Knacken eines Baumes

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Unter seinen wachsamen Augen begann ich mich allerdings mehr und mehr unruhig zu fühlen. Gabriel sagte immer noch nichts. Ich hätte gerne etwas gesagt, doch ich wusste nicht so genau was ich tuen sollte.

Vorsichtig ging ich noch einen weiteren Schritt auf ihn zu und sah wie sich etwas an seinem Blick zu verändern begann. Irgendwie wurde der Blick in seinen Augen etwas weicher. 

„Du kannst das wirklich gut, mit den Tüchern und so..." Ja wirklich poetisch.
Gabriel begann sich langsam zu bewegen und kam auf mich zu. Sein Körper kam den meinen viel näher und mein Herz begann sofort schneller zu schlagen. Mein Atem blieb mir schwer im Hals stecken und ich musste ihn einmal beinahe brachial aus meinen Lungen drücken. Ich tat dies aber trotz Atemnot eher langsam, damit es ihm nicht so auffiel. Er stand nun direkt vor mir und ich konnte seinen Atem ganz sanft auf meinen Wangen spüren. In meinem Magen begann es zu kribbeln und ich verspürte den Drang mich nur einen Millimeter nach vorne zu beugen. Es wäre so einfach.


Es schien beinahe so, als erkannte Gabriel meine Absichten und wollte mir zuvor kommen. Er überwand an meiner Stelle die letzten Millimeter und ließ mich wieder einmal seine warmen Lippen spüren. Unsere Lippen begannen sich ganz langsam im Einklang zu bewegen. Irgendwie fühlt es sich komisch an hier mitten in der Manege zu stehen und ihn zu küssen. Vor allem wenn die anderen hinter uns stehen und sicher alles ganz genau zu beobachten.

Ich konnte spüren wie er begann gegen meine Lippen zu lächeln und sich dann langsam von meinen Lippen zu lösen. Meine Wangen begannen leicht zu brennen und ich sah nach unten. Ihn hörte ich derweil dumpf lachen. Ich wagte einen Blick nach oben und sah wie Gabriel mich nun anstrahle. 

„Hallo."

„Ich find das gar nicht so lustig." Ich begann etwas gespielt zu schmollen und bemerkte deshalb auch nicht sofort, dass er sich zu mir nach vorne geneigt hatte und mir ganz leise etwas ins Ohr flüsterte.


„Ich schon." Er begann wieder etwas zu schmunzeln.


„Vielleicht lernst du ja etwas daraus und bespitzelt mich nicht mehr heimlich." Mein Körper begann sich anzuspannen.

„Du hättest mich nur fragen müssen. Liebend gerne hätte ich dich zuschauen lassen." Seine Stimme wurden bei den letzten Worten tiefer und ließen meinen Körper erzittern. Gabriels Mund verließ mein Ohr und er begann etwas abstand zwischen uns zu bringen. Er nahm allerdings zur selben Zeit meine Hand und zog mich mit sich.

„Komm lass mich dir etwas zeigen." Seine Augen funkelten beinahe schon bedrohlich und dennoch ließ ich mich einfach mitziehen. Mit einer Hand griff er nach den beiden weißen Tüchern. Ganz sacht ließ er die seidenen Tüchern durch seine schmalen Fingern gleiten und sah währenddessen zu wie der Stoff durch seine Finger glitt. Seine Augen wanderten langsam wieder zu mir und ich konnte ein beinahe schon verräterisches Lächeln auf seinen weichen Lippen sehen. Sanft zog er mich näher an sich heran und zog auch die Tücher näher an seinen Körper. 


„Du darfst keine Angst haben." Seine Stimme war ganz weich und klang auf eine komische Art und weiße vertraut. 


Du darfst nur keine Angst haben.

Gabriel wickelt mit einer schnellen Bewegung die Tücher um seinen Körper und begann sich etwas nach oben zu hangeln. Es sah so einfach aus und dennoch wollte ich es lieber nicht ausprobieren. Gabriel lehnte sich dann nach hinten und schwebte Kopfüber über meinem Kopf. 

„Also willst du es probieren?" Ich war mir nicht sicher, ob er mir eine weitere Möglichkeit lassen würde.


„Ich weiß ja nicht." Er streckte mir seine Hand entgegen und ich legte ohne wirklich nachzudenken meine in seine. Sachte zog er meine Hand nach oben und ich musste mich etwas strecken. Seine Lippen legten sich sanft auf meinen Handrücken und ich spürte wie er ganz sanft lächelte. Langsam ließ er meine Hand dann wieder los und sank entlang der Seile wieder nach unten. Erst in diesem Moment viel mir dabei so richtig auf, dass er Barfuß war. Wieso macht dich das denn so nervös?

Als Gabriels Füße den Boden berührten streckte er schon seine Hand wieder nach mir aus und zog mich näher an sich heran.

„Hast du Lust zu fliegen?" 

Natürlich kann ich fliegen. Willst du es sehen, kleine Prinzessin?

„Gabriel?!" Die Stimme dieses Junges kommt mir bekannt vor.

„Habt..." Eine Junge trat in die Manege und nun erkannte ich wer dieser Junge war. Lysander.

