Der Wind begann wieder stärker zu werden und eine leichte Gänsehaut krabbelte mir dann schon die Arme hoch. Ich versuchte mir allerdings nichts anmerken zu lassen. Plötzlich höre ich neben mir ein leises Rascheln und sah zur Seite. Briseis hatte sich wieder zu mir gedreht.
„Kann ich dir noch eine Frage stellen?"
„Öhm...sicher." Ich beantworte eh nichts, wenn ich nicht will.
„Auch wenn es vielleicht etwas unangenehm ist?" Ich nickte nur und wurde doch etwas nervös.
„Okay, also...ich wollte nur wissen wie du dir eigentlich sicher sein kannst, dass dich der Typ eigentlich nicht nur ausgenutzt hat." Mit dieser Frage begann sich etwas in mir zu regen. In meiner Brust wurde es warm und begann schon beinahe zu brennen. Es war Wut, die sich begann in meiner Brust anzusammeln. Wie Meer aus Flammen verlangte es nach mehr Platz und ich ließ sie einfach heraus, damit sie nicht mich verschlangen.
„Das würde er niemals tuen!" Ich hatte mich aufgesetzt und sah Briseis mit Funken sprühenden Augen an. Ganz ruhig. Du musst dich entspannen, sie hat es nicht böse gemeint.
Briseis sah mich schockiert an und setzte sich dann ebenfalls auf. Beschwichtigend hob sie die Hände.
„Ganz ruhig Miriam. Ich habs nicht böse gemeint." Sag mal willst du dich jetzt beruhigen!
„Du kennst ihn gar nicht, also bitte mach dir nicht so ein Bild von ihm!" Eigentlich sollte dieser Satz lange nicht so böse klingen, wie er raus kam. Es fiel mir allerdings in diesem Moment relativ schwer wieder runter zu kommen. Er ist nicht so einer und wenn er könnte, dann würde er mir sicher jetzt beistehen. Ich wollte mich nicht allein lassen...
„Ganz ruhig Miriam. Du über reagierst gerade etwas. Komm wieder runter." Hör einmal auf andere.!
„Ich will mich aber nicht beruhigen. Das ist genau der Grund, wieso ich niemanden von dieser Zeit erzählen will. Alle müssen sich immer ein Urteil bilden und meinen dann, dass sie damit richtig liegen und es allen anderen aufdrücken müssen." Ich spürte, wie sich langsam in meinen Körper die Wut zu verändern begann. Meine Brust wurde schwer und kalt. Meine Augen begannen zu brennen. Du musstest das jetzt auch alles aufwärmen. Selbst schuld.
Ich sank langsam auf meinen Knien zusammen und begann leise zu schluchzen. Briseis bemerkte das natürlich sofort und kam näher zu mir heran. Sie setzte sich neben mich und strich mir beruhigend über den Rücken. Jetzt hab ich wieder alles ruiniert. Wie ich das hasse.
„Ist schon gut Miriam. Beruhig dich wieder. Tut mir leid, dass ich gefragt habe." Wieso entschuldigst du dich?
Langsam richtete ich mich wieder auf und sah Briseis, mit immer noch laufenden Tränenfluss, an.
„Du musst dich nicht entschuldigen...Ich hab mich mal wieder total bescheuert benommen." Briseis hörte langsam auf meinen Rücken zu streicheln und stand auf.
„Warte einen Moment hier." Mit diesen Worten rannte Briseis ins Haus. Ich blieb sitzen und starrte auf die Decke. Dabei hatte ich mich doch so gut unter Kontrolle.
Während ich weiterhin in Selbstzweifel und einwenig auch Selbsthass schwelgte, hörte ich plötzlich hinter mir die Schiebetüre leise auf und zu zugehen. Das Gras knautschte leicht und Briseis Schritten. Langsam setzte sie sich wieder neben mich und hielt mir ein weißes Taschentuch vor die Nase. Dankend nahm ich es, allerdings war dies nicht das einzige, das Briseis mit gebracht hatte.
„Weist du...du währst nicht die Erste, die auf den falschen Typen reingefallen ist." Auf Briseis Schoß lag ein Bild auf dem Bauch. Langsam drehte sie es herum und sah es an, dann hielt sie es mir rüber. Ich legte das Taschentuch zur Seite und nahm das Bild in beide Hände. Auf dem Foto waren zwei Menschen abgebildet, um sie herum eine endlos scheinende Wiese. Es waren eine Frau, die breitlächelnd auf der Wiese stand und neben ihr ein kleines Mädchen, dessen dunkles Haar im Wind wehte. Die Frau hatte ihre Haare zu einem schlampigen Zopf gebunden, der über ihre Schulter viel. Das Band in ihrem Haar saß ziemlich locker.
