Flügel

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In der ferne ertönte das Flattern zarter Flügel und riss mich aus den Gedanken. Ich sah zum Himmel und konnte beobachten, wie ein zarter, schmaler Vogel über den Himmel glitt. Es war noch etwas zu dunkel, um genau zu erkennen, was es war, allerdings erschien sein Gefieder so hell, dass licht von ihm reflektiert wurde. Ein schauer begann mir über den Rücken zu krabbeln. Vielleicht mach ich lieber das Fenster zu.

Langsam schlüpfte ich wieder in mein Zimmer und schloss das Fenster. Der Vogel war wieder verschwunden. Ich schenkte ihm keine weitere Beachtung. Mein Körper hatte sich soweit wieder beruhigt und ich konnte mich wieder halbwegs entspannt auf meinem Bett ausstrecken. Am besten ich schlaf noch etwas. Ich muss heute eh nicht in die Schule, also kann ich den versäumten schlaf der letzten Wochen nachholen.

Der Termin, den ich an dem Tag bei meiner Frauenärztin hatte war wieder etwa zu selben Zeit wie beim letzten mal und meine Mutter hatte beschlossen mich heute Daheim zu lassen, da es für sie dann einfacher war mich abzuholen. Ich hatte auch nicht wirklich etwas dagegen gehabt, so blieb mir wenigstens die ganze Scharade erspart. Der einzige Nachteil war, das ich Briseis nicht sah und sie mich sicher morgen wieder bis zum geht nicht mehr mit Fragen löchern würde, sowohl über den Termin, als auch über den Vater des Kindes. Ich weiß nicht, ob ich das schon mal erwähnt hatte, doch sie war sehr daran interessiert heraus zu finden, wer mich dann geschwängert hatte. So gut es allerdings ging versuchte ich das als mein persönliches Geheimnis zu waren. Meinen Eltern hatte ich auch nichts davon erzählt, obwohl sie es sicher wissen wollten. Ich wollte aber nicht das irgendwer begann über Gabriel zu urteilen und so meine Erinnerung zu verändern. Es sollte in meinem Kopf alles so bleiben, wie es zuvor schon gewesen war. Die Meinung von anderen würde da nur stören. 

Auch wenn es vermutlich in der früh ziemlich schnell wieder warm werden würde, so kroch ich doch wieder unter meine Sommerdeck. Ich wickelte sie fest um meinen Köper und drückte meinen Kopf in den Polster. Eine ganze Weile lag ich noch wach da und drehte mich wieder so, dass ich aus dem Fenster sehen konnte. Keine Wolke war am Himmel und ich konnte den Mond sehen. Er war schon beinah wieder voll. Bald ist wieder Vollmond.

Langsam begannen meine Gedanken wieder zu meiner letzten Nacht mit Gabriel zu entschwinden. Als ich aus dem Wagen gegangen bin, um nach Gabriel zu suchen, ist mir damals erst aufgefallen, dass Vollmond war. Schon komisch irgendwie...immerhin war ich davor so oft Nachts draußen gewesen. Allerdings immer nur mit Gabriel. Ich war einfach zu abgelenkt gewesen, um es zu bemerken.

Langsam begannen meine Lieder schwerer zu werden. Mein Körper schien noch tiefer in die Matratze zu sinken und mein Kopf wurde ganz schwer. Langsam glitten meine Augen zu. Alles um mich herum wurde still und dunkel.

Mit einem großen Knall und lautem Klirren fiel eine Vase auf den Boden und zerbrach in tausend kleine Scherben.

„So ein Mist!" Raphaels Stimme hallte laut durch den Raum, sonst blieb es still. Mit viel Kraft zog Raphael seine Finger wieder aus der Tischkante, in die er sie zuvor reingeschlagen hatte, um seine Wut etwas unter Kontrolle zu bringen. Eigentlich sah man ihn nur selten so die Kontrolle verlieren, doch der Frust hatte nun eine Zeit gehabt um sich anzustauen. Als sie das laute Klirren und knallen gehört hatte war Magaretha sofort in den Raum gestürmt. Ihr bot sich nun ein äußerst ungewöhnliches und seltenes Bild. Raphael, der hinter seinem komplett leergeräumten Schreibtisch stand, und vor ihm ein Dienstbote, der zitternd und wie zur Salzsäule erfroren dastand. Auch wenn sie nicht genau wusste, was passiert war, so schritt sie sofort mit festen Schritten zu Raphael. Ihrer Meinung nach hatte er es in den letzten Wochen schon viel zu weit getrieben. Lange würde das nicht mehr unbemerkt bleiben. 


