Kein Wasser aus dem Hahn II

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Das Dröhnen in meinen Ohren wurde immer schlimmer, bis ich wirklich befürchtete er würde explodieren. Der Raum hatte sich nun komplett mit diesem widerlichen Geruch gefüllt und füllte nun auch meine Lungen. Ich begann zu husten und zu würgen, um dieses beinahe schon Gift aus meinen Körper zu bekommen. 

Sie folgen blind einer Führung.

Wieso hasst du sie?
 
Ein weißer gefallener Engel.

Plötzlich erklang ein lauter schriller Schrei, doch es war nicht meine Stimme. Die Stimme war sehr laut und noch nicht hundertprozentig ausgebildet. Sie wurde lauter und panischer. Mein Rücken verkrampfte sich und krampfartige Schockwellen schossen durch meinen Körper. 
Der Wasserhahn lief immer noch und machte das Rauschen in meinen Ohren noch unerträglicher. Die Dauerbeschallung schien unerträglich. Meine Glieder begannen wilder zu zittern und versagten ihrem gehorsam. Schließlich schaffte ich es nicht mehr mich zu wehren. Die Barrieren begannen zu brechen und Flüssigkeit strömte meinen Hals nach oben. Zunächst noch langsam strömte eine warme, zähe Flüssigkeit aus meinem Mund. Immer mehr floss heraus und sammelte sich auf den Boden. Die Flüssigkeit war pechschwarz und roch etwas süßlicher, als die Substanz aus dem Hahn und auf meinen Händen. Ein kleiner schwarze See begann sich unter mir zu bilden. Langsam wurde der Fleck größer und begann in die Rillen zwischen den Fliesen zu rinnen. Eine schwarze Rinnsale wanderte mein Kinn hinunter und tropfte langsam auf meine Hände. Die Gerüche begannen sich in der Luft zu vermischen und in meiner Nasenöle zu brennen. Das Kind. Es schreit immer noch.

Mein Blick wurde langsam unscharf und ließ mein Bewusstsein langsam schwinden. Der schwarze Saft lief immer weiter aus meinem Mund und schien meinen Hals wie Säure zu verätzen. Das Gift muss raus.

Plötzlich hörte ich das knarren der hölzernen Wagentür. Ich riss den Kopf herum und blickte in zwei erstaunte braune Augen. Mit steifen Nachken drehte ich meinen Kopf wieder Richtung des Bodens und ließ einen neuen Schwall der schwarzen Flüssigkeit aus meinem Mund. Widerlich!

Mit einem Mal verstummte der Hahn und im nächsten Moment legte mir jemand eine Hand auf den Rücken. Sie war warm und ganz ruhig, genau wie auch ihre Stimme:

„Ganz ruhig. Versuch dich zu entspannen." Leichter gesagt als getan.

Langsam wurde der Flur weniger und ich konnte wieder richtig Luft holen. Die letzten Tropfen fielen aus meinem Mund. Die Konturen wurden langsam wieder schärfer und das Zittern wurde weniger. Um mich herum wurde es ruhig. Nur die Präsenz einer dritten Person machte mich nervös. Es war nicht besonders schwer zu erraten, wer nun zu uns gestoßen war und auch die Hand und die Stimme hatte ich bereits erkannt. Um mich herum war nun wieder alles ganz klar. Vor mir lag nun kein kleiner schwarzer See mehr. An dessen Stelle sah man nun eine etwas dickflüssige orange Flüssigkeit in der noch teilweise unverdaute Reste meines Mittagessen schwammen. Auch dieser widerliche Geruch war verschwunden. 
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah nun Briseis direkt an. Ihre Augen strahlten tiefe Sorge, aber auch einen Hauch von Erleichterung, aus. Mein Blick wanderte weiter, zu der nicht ganz offen stehenden Tür. In ihr stand jemand, der meine Sicht nach draußen blockierte. Ich erkannte die schmale Statur sofort. Es war Gabriel der in ihr stand.
Sein Blick lag wachsam auf mir und es schien, als würde er auf etwas bestimmtes warten. Mit tauben und erschöpften Gliedern versuchte ich mich langsam aufzurichten. Ich konnte hören, wie Briseis neben mir begann Einwende zu erheben. Diese ließ ich allerdings an mir vorbei ziehen, zu stark waren all dieser Erinnerung in diesem Moment. Mein Geist war bereits in einen grauen Schleier gehüllt und war nicht mehr wirklich klar. Ich handelte aus einem mir unbekannten Beweggrund. Als ich ihn allerdings in die Augen sah schien es mir als würde ich ihm nach einer Ewigkeit Wiedersehen. Gemischte Gefühle keimten in mir hoch und ich wusste nicht wie sie zu ihm passten. Sie schienen nicht zu ihm zu passen und dennoch konnte ich sie ganz genau in mir spüren. Meine Beine zitterten und gaben auch für weniger als eine Sekunde nach. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und legte sie auf seine Brust. Es ist ganz sauber. Keine Flecken. Irgendetwas fehlt.

Ich drückte meine Hand fester gegen seine Brust. Vorsichtig strich ich dann darüber und begann nach kleinen Unstimmigkeit entlang der Oberfläche zu suchen. 

„Wieso kann sie dich sehen." Das Bild vor meinen Augen begann zu schwanken und es wurde schwarz. Die Kraft wich aus meinem Köper und ich sackte zusammen. Schützend fingen mich zwei Arme auf und bewahrten mich vor dem Sturz.

Du musst besser aufpassen, kleine Prinzessin. Deine Welt steckt voller gefahren und irgendwann wird dich die Wirklichkeit einholen.

Als ich wieder zu Bewusstsein kam fühlte sich mein Kopf an, als hätte ihn jemand in Watte gepackt. Meine Arme und Beine begannen zu prickeln. Schnell riss ich die Augenlieder auf und sah auf eine bekannte Decke. Ich bin hier schon einmal gelegen.

Ich lag auf einer relativ weichen Matratze, die sich an mich schmiegte. Darüber eine Decke. Sie war dünn und dennoch ganz weich. Meine Hände lagen auf der Decke verschränkt und auch meine Beine waren bei meinen Knöcheln übereinander gelegt. Ich begann meine Schultern etwas zu bewegen und meine Arme und Beine etwas voneinander zu lösen. Ich zog meine Arme parallel zu meinem Oberkörper und winkelte sie an. Langsam richtete ich mich auf und sah mich etwas um. Direkt über dem Bett in dem ich lag befand sich ein Fenster, dass Licht direkt auf mich hinunter fallen ließ. Gegenüber stand ein Tisch mit Spiegel und ein Stuhl, auf dem ich bereits gesessen hatte. Ich bin in Gabriels Wagen.

Erneut drückte ich eine Hand gegen meine Schläfe, als es wieder leicht zu brummen begann. Das Geschehen von zuvor stand mir noch Lebhaft vor Augen und auch der Geruch brannte mir noch leicht in der Nase. Ich bemerkte gar nicht wie die Türe sich öffnete, doch ich konnte spüren wie langsam etwas näher auf mich zu kam. Etwas in mir hoffte es wäre Gabriel, doch es war Briseis, die nun vor meinem Bett stand. 

„Na endlich bist du wieder wach!" Briseis klang erleichtert, was ihr Gesicht nur noch unter strich. Ich strich mir kurz müde über die Augen und sah sie dann wieder an.

„Wie lange...habe ich eigentlich geschlafen?" 

„Fast zwei Stunden. Ich hab mir schon begonnen sorgen zu machen." Briseis sank neben mir aufs Bett und nahm mich kurz in die Arme. Etwas schien Briseis sorgen zu machen, dass konnte ich ihr ansehen, doch ich fragte sie nicht.

„Kannst du dich eigentlich noch an alles Erinnern?" An zu viel vielleicht.

„Ja...ich bin zufällig auf den Toilettenwagen gestoßen und wollte mir dort eigentlich nur die Hände waschen....Mir wurde plötzlich ganz schlecht. Die Zeit hatte allerdings nicht mehr für den Lauf zur Toilette gereicht." Ich versuchte so unschuldig wie möglich zu lächeln, doch dann begann mir doch eine Frage auf der Zunge zu brennen.

„Wie hast du mich eigentlich gefunden?" Briseis schien kurz zu überlegen. 

„Als ich wieder aus dem Busch hervorgekommen bin und du nicht mehr da warst, bin ich dich suchen gegangen. Dabei stieß ich wieder auf Markus, der hat mir dann auch den Wagen gezeigt." Sie blieb kurz still.

„Nachdem du beim Essen verschwunden warst habe ich mir begonnen sorgen zu machen. Gabriel und ich haben uns dann auf die Suche nach dir gemacht. Du liefst nirgendwo herum, also teilten Gabriel und ich uns auf. Ich lief zu dem Wagen, dort hab ich dich dann gefunden. Du bist am Boden gekniet und hast dich übergeben, ziemlich bald nach mir kam dann auch schon Gabriel rein." Sie wurde nachdenklich. Für einen kurzen Moment sah sie dann nach unten, bevor sie mich wieder mit ernstem Blick musterte.

„Du solltest es ihm sagen."


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