in der Kontrolle gestellt werden konnte.

Grübelnd blickte ich aus dem Fenster.

Währenddessen bekam Taehyung eine weitere Nachricht, woraufhin er mich entschuldigend ansah.

"Tut mir leid. Ich mach' es leise."

Doch auf seine Worte konnte ich mich kaum konzentrieren, denn der Klingelton war mir in einem anderen Kontext bekannt, dessen war ich mir nun sicher.

Ich wusste nur noch nicht genau, woher ich ihn kannte, doch es lag mir bereits zum Greifen nah auf der Zunge.

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