„Bist du dann langsam fertig mit deiner Probe. Ein paar der anderen Artisten würden auch noch gern ein paar Nummern vor der Show proben." Auch wenn er Gabriel duzt, so hab ich doch das Gefühl, dass er sehr viel Ehrfurcht vor Gabriel hat.

„Ja. Ich verschwinde gleich." Damit verschwand Leander wieder. Gabriels Körper wirkte noch etwas angespannt. Er sah mich für einen Moment wieder an, dann lief er nach vorne. Ich natürlich direkt hinterher. Was ist den los?

Mit einer schnellen und kräftigen Bewegung trennte Gabriel die zwei hälften des Vorhanges und Markus und Briseis kamen zum Vorschein. Hoffentlich ist er nicht sauer.

Gabriel sah sie für einen Moment an, sagte aber dann nichts weiter dazu und lief an ihnen vorbei. Für nur einen Moment blieb ich stehen und versuchte mir einen Reim auf alles zu machen. Zu spät realisierte ich wieder was vor mir vorging und lief ihm weiter hinterher, als ich allerdings aus dem Zelt kam war er verschwunden. 

„Miriam! Warte doch mal." Briseis und Markus kamen aus dem Zelt, wobei nur Briseis gelaufen sein durfte. Markus war ganz ruhig.

„Gabriel ist verschwunden....Hab ich irgendetwas falsch gemacht?" Noch bevor Briseis etwas sagen konnte, um mich zu beruhigen ergriff Markus das Wort.

„Mach dir nicht zu viele Gedanken. Er mag es nur einfach nicht, wenn nicht alles nach Plan läuft. Er taucht bald wieder auf." Ich nickte vorsichtig und drehte mich wieder zu den Beiden um. Irgendwie ein komisches Gefühl.

Es verging eine halbe Stunde, ohne dass ihn jemand suchte. Noch eine Stunde und niemand außer mir schien sich sorgen zu machen. Ich hab ein komisches Gefühl.

„Miriam? Kommst du mit? Ich muss mal wieder wohin." Ich nickte und lief mit Briseis zu dem nächsten Strauch hinter den sie sich knien konnte. Während Briseis in Sträuchern verschwand stand ich etwas abseits und lehnte mich gegen einen Baum. Hoffentlich ist wirklich alles okay.

Ich schloss für einen Moment meine Augen und legte meine Hände darüber. Irgendwie erhoffte ich mir davon, dass es etwas ruhe zurück bringen würde. Sei ehrlich. Wann warst du das letzte Mal so richtig entspannt. - Ehrlich? Ich weiß es nicht mehr.


Ich begann aus der Ferne ein leises knacken zu hören und ich wurde etwas hellhörig. Es folgten noch weiter kleine Geräusche gefolgt von einem dumpfen Knall. Sofort nahm ich die Hände von meinen Augen und sah mich um. Das klang, als hätte man etwas schweres, beinahe schon bleiernes gegen einen Baum geworfen.

Als nächstes hörte ich ein dumpfes Fauchen gefolgt von einem leises Wimmern. Langsam und vorsichtig begann ich mich von dem Baum zu lösen. So gut es ging versuchte ich mich auf diese Geräusche zu konzentrieren und ihnen zu folgen. Ich lief von dem Baum weg, zum Ende des doch eher kleinen Feldes. An der einen Seite des Feldes, auf die ich gerade zusteuerte befand sich ein kleinen dicht bewachsener Waldabschnitt. Es ertönte wieder ein dumpfer knall und dann ein unterdrücktes schmerzerfülltes Stöhnen. Ich begann schneller zu werden. In der Hoffnung irgendetwas tuen zu können. Ich fand zufällig einen Weg in den Wald hinein, der nicht ganz so dicht bewachsen war, so dass ich relativ problemlos durch kam. 
Das Wimmern wurde langsam lauter und schließlich begann ich sogar ganz leicht eine bettelnde Stimme zu hören.
 
„Bitte hör auf." Es war die Stimme eines kleines Mädchens. Das ist meine kleine Stimme.

So gut es ging versuchte ich an Geschwindigkeit zuzulegen, doch ich war noch nie sehr sportlich gewesen und kam deshalb schneller als gehofft außer Atem. 

„Bitte!" Meine Stimme wurde hysterisch und sogar schon panisch. Es knallte wieder.

„ Wieso konntest du dich nicht einfach an die Regeln halten? Du machst es für uns alle einfach nur unnötig kompliziert. Genauso wie für dieses Mädchen. Warum hast du sie da mit reingezogen?" Wieder schlug Blei gegen die Rinde eines Baumes. 

„Bitte tu ihm nicht weh!" Ich klinge so schrecklich verzweifelt.
Ich versuchte so gut es ging wieder schneller zu laufen.

„Wurdest du komplett deiner Sinne beraubt!? Haben diese Biester so deinen Verstand vernebelt? Du wehrst dich nicht einmal mehr. Ein Schwächling ist aus dir geworden." Die Stimme klang sehr wütend, doch irgendwo ganz in einem der dunkelsten Flecken meiner Erinnerungen begann still und leise ein Glöckchen zu klingeln. Eine Erinnerung.

„Gabriel!" 


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