Als ihre Schritte in dem hohen Raum halten, drehte sich der Bote sofort herum und sah sie mit einem kreidebleichem Gesicht an. 
„Was ist den hier los. Raphael!" Sie versuchte ihre Stimme zu beherrschen, doch so recht klappte es dann doch nicht. Ungehindert von Raphaels finsteren Blick lief sie weiter und bleib erst stehen, als der Tisch den Saum ihres Kleides berührte. Sie wollte Raphael zu Vernunft bringen, doch zuerst drehte sie sich nach hinten um und sah zu dem verängstigten Boten. 
„Du kannst jetzt gehen. Deine Dienste werden nicht mehr gebraucht." Sie senkte ihren Kopf ein Stück, um sich in aller Höflichkeit bei ihm zu bedanken und gleichzeitig auch zu entschuldigen. Der Bote verneigte sich schnell vor der jungen Dame und dem Herren und verschwand dann so schnell es ging aus dem Raum. Magaretha wartete noch bis die Tür zuviel.
„Sag Raphael, bist du von allen guten Geistern verlassen. Was gibt dir den anlassen alles hier wutentbrannt zu Boden zu werfen!?" Mit Funken sprühenden Augen sah er Magaretha an. Sie ließ sich allerdings von seiner Wut nicht so leicht einschüchtern wie der nieder Bote. Er wusste, dass sich Magaretha sehr wohl der Gefahr bewusst war, der sie sich nun aussetzte. Sie schien allerdings einfach in kauf zu nehmen. Irgendwann gab er es dann auf und wendete seinen Blick ab. Manchmal war alles hier so leit. Er wusste aber auch, wenn er sich weiter so zu solchen Handlungen verleiten ließ, dann würde er das hier auch bald nicht mehr erleiden müssen. Ob er dann überhaupt noch leiden könnte ist allerdings fraglich. 
„Ich habe keine Lust mich andauernd dir gegenüber rechtfertigen zu müssen." Langsam bekam er sich wieder in den Griff und schaffte es auch seiner Stimme wieder seine typische Kälte zu geben. Magaretha ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken.
„Dann unterlass dieses sture Verhalten und beginn dich wieder wie ein Mann deines Standes zu verhalten." Er gab nur ein müdes seufzten von sich und trat von dem Tisch hervor. Das Chaos, dass er dabei angerichtet hatte, ließ er allerdings unbeachtet, als hätte er nichts damit zu tuen. 
„Nun, willst du nicht mal erklären, was hier eigentlich los ist?" Magaretha würde nicht ruhe geben, bis er alles erklärt hätte, dass wussten beide. Raphael ging langsam mit bedachte Schritten weiter durch den Raum und blieb nur ein paar Schritte vor der Tür stehen. 
„Es gibt Veränderungen, die nicht so ausgelaufen sind wie geplant." Magaretha begann sich anzuspannen. Es war wieder das Thema, dass seit Wochen nicht mehr aus Raphaels Kopf zu verbannen war und auch wenn Magaretha es nicht zugegeben hätte, so beschäftigte auch sie dieses Mädchen. Sie war vermutlich eine größere Bedrohung, als zunächst von allen vermutet wurde. Es war ein Fehler gewesen sie zu unterschätzen. Er hatte das nicht und nun hatte er einen klaren Vorsprung dadurch.
„Sie weigert sich immer noch das Kind abzutreiben." 
„Hast du nicht versuchst ihr ins Gewissen zu reden?" Magaretha versuchte sachlich zu klingen, wenn man allerdings genau hinhörte, dann konnte man hören, wie ihr Kopf begann zu arbeiten. 
„Sie hört nicht auf mich. Das Dunkle in ihr ist schon zu stark und sie hängt viel zu sehr an dem Kind. Sie wird es nicht freiwillig aufgeben." 
„Es war beinahe schon zu erwarten... und dennoch hättest du nicht so ausrasten müssen." In Magarethas Stimme konnte man ganz klar einen Vorwurf heraus hören.
„Das war nicht der einzige Grund." 
„Was könnte es sonst gewesen sein." Ohne wirklich auf ihre Frage zu antworten begann sich Raphael wieder in Bewegung zu setzten. Mit einem festen Stoß öffnete er die Flügeltür und verließ den Raum. Magaretha machte sich sofort daran ihm zu folgen. Mit langsamen, aber dennoch leicht angespannten Schritten lief Raphael einen langen Gang entlang. Magaretha folgte ihm mit etwas abstand. 
Vor einer Tür blieb er schließlich stehen. Ein erneuter kräftiger Stoß öffnete auch diese Tür. Zusammen mit Magaretha betrat er den Raum. Zielstrebig ging er an zahlreichen der hohen Fenster vorbei und schenkten ihnen nichtmal ein bisschen Beachtung. Vor einem der letzten Fenster in der Reihe blieb er dann stehen und sah gedankenverloren hinein. Magaretha kannte dieses Fenster. Vor ein paar Wochen hatte sie ihn ebenfalls davor angetroffen. Langsam ging sie den Weg entlang und sah immer wieder in die verschiedenen Fenster. Jedes von ihnen bildete das Tor zu einer eigenen Geschichte. Neben Raphael blieb sie dann stehen und sah ebenfalls aus dem Fenster. Wie zuvor geahnt stand sie nun genau vor jenem Fenster.
„Und was..." Ehe sie ihre Frage zu ende stellen konnte, wurde sie von Raphael unterbrochen. Er machte eine sachte Kopfbewegung in Richtung des Fensters. 
„Sieh selbst." Skeptisch wand sie ihren Blick wieder dem Fenster zu. Vor ihren Augen begann sich langsam ein Bild zu formen. Magaretha hielt für einen Moment den Atem an. 
„Unmöglich...das...das kann doch nicht sein!" Nun verstand Magaretha sehr gut, wieso Raphael zuvor so aus der Haut gefahren war. Beiden war nun klar, dass so schnell wie möglich etwas getan werden musste. Sie hatten die Geschehnisse zulange nur beobachtet. Sie musste nun handeln, bevor auch die letzte Chance verspielt war. 
„Nun verstehst du es." Sein Blick war ernst und fokussiert.
„Wir müssen handeln." 
„Und zwar bald sonst steuern wir auf ein großes Problem zu."

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