„Das sind ich und meine Schwester, da auf dem Foto." Briseis Stimme klang komisch, nicht so wie ich es normalerweise von ihr gewohnt war.
„Sie ist wirklich hübsch." Briseis blieb still. Ich sah mir das Bild etwas länger an und begann mich dann doch zu wundern.
„Wieso hast du zuvor noch nie von ihr geredet?" Ich sah zu Briseis und ihr Blick wurde traurig.
„Als ich etwa 7 oder 8 Jahre war begann meine Schwester, sie war 16 oder 17, mit ihrem ersten Job. Sie wollte damals etwas abstand von meinen Eltern und sich emanzipieren. Ihr gefiel die Arbeit dort, auch wenn wir nie genau wussten wo oder was sie arbeitete..." Briseis machte eine Pause und senkte ihren Blick. Nun legte ich meinen Arm um sie. Jetzt muss ich einfach mal die gute Freundin sein.
„...Als sie dann achtzehn war zog sie aus. Ich hab sie seitdem nicht mehr wieder gesehen. Sie hatte sich noch von mir verabschiedet und gesagt, dass sie immer auf mich aufpassen würde. Sie würde nicht zulassen, dass mir etwas passiert. " Briseis Augen wurden rot und einzelne Tränen liefen ihre Wange hinunter. Leise begann sie zu schluchzen.
„Tut mir leid." Eine ganze Weile saßen wir da. Das war das erste Mal, seitdem ich sie kannte, dass sie einmal nicht stark vor mir auftrat. Den restlichen Abend verbrachten wir dann damit fernzusehen, oder über belangloses zu quatschen. Wir sprachen weder über Gabriel, noch über Briseis Schwester. Wir hatten beide keine Lust mehr uns die Stimmung vermiesen zu lassen. Der restliche Abend war dann auch eigentlich ganz schön.
Um sechs oder halb sieben machte ich mich dann wieder auf den Heimweg. Es wurde langsam dunkel, doch man merkte schon deutlich dass es Sommer war. Schon allein der Wind war deutlich wärmer und man meinte fast, dass es der Atem eines Menschen war. Ich ging langsam die Straße entlang, da es so am schnellsten zu mir ging.Es war wirklich kalt. Um mich herum waren alle Wände weiß. Sie waren ohne etwas behangen oder auch nur in irgendeiner Art und weiße verziert. Ich befand mich in einem riesigen quadratischen Raum. Man hörte kaum ein Geräusch, nur meine tiefen Atemzüge und die Schritte in diesem hallenden Raum. Sie halten so unglaublich laut, dass ich fast immer zusammenschreckte. Der Raum begann meine Schritte zu einem schrecklichen Geräusch zu verzerren. Es gab weder einen Ausgang, noch einen weiteren Weg, auch kein Fenster. Der Gedanke in diesem weißen Würfel gefangen zu sein gefiel mir nicht wirklich, doch es schien augenscheinlich keinen weiteren Weg zu geben. Frustriert blieb ich irgendwann stehen. Augenblicklich wurde es damit wieder still. Was soll ich den jetzt machen.
Mir kam eine Idee. Ich ging zu einer der Wände und begann sie abzutasten. Vielleicht sieht man die Tür nur nicht.
Und ich hatte recht. Meine Hand strich über die Wand und traf plötzlich auf etwas, dass unter meiner Hand nachgab. Ich hatte allerdings nicht wirklich damit gerechnet, weshalb ich begann zu stolpern. Irgendwie schaffte ich es aber dann meine Balance wieder zu finden. Vor meinen Augen hatte sich währenddessen eine schmale Tür einen spaltbreit geöffnet. Na wer sagts den!
Vorsichtig und ganz langsam drückte ich die Tür auf. Sie führte in einen Gang. Ebenfalls mit weißen Wänden, Boden und Decke. Er schien endlos in die Ferne zu laufen. Sieht nicht aus wie ein Ausgang. - Du hast nicht wirklich eine Alternative.Ich drehte mich noch einmal ein Stück nach hinten. Dieser Raum ist ein Deadend. Hier komm ich also sicher nicht weiter. Der Gang kann mich aber vielleicht wohin führen. Ich trat komplett aus der Tür und begann den schier endlos langen weißen Gang zu betreten. Hinter mir fiel dann die Tür wieder zu. Nun gut kein Weg zurück mehr.
Langsam bewegte ich mich und versuchte den schrecklichen Schall meiner Schritte zu ignorieren. Immer weiter und weiter lief ich, doch es kam mir beinahe so vor, als stände ich immer noch am selben Platz. Die Wände waren ebenfalls einfach weiß und waren nicht im geringsten verziert. Alles hier wirkt so schrecklich verlassen.Keine Ahnung wie lange es dauerte, doch irgendwann wurde es mir dann wieder zu blöd. Endet dieser dämliche Gang auch mal. Ich drehte mich um und sah zurück. Es sah genau so aus, wie vor mir. Ein scheinbar endloser Gang. Wüsste ich nicht das ich aus der Richtung gekommen wäre, so hätte ich es leicht verwechseln können. Langsam drehte ich mich wieder herum. Soll ich zurück? Oder weiter?
Ich tendierte dazu, noch ein Stück weiter zu gehen, doch dann überkam mich ein plötzlicher Sinneswandel. Schnell drehte ich mich noch einmal um 90 Grad. Vielleicht finde ich ja noch eine Tür. Eine halbe Ewigkeit ging ich also wieder zurück. Entlang an den selben weißen Wänden und in Begleitung der selben schrillen Laute. Der Architekt war nicht besonders Originell. Man bekommt in diesen weißen Hallen ja schon beinahe Angstzustände.Irgendwann kam ich dann wirklich wieder vor der Tür an, durch die ich zuvor gekommen war. Zumindest dachte ich das. Es gab keinen Türgriff oder dergleichen, also drückte ich meine Hand einfach wieder gegen die Tür. Erneut glitt die schmale Tür auf. Ohne groß Nachzudenken trat ich ein und ließ die Tür hinter mir zufallen. Erst als ich mich etwas genauer umsah erkannte ich, dass es nicht der selbe Raum war.
Er war etwas länglicher und zum ersten Mal seitdem ich hier, wo auch immer das war, sah ich ein Dekoobjekt an der Wand. Ein Stück entfernt befand sich an der mir gegenüberliegenden Wand ein Spiegel. Er hatte einen blass silbernen Rahmen und leuchtete damit nur geringfügig heraus. Ein Spiegel? Wieso ausgerechnet ein Spiegel?
Ich überlegte nun, was ich nun machen sollte, entschied mich aber dann doch dafür mir den Spiegel einmal anzusehen. Langsam ging ich näher auf ihn zu und erschreckte mich bei meinen ersten Schritten wieder. Entspann dich.
Schneller als Gedacht stand ich nun vor dem Spiegel. Nun erst erkannte ich, dass sich rund um den Spiegelrahmen bereits schwarze Verfärbungen gebildet hatten. Meine Oma hat das Problem immer bei ihrem Silberbesteck, wenn sie es nicht regelmäßig putzt.Ich streckte meine Hand aus und fuhr mit ein paar Fingern über den Rahmen des Spiegels. Etwas von dem schwarzen Zeug begann sich zu lösen und an meinem Finger zu haften. Mit einer Hand versuchte ich es wegzuwischen, doch es blieb wo es war. Ziemlich hartnäckig.
Ich beschloss es vorerst zu ignorieren und mich wieder dem Spiegel zu widmen. Er war nicht übermäßig groß, schien aber schon älter zu sein. Er hat sicher schon viel durchgemacht und man scheint nicht immer gut mit ihm umgegangen zu sein.
Je länger ich ihn ansah, desto mehr Beulen und Kratzer wies der Rahmen des Spiegels auf, doch der Spiegel an sich war unversehrt und gepflegt. Keine Beulen, Kratzer oder Schlieren. Mein Gesicht wurde ganz klar und nicht verzerrt wiedergegeben. Es erschien blas und dennoch leuchteten meine Augen und schienen voller Leben, auch fiel mir erst jetzt auf, dass meine Haare offen waren und glatt über meiner Schultern fielen. Sie umrahmten mein Gesicht und obwohl ich mich als schön bezeichnen hätte können, störte mich doch etwas an diesem Erscheinungsbild.
Gefällst du dir nicht?
DU LIEST GERADE
Pregnant
HorrorUnterschätze nie die Liebe einer Mutter für ihr Kind, vor allem wenn hinter der Schwangerschaft mehr steckt als zuerst gedacht. Pregnant- Geschichte eines Mädchens, der ersten Liebe und einer ungewollten Schwangerschaft, oder? Mini