Trauerweide

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Mit meinen Sneakers rannte ich durch den beinahe schon englischen Rasen. Die Wind floss weiterhin um mich herum und bäumte immer wieder zu einer stärkeren Böe auf, flachte aber dann schnell wieder ab. Langsam ging ich um die Ecke in dem großen Garten. In meinem Blickfeld tauchte eine alte Trauerweide auf. Sie war eigentlich relativ klein, aber hoch gewachsen. Der Stamm wuchs ziemlich stark nach rechts und ging dann steil nach oben, so das eine Art Liegefläche entstand. An einem der dicken Zweige hing immer noch meine alte Holzschaukel. Wenn man es genau nahm war es eigentlich nur ein altes, grünes Holzbrett, bei dem die Farbe schon leicht abblätterte, dass an einer alten dicken Baumwollschnur hing. Ich hatte als Kind oft auf diesem Baum gespielt oder saß auf der Schaukel und versuchte die Wolken zu ergreifen. Keine Ahnung wieso ich eigentlich damit aufgehört habe.

Langsam wanderte ich näher auf Weide zu und blieb knapp vor dem Stamm stehen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf den dünnen Stamm. Die Rinde war nicht ganz so rau, wie bei den anderen Bäumen in dem Garten meiner Oma. Als Kind mochte ich das sehr gerne, weil es sich nicht so rau auf meiner Haut anfühlte und es so leichter für mich war lange Zeit darauf herum zu klettern. 
Mein Blick wanderte langsam nach oben, hinauf zu dem lichten Blattwerk. Ich fand es schon immer komisch, wie die Blätter dieses Baumes aussahen. Sie waren so ganz anders, als die Bäume, dich ich als kleines Kind sonst so kannte. Vielleicht war es das was mich immer so mit diesem Baum verband.

Ich setzte mich wieder in Bewegung und strich mit meinen Finger entlang der Oberfläche des Stammes und der Äste. So ging ich zur Schaukel und ließ mich darauf nieder. Sofort als ich auf ihr saß begannen Erinnerungen in mir zu neuem Leben zu erwachen. Kindliches lachen hallte in meinen Ohren und ich begann vor meinem geistigen Auge ein kleines Mädchen zu sehen, dass auf der grünen Schaukel hin und her schwang. Ihr türkises Kleid hing etwas über das Brett und schwang mit. Nun begann auch ich zu schaukeln. Zunächst war es eher so ein leichtes Wippen mit den Füßen, dass mich zu schwingen brachte, doch langsam begann ich mich immer stärker anzutauchen. Einzelne Blätter begannen an meinen Beinen zu kitzeln und der Wind blies mein Haar nach rechts. 

Das Mädchen, dass ich vor mir sah, schwang immer noch relativ sanft und mir geringen Schwung. Ihre Beine reichten noch nicht bis zum Boden, weshalb eine zweite Person sie antauchen musste. Ich erkannte die zarten Hände, die die Schaukel anschubsten. Mami.

Auch sie lachte leise mit dem kleinen Mädchen. Dunkel konnte ich mich an diesen Tag erinnern, doch etwas stimmte in diesem Bild einfach nicht. Zuerst konnte ich nicht so recht sagen, was es war, also beobachtete ich sie einfach still weiter. Schließlich viel es mir dann auf. Meine Mutter wirkte in diesem Bild nicht viel älter, als jetzt und dabei war diese Erinnerung sicher schon um die 13, 14 Jahre alt. Auch etwas an dem kleinen Mädchen stimmte nicht so recht. Ihre Haare waren viel zu dunkel. Ich hatte als ich klein war, zumindest auf den Fotos und in meiner Erinnerung helleres Haar gehabt, als jetzt. Sie waren schon beinahe blond gewesen, über die Jahre waren sie allerdings dunkler geworden. Die Haare von dem Mädchen in meiner Erinnerung hatte allerdings auf den ersten Blick beinahe schwarzes Haar. Nur wenn das Licht direkt darauf schien erkannte man, dass es einen leichten dunkelbraunen Schimmer hatte. Ich begann mich genauer auf einzelne Fehler im Bild zu konzentrieren und bemerkte, allerdings relativ spät, dass mir das Lachen des Mädchens eigenartig vertraut vorkam. Ich hatte es schon öfter gehört und als ich mich begann zu erinnern begann auch mein Herz schneller zu schlagen. Das lachen eines kleines Mädchens.

Und als hätte die Kleine mich gehört, hörte sie langsam wieder auf zu lachen und drehte ihren Kopf langsam in meine Richtung. Ich konnte ihr Gesicht nicht so genau erkennen, doch als sie mich sah, schien sie mich zu erkennen und begann zu lachen. Das Gefühl in meiner Brust begann sich zu ändern. Mir wurde ganz warm und ich meinte sogar zu spüren, wie ein kleine warme Träne über meine Wange rannte. Ich war so abgelenkt, dass ich aufgehört hatte anzutauchen und langsam ausschaukelte. Meine Finger krallten sich in das alte Seil. Wer ist dieses kleine Mädchen? Ich bin das sicher nicht, doch warum ist meine Mutter bei ihr? 

„Da bist du ja Liebling." Die etwas kratzige Stimme meiner Oma riss mich aus dieser Trance. Ich erschreckte mich sogar so stark, dass ich in folge von der schmalen Schaukel rutschte. 

„Autsch!" Ich hörte die Schritte meiner Oma und spürte dann auch schon ihre Hand die meinen Arm vorsichtig nach oben zog. Langsam stand ich wieder auf und strich mir über meinen schmerzenden Hintern. Was für ein graziler Abgang.

„Geht es dir gut?" Ich nickte.

„Ja. Ich war nur grad in Gedanken und du hast mich einwenig erschreckt." Ich lächelte sie an, um sie zu beruhigen. Sie runzelte zuerst kurz etwas die Stirn, doch dann begann sie auch wieder zu lächeln. 

„Du hast schon als du klein warst immer geträumt." Bei diesem Gedanken musst meine Oma lächeln.

„Deine Fantasy schien schon immer grenzenlos. Du hast dir dann immer tolle Geschichten ausgedacht." Nun musste ich meine Stirn runzeln. 

„Was meinst du Oma?" Sie schien etwas erstaunt.

„Erinnerst du dich denn nicht mehr?" Ich schüttelte den Kopf. Sie schien etwas nachzudenken.

„Naja du warst ja auch noch ganz klein." Meine Oma sah an mir vorbei zu dem Baum.

„Du hast immer auf diesem Baum gespielt." Sie ging an mir vorbei und legte auch eine Hand an den Stamm.

„Ich fand es immer sehr amüsant dir dabei zuzusehen und du hast mir dann auch immer tolle Geschichten erzählt." Oma erkannte anscheinend an meinem Blick, dass ich keine Ahnung hatte, was sie meinte. Sie musste daraufhin leise Lachen.

„Du hast immer von Wesen erzählt, die uns Menschen sehr ähnlich sahen, doch etwas an ihnen war anders hattest du gemeint. Wie sagtest du immer, ähm...Sie haben wunderschön geleuchtet, meintest du." Ich begann zu grübeln und versuchte mich zu erinnern, doch so rechte konnte ich das nicht.

„Ich kann mich nicht daran erinnern." Nun wurde der Blick meiner Oma etwas traurig und sie sah weg.

„Es ist ja auch wirklich schon sehr lange her..." Sie wartete eine ganze Weile bevor sie weiter sprach, doch dann begann sie wieder zu lächeln.

„Du wirktest während dieser Zeit immer so unglaublich glücklich. In dieser Zeit hast du dir dein eigene Welt gebildet. Mit deinen Freunden, die immer nicht unbedingt Menschen waren." Sie ließ ihre Hand wieder sinken und schwieg für einen kurzen Moment, dann begann sich ihre Miene wieder zu verändern. Diese leichte Melancholie verschwand komplett aus ihrem Blick und sie strahlte wieder, wie noch Minuten zuvor.

„Hast du Hunger?" Jetzt weiß ich woher meine Mutter ihre Sprunghaftigkeit bei Gesprächen hat. Ich kann mich zwar an nichts aus dieser Zeit erinnern, doch es scheint mir fast so, als hätte mir meine Oma nicht alles gesagt. Zum Glück bin ich ja noch länger hier, vielleicht quetsche ich sie zu einem späteren Zeitpunkt aus. Allerdings...bin ich mir nicht sicher, ob ich es überhaupt wissen will.

„Ja schon einwenig." 

„Komm mit. Ich mach dir etwas schönes." Ich ging meiner Oma hinterher und folgte ihr in das Haus. Von meinen Eltern war allerdings nichts mehr zu sehen. Die sind sicher oben und packen aus oder sitzen bereits wieder an ihren Computer.

Meine Oma lief weiter in die Küche. Ich setzte mich inzwischen an den Tresen, der die Küche von dem Esszimmer trennte. Meinen Kopf stütze ich auf meine Händen ab und beobachtete meine Oma. Sie war sofort zu einem Topf auf dem Herd gegangen und begann nun etwas aus diesem Topf zu schöpfen. Mhh, Nudeln.

Mit dem Teller in der Hand kam sie zu mir und stellte ihn vor mir ab, dann reichte sie mir eine Gabel und eine Serviette. Ich blickte auf den Teller und sah Makkaroni, die mit einer roten Sauce bedeckt war. 

„Hier mein Schatz."

„Danke Oma." Mit diesen Worten begann ich zu essen und wie immer bei meiner Oma schmeckte es köstlich. Ehe ich mich versah hatte ich auch schon den ganzen Teller leer gegessen. Meine Oma begann zu lächeln, als sie das sah und räumte auch gleich den Teller weg.

„Bin ich ja gar nicht mehr gewöhnt, dass du so viel isst. Naja aber du musst ja auch jetzt zwei ernähren." Daraufhin musst ich husten. Ich hatte mich beim trinken verschluckt. Meine Mama hat ihr sicher von dem Kind erzählt.

Plötzlich spürte ich kräftige Schläge gegen meinen Rücken. Ich hustete weiter, doch nach einer kurzen Weile hatte ich mich wieder erholt. Langsam wand ich meinen Blick zur Seite und sah meine Oma, in deren Augen ein leichter besorgter Schimmer lag.

„Geht es wieder." Ich nickte.

„Ich hab nur während dem Trinken gedacht und mich dann verschluckt." Meine Oma nickte und ging wieder in die Küche. 

„Wie geht es dir eigentlich so mit dem Kind?" Die Stimme meiner Oma klang etwas angespannt. Ich versuchte so cool wie möglich zu klingen, war mir aber nicht sicher, ob es mir so richtig gelang.

„Gut. Es verhält sich noch relativ ruhig." Ich lächelte etwas, doch meine Oma nickte nur stumm.

„Mama hat dir davon erzählt, oder?" Meine Oma schüttelte den Kopf.

„Nein, zu meiner eigenen Überraschung war es dein Vater, der mir davon erzählt hat. Er klang aufgelöst und wütend am Telefon. Ich konnte ihn nicht wirklich beruhigen, obwohl ich immer einen relativ guten Draht zu deinem Vater hatte." Meine Oma schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Er scheint ja immer noch daran zu knabbern." Bei den Gedanken an meinen Vater wurde ich etwas traurig und meine Oma schien das auch zu bemerken.

„Er wird sich schon wieder fangen. Schon als du klein warst hat er dir immer alles verziehen." Sie legte mir beschwichtigend die Hand auf die Schulter und lächelte mich sanft an.

„Ich glaube, dass es diesmal nicht so einfach ist Oma." Ich stand auf und ging von dem Tresen weg. 

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Hallo Leutchens,

Und mal wieder die nächsten tausend, dass wird ja fast schon zur Gewohnheit :D
Auf jedenfall wie immer vielen dank fürs Lesen und für die Stimmen.

Hoffentlich gefällt euch das Kapitel. ^^
Erinnert ihr euch eigentlich noch an die Oma? Ich hatte sie nämlich schon fast wieder vergessen und bin mehr durch Zufall wieder auf sie gestoßen. Wahrscheinlich wird sie in nächster Zeit wieder öfter auftauchen, aber ich bin mir noch nicht so sicher...

Wenn ihr wollt könnt ihr wie immer gerne Kommentare da lassen 

Mini<3

Pregnant Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt