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𝓙𝓾𝓷𝓰𝓴𝓸𝓸𝓴 𝓟𝓸𝓿:

Sanft strich ich dem Braunhaarigen unaufhörlich durch die verschwitzten Haare, drückte ihn nähesuchend an mich heran.

Ich fühlte, wie der Ältere leicht zitterte, was mich ihn aufmerksam ansehen ließ.

Es schien ihn sehr zu beschäftigen, dass er seiner Wut nicht klein beigeben konnte, sie ihn stattdessen einnahm.

Tröstend schlung ich meine Arme um ihn und küsste zärtlich seinen Nacken, nachdem er sich von mir weggedreht hatte.

"Es tut mir so leid", hörte ich ihn flüstern.

"Ich habe es schon wieder getan", hing er hinten dran.

"Shh, es ist okay. Es war nicht schlimm, wirklich nicht."

Meine Versuche, Taehyung zu beruhigen, führten ins Nichts, denn er war viel zu aufgewühlt.

"Nichts ist okay! Wie kannst du das nur sagen?! Ich habe dir versprochen, dir bei Konflikten zuerst zuzuhören und dich nie mehr so zu verletzen! Ich habe-"

"Du hast mich nicht verletzt, okay? Klar, du hast dich wieder von der Wut leiten lassen, aber du hast darauf geachtet, dass du mich genug vorbereitest und du hast sogar meine Bitte beachtet, keine Knutschflecken an sichtbaren Stellen zu hinterlassen — wenn auch eher unbewusst", unterbrach ich meinen Freund.

Allmählich drehte er sich zu mir um und blickte mir in die Augen.

Hoffnung und Unglauben erblickte ich in seinen dunklen Iriden, während er sich an mich drückte.

"Es scheint zwar nicht viel zu sein, aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung! Keiner kann erwarten, dass du mit ein paar wenigen Therapiesitzungen sofort all deine Probleme beseitigt hast und deine Wut von jetzt auf gleich vollständig in den Griff bekommst. Wir versuchen es schrittweise, okay?", redete ich auf ihn ein.

Währenddessen strich ich ihm sanft über die Wange, küsste dann die Stelle.

"Und wenn ich mich in meiner Wut verliere? Wenn ich dich trotz aller gemachten Schritte und erreichten Ziele verletze? Ich war wie in einem Schleier, vollkommen in Trance! Wie kannst du mir nur so vertrauen?"

"Ich vertraue dir, weil ich dich liebe – so kitschig es auch klingen mag. Ich weiß ganz genau, dass du dein Bestes gibst, dich zu kontrollieren und ich weiß diese Mühe zu schätzen, nur setze ich mich bewusst der "Gefahr" aus, doch verletzt zu werden. Wie gesagt, es funktioniert nicht von jetzt auf gleich, das weiß ich und das weiß auch du, also mach dich bitte nicht so fertig deswegen. Ich nehme es dir nicht übel, und wenn du doch zu weit gehst, dann werde ich es dir mitteilen", sagte ich halblaut.

Schluckend wich er meinem Blick aus, weshalb ich erneut zum Sprechen ansetzte.

"Wie wäre es denn, wenn wir immer nach einer solchen Situation reflektieren? Wir reden und bewerten es dann. Was war gut, was war eher schlecht und was kann man nächstes Mal besser machen, um die schlechten Dinge zu beheben? Wir suchen direkt danach nach Lösungen und arbeiten uns so immer weiter voran", schlug ich vor.

Anscheinend mochte er diese Idee sogar, denn er stimmte mir sogleich zu, indem er einen ersten Lösungsvorschlag von sich gab.

"Ich möchte ein Codeword!"

Bestimmerisch sah er mich an, duldete seinen Augen zufolge keinen Widerspruch.

"Du meinst ein Codeword wie in der BDSM-Szene?", wollte ich sichergehen.

Nickend bestätigte er mir dies.

"Wenn es dir zu viel wird, dann sagst du das Wort und ich höre sofort auf. Zumindest, wenn es nach Plan läuft", erwiderte er.

"Denkst du wirklich, dass soetwas funktioniert? Du meintest, es sei wie ein Schleier oder Trance gewesen. Bist du dir sicher, dass dich ein einzelnes Wort da raus holt?"

"Nein, ich bin mir nicht sicher, aber ich möchte es wenigstens versuchen. Bitte! Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, dich jederzeit so verletzen zu können wegen meiner Wut, ohne, dass du etwas dagegen tun kannst!"

Ich sah ihm an, wie wichtig es ihm war, dass dieses Codeword eingeführt wurde und wir es zumindest versuchten.

"Okay, was schlägst du vor?"

Überlegend biss er sich auf die Lippe, schob diese dann Schmollmund-artig hervor, bis ich ein mir bekanntes Glitzern in seinen Augen sah, welches mir signalisierte, dass er eine Erkenntnis bekommen hatte.

"Wie wäre es zu Beginn mit dem Ampelsystem? Ganz einfach zu merken. Grün ist gut, gelb gerade noch okay und rot heißt Stopp. Wenn es nicht funktioniert, dann können wir uns ja etwas anderes überlegen, aber für den Anfang möchte ich es eher einfach halten. Was sagst du?", wollte er meine Meinung dazu hören.

"Ich mag die Idee", äußerte ich mich ehrlich.

Ich wollte im Ernstfall nicht lange überlegen müssen, wie das Codeword lautete, weshalb eine der einfachsten Varianten wohl vorerst die beste war.

"Dann haben wir einen Deal?", fragte ich im Bezug auf das gesamte Gespräch.

Ich meinte es ernst, dass wir nach solchen Ernstfällen definitiv reflektieren sollten, denn wenn wir jedes Mal in die Lage kommen, dass ich beispielsweise schmollen und Taehyung trauern würde, dann kämen wir nie voran.

Reflexion war der beste Weg, um Lösungen zu finden und ebenso nicht nur die schlechten Dinge in den Vordergrund zu stellen. Er musste auch sehen, dass er etwas gut machte, denn der Lob und Zuspruch würde seine Motivation positiv antreiben und ihm einen Teil des schlechten Gewissens nehmen, ihn besänftigen.

Lächelnd sah ich dabei zu, wie er sich an meine Brust drückte und diese mit zärtlichen Kissen bedeckte.

Ich war stolz darauf, dass wir wirklich zusammenarbeiten konnten.

Trotzdessen war mir bange wegen des morgigen Treffens.

Bereits zum Vormittag würden wir uns mit meinen Brüdern treffen und ein spätes Frühstück zu uns nehmen, wozu wir uns im Café verabredeten.

Danach war es unser Plan, gemeinsam mit Woongs Wagen für anderthalb Stunden nach Busan zu fahren, um Taehyung meine Heimatstadt zu zeigen und am Abend zu unseren Eltern zu fahren.

Zwar wusste ich bereits, dass meine Eltern kaum positiv reagieren würden und dazu hatte ich meine Brüder, Freunde und Taehyung im Rücken, sogar Taehyungs Familie stand mir bei, doch ich war mir auch dessen bewusst, dass dieses eine Geständniss alles verändern wird. Danach würde es kein Zurück mehr geben.

Diese Entscheidung zu treffen war dennoch kein Fehler und er würde auch keiner sein, selbst wenn es morgen ausarten würde.

Ich war nicht mehr allein und das war alles, was zählte.

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