kleines Herz

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Mein Körper war vom tiefen Schlaf noch ganz warm.

„Mama? Was machst du den hier." Meine Stimme klang etwas rau und verschlafen. Eine Augenbraue meiner Mutter sog sich nach oben und sie begann zu schmunzeln.

„Schatz, es ist bereits viertel vor drei. Hast du vergessen, dass wir noch einen Termin, bei deiner Frauenärztin haben?" Es dauerte eine Weile bis ich so richtig begriff was hier eigentlich los war. 

„Oh!" So schnell es in meinem noch leicht verschlafenden Zustand ging richtete ich mich auf.

„Ich warte dann unten auf dich." Mit den Worten verließ sie mein Zimmer, während ich begann schnell das erstbeste aus meinem Schrank zu kramen. Ich schlüpfte in eine graue Jeans und einen blauen, weiten Sweater. Meine Haare band ich zu einem einfachen Zopf, der seitlich auf meiner Schulter ruhte. Ich schminkte mich nur etwas, um meine Augenringe zu verdecken, die sich durch die geringe Menge Schlaf in den letzten Wochengebildet hatte.

Eine Viertelstunde später saß ich dann mit meiner Mutter auch schon im fahrenden Auto. Die Fahrt war kürzer als gedacht und ehe ich mich versah saß ich auch schon im Wartezimmer meiner Ärztin. Es war viel los an diesem Tag, zahlreiche junge Familien und sogar eine Familie, die wich ich erfuhr schon ihr drittes Kind erwarteten. Mir gegenüber saß sogar ein Mädchen das kaum ein Jahr jünger zu seien schien als ich. Man sah noch nichts, dennoch erkannte ich diesen nervösen Blick von mir selbst. Sie war alleine da. 

Viel Zeit hatte ich nicht, um mich weiter mit den Leuten um mich herum zu beschäftigen, da wir schon bald aufgerufen wurden. Wie eigentlich jedes mal schlug mein Herz schneller, als ich meinen Namen hörte. Zu wissen, dass dieses Kind kein normales seien würde, machte den ganzen Besuch noch etwas nervenaufreibender. Diese Abscheu gegenüber dem Kind und seinem Vater war nicht verschwunden und begann unaufhörlich an meinem Gewissen zu nagen. Einerseits schämte ich mich für den Hass und anderer Seits begann ich mich vor diesem Kind zu fürchten. 

„Guten Tag Miriam, also...wie geht es uns den bis jetzt so." Einwenig suspekt war mir die Frau immer noch.


„Ganz gut, eigentlich." Sie nickte und begann mich genauer zu mustern.

„Gab es irgendwelche Veränderungen. Ist dir vielleicht irgendetwas besonders seit dem letzten Termin aufgefallen." Mein Herz begann panisch zu klopfen, als ich an alles dachte was in der Zeit passiert war. Ich kann ihr das unmöglich sagen!

„Nein...nicht wirklich." So gut es ging versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen, doch meine Ärztin schien zu merken, dass etwas nicht stimmte.

„Gut, dann machen wir mal ein Ultraschal." Mit diesen Worten erhob sie sich von ihrem Schreibtisch. Sie führte mich wie immer in einen separaten Raum. Ein kleiner unangenehmer Schauer lief mir über die Haut, als ich mich auf diesen beinahe schon Tisch niederließ. Ich komm mir vor wie ein Versuchsobjekt. Irgendeine abstrakte Mutation.

Vorsichtig zog sie den Saum meines T-Shirts etwas nach oben, so das die runde Kugel darunter sichtbar wurde. Ich atmete tief ein und aus um mich zu entspannen. Als das kalte Gel schließlich meine Haut berührte zuckte ich zusammen. 

„Ganz ruhig. Versuch dich zu entspannen." Wie so oft lächelte sie mir warm zu und begann weiter vorsichtig über meinen Bauch zu wandern. Das schwarzweiße Bild auf den Bildschirm begann sich wie in einem Kaleidoskop zu verändern. Schließich erkannte man den kleinen Körper des Wesens in meinem Bauch.

„Sieht gut aus. Das kleine entwickelt sich schnell." Immer wieder fuhr sie ganz kleine Strecken über meinen Bauch und schien das Kind von allen Seiten zu begutachten. 

„Das Herz scheint auch gut und regelmäßig zu schlagen." Langsam nahm sie das Gerät schließlich wieder runter und rieb sich zufrieden die Hände.

„Es sieht alles super aus bis jetzt. Ich will nur noch einmal kurz versuchen den Herzschlag abzuhören, um ganz sicher zu gehen, dann sind wir auch schon fertig." Zögernd nickte ich. Meine Mutter hingegen ließ erleichtert meine Hand wieder locker, so das auch wieder Blut durch die Gefäße fließen konnte. Bis jetzt hatte ich mich dagegen geweigert den Herzschlag dieses kleinen Wesens zu hören, da ich mir vielleicht noch irgendwo tief in mir drin einreden wollte, dass alle das nicht real war, weshalb die Ärztin immer das Stethoskop nahm, um den Herzschlag zu hören .

Die Ärztin legte eine Hand auf meinen Bauch, ehe sie das Stethoskop darüber gleiten ließ. Der metallene Kopf war ebenfalls eiskalt und mein Bauch begann etwas zu zucken. Sie wirkte eigentlich die ganze Zeit sehr konzentriert, doch dann plötzlich begann sich ihr Blick zu erhellen.


„Und da schlägt das kleine Herz!" Sie sah mich an und nahm das Stethoskop aus ihren Ohren.

„Möchtest du den Herzschlag deines Babys auch einmal spüren?" Mein Herz setzte einen Schlag aus. Will ich das?

Zögernd nickte ich erneut und sie reichte mir das Stethoskop. Vorsicht steckte ich die beiden Enden in mein Ohr. Langsam setzte ich mich auf und sah zu wie die Ärztin den Kopf wieder an meinen Bauch hielt. Zunächst blieb es noch still und ich hörte lediglich das Rauschen meines eigenen Blutes in meinen Ohren und das schnelle Klopfen meines Herzens, dann wurde es mit einmal ganz still um mich herum. An mein Ohr drang mit einem mal ein ganz dumpfes und etwas unregelmäßiges Geräusch. So ein kleines Herz.

Bumbum...bumbum...bumbum

Wie ein kleiner Vogel schien das Herz dieses kleinen Wesen zu flattern. Es war relativ leise, doch mein Herz begann sofort in einem neuen Rückmus zu schlagen. Das kleine Wesen schien meinen mit einem mal freudigen Herzschlag zu hören und wollte einstimmen. Es war allerdings nicht trainiert genug und bekam den Rhythmus noch nicht ganz hin. Ich begann warme Tränen in meinen Augen zu spüren. Mein kleines Baby.

Meine Reaktion blieb nicht unbemerkt und ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie die Ärztin zu lächeln begann. Langsam zog ich das Stethoskop wieder aus meinen Ohren, doch der zarte Herzschlag hallte immer wieder in meinen Ohren.

„Hört sich schön an, nicht wahr?" Mit bebender Lippe nickte ich und sah zu meiner Mutter, diese hatte nun das Stethoskop in den Ohren und als sie den Herzschlag fand begannen auch ihre Augen feucht zu werden. 

„Ich hatte ganz vergessen, wie sich das anhört."

Stunde um Stunde verging. Es passierte nicht viel, doch als es dann Abend wurde und meine Eltern auch irgendwann begonnen sich in ihr Bett zu legen und etwas zu schlafen, saß ich noch hell wach auf meinem Bett und starrte gedankenverloren durch den Raum. Draußen hatte es inzwischen begonnen zu regnen und kein Stern war durch die Wolkendecke zu sehen. In meinem Ohren hörte ich immer noch das Echo dieses kleinen Herzschlages.
Der ganze Hass und die Angst vor diesem Kind, die mich noch vor wenigen Stunden geplagt hatten waren mit einem mal verschwunden. Zurück blieