Vergessen

530 33 0
                                    

Die Dunkelheit schlang ihre Arme fest um uns und brachte Kälte mit sich. Ich zog den Reisverschluss der Lederjacke zu und versuchte so die Kälte nicht an mich heran zu lassen. Briseis ging schweigend neben mir her und schien in Gedanken versunken. Es war irgendwie ein eigenartige Stimmung, obwohl nichts besonders eigenartiges passiert war. Mein Herz hatte sich immer noch nicht beruhigt und schon bei dem leisesten Gedanken an Gabriel begann es wieder hektisch zu schlagen. Seine Geliebte. 

Bei den Worten konnte ich mir dann doch ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Für einen Moment schien alles normal zu sein. Ich konnte mir zumindest eine kleine Weile so tuen, als wäre ich ein normales Mädchen. Mein erster Freund. Die Schmetterlinge in meinem Bauch. Das ganze Programm. Es hätte alles so schön seien können.

„Miriam?" Nicht zum ersten Mal heute wedelte Briseis Hand vor meinem Gesicht. Ich glitt langsam wieder aus meinen Gedanken und drehte meinen Kopf zur Seite.

„Wir sind da." Ich sah aus dem Fenster und erkannte die Einfahrt zum Haus, in dem Briseis Oma wohnte. Ich schnallte mich ab und stieg schon etwas übermüdet aus dem Auto. Briseis und ihre Oma warteten bereits auf mich. Ein paar Minuten später und wir befanden uns in der Wohnung, wo Briseis dann auch meinen Arm ergriff und mich in die Richtung unseres Zimmers zog.

„Gute Nacht Oma." rief Briseis noch ihrer Oma hinterher, bevor sie mit mir im Zimmer verschwand. Leicht irritiert stand ich dann da und wartete darauf, dass Briseis mir erklärte was das eben gewesen war. Sie zog mich allerdings weiter und platzierte mich auf dem Bett. Mit meinem Rücken saß ich nun zur Wand und Briseis mir gegenüber.

„Okay, jetzt erzähl schon. Wie wars." Sie begann wieder zu grinsen und mich hoffnungsvoll anzusehen. Ich musste schlucken und spürte wie ich etwas rot wurde. 

„Ähm...Wir haben nur geredet." Sie begann noch breiter zu lächeln und ich wurde noch röter.

„Vielleicht haben wir uns auch geküsst, aber mehr ist nicht passiert." Ich hob verteidigend die Hände und versuchte sie so davon abzuhalten noch auf dumme Gedanken zu kommen. Sie begann aber nur ein kleines Stückchen breiter zu lächeln, dann sah ich allerdings etwas in ihren Augen aufleuchten.

„Hast du es ihm eigentlich gesagt?" Gesagt? Was soll ich ihm....

Mit einem Mal fiel es mir wieder ein und das schöne Gefühl wich, wie die Luft aus einem Ballon, aus meinem Körper. Die Schwangerschaft.

Während unserer ganzen gemeinsamen Zeit hatte ich nicht einmal daran gedacht es ihm zu sagen. Ich war von dem allen so abgelenkt gewesen. Ich legte eine Hand rasch über meinen Mund um die Reaktion etwas zu verbergen.
 Langsam begann ich dann auch den Kopf zu schütteln. Briseis Lächeln wurde immer kleiner bis es beinahe ganz verschwand. 

„Ich habe komplett darauf vergessen es ihm zu sagen. In dem Moment hab ich einfach nicht daran gedacht....Ich sollte es ihm aber sagen." Den letzten Satz sagte ich dann eher zu mir selbst als wirklich zu Briseis. Ich begann unbewusst meine Lippe zwischen meine Zähne zu ziehen. Jetzt bin ich wieder nervös.

Briseis nahm meine Hände und legte ihre schützend darüber. Ihre Hände sind schön warm.

„Steiger dich da jetzt bloß nicht rein. Du kannst es ihm ja morgen sagen." 

„Ja. Ich werd es ihm morgen sagen." Briseis nickte nun. Ich krabbelte nach einer Weile an Brises vorbei und aus dem Bett. Ich wollte mich umziehen und nur noch ins Bett, denn die Müdigkeit legte sich wie Gewichte auf meine Glieder. Langsam bewegte ich mich dann auf meinen Rucksack zu auf dem ein Haufen meiner Kleidung lag. Ich fischte mir frische Unterwäsche raus und ein T-Shirt mit ein paar Shorts. Im Hintergrund hörte ich währenddessen wie Briseis ebenfalls vom Bett stieg.

„Ich werd mich schnell umziehen und glaub ich dann ins Bett gehen. Irgendwie bin ich voll fertig." Briseis ging in Richtung Tür.

„Ich denk, dass mach ich auch. War ja ziemlich anstrengend heute...Triffst du dich eigentlich morgen wieder mit ihm." Ich nickte und musste wieder etwas lächeln. Sie erwiderte es und verschwand dann durch die Tür. Hinter ihr Schloss ich sie wieder und zog mich um. Morgen sehe ich ihn wieder.

Am nächsten Morgen wachte ich bereits um fünf Uhr auf. Ich war aus einem Traum heraus geschreckt. Mit weit aufgerissen Augen lag ich nun im Bett und starrte an die Decke. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah Briseis. Sie lag zusammen gerollt neben mir und schlief noch selig. Ich sollte am besten auch noch etwas schlafen.

Ich drehte mich etwas herum und schloss wieder die Augen. Eine ganze Weile gab ich mich noch der Illusion hin, dass ich wieder einschlafen würde. Irgendwann öffnete ich meine Augen wieder und starrte ins dunkle. Frustrierend.
Viel konnte ich im Moment nicht machen und begann mich in meine Gedanken zurück zu ziehen. Schon komisch. Ich glaub das ist das erste mal seit Wochen, dass ich mich nicht wirklich an meinen Traum erinnern kann. Nur so einzelne Szenen hab ich so richtig noch in Erinnerung.

Ein leises brummen erregte meine Aufmerksamkeit. Ich drehte mich leicht zur Seite und sah wie Briseis begann sich etwas zu bewegen und die Augen zusammen zu kneifen. Zuerst dachte ich sie hätte vielleicht etwas gekitzelt und sie würde deshalb das Gesicht so zusammenkneifen, doch sie entspannte sich nicht wieder. Langsam drehte ich mich ganz herum und betrachtete Briseis genauer. Sie begann wieder so eigenartig zu brummen und die Stirn noch mehr in Falten zu legen. Was hat sie denn?


Mit einem Mal spürte ich eine ganz leichte Gänsehaut über meine Arme wandern. Warum ist es hier plötzlich so kalt?

Briseis Geräusche wurden langsam lauter und ihr Körper begann sich mehr zu verkrampfen. Ich setzte mich schnell auf und spürte einen eisigen Wind, der mir entgegen kam. Ich sah mich um, doch fand keinen Grund für den Wind und die Kälte. Plötzlich hörte ich einen unterdrückten Schrei. Meinen Kopf sprang herum und sah Briseis die nun ausgewickelt auf dem Bett lag. Sie winselte leise und zuckte immer wieder.


„Briseis?" Langsam streckte ich meine Hand aus und legte sie Briseis auf die Schulter. Als hätte sie sich verbrannt schrie sie plötzlich auf. Meine Hand zog ich sofort zurück und sah verwirrt zu ihr hinunter. Was ist den hier los?

Die Kälte in dem Raum wurde immer stärker und begann sich an meinen Körper zu hängen. Vor meinen Augen begann sich sogar mein Atem sichtbar zu machen. Kkkalt...


Ein Ruck fuhr durch das Bett und ließ mich zusammen zucken. Briseis riss die Augen auf und starrte, beinahe schon abwesend, an die Decke. Die Schreie hatten aufgehört und auch ihr Körper war nicht mehr ganz so verkrampft. 


„Briseis? Geht es dir gut?" Sie Antwortete mir nicht und sah mich auch nicht an. Etwas an der gesamten Situation gefiel mir nicht. Ich wich etwas zurück, als sich Briseis plötzlich zu Bewegen begann. Ihr Körper setzte sich in einer geraden Linie auf, die Arme schien allerdings etwas Leblos. Sicherheitshalber wich ich noch ein kleines bisschen zurück. Ich saß nun ganz knapp an der Bettkante.
Briseis drehte ihren Kopf mechanisch in meine Richtung und sah mich aus leeren Augen. Das weiß ihrer Augen hatte ihre Iris komplett verdeckt, so dass sie einfach nur noch komplett weiß waren, selbst die kleinen Adern, die man sonst bei ihr manchmal sah waren nun verschwunden. Es sah einfach nur falsch aus.


„Briseis..?" Meine Stimme war ganz leise, da ich zugegebener weise doch etwas angst hatte.

„Du musst dich erinnern." Das ist nicht Briseis Stimme!

Sie klang ganz anders als Briseis. Es fühlte sich an, als würden Stimmen von zahlreichen Menschen übereinander gelegt werden. Es waren allerdings nicht alle beim Sprechen gleich schnell weshalb eine Art Verschiebung entstand. Die Stimme dröhnte dadurch einwenig in meinem Kopf.

„Die Erinnerung wird dir helfen nicht zu verfallen. Du musst widerstehen." Briseis Lippen begann sich blau zu verfärben und eine leichte Schicht Eis schien sich auf ihnen zu bilden. Immer mehr Eis legte sich über ihren Körper. So kalt.

„Erinnere dich!" Briseis Körper sankt ruckartig zu mir nach vorne. Intuitiv wollte ich aus Schreck zurück zu weichen, doch ich vergaß, dass ich das Ende des Bettes bereits erreicht hatte. Ich verlor den Halt und fiel vom Bett.


Pregnant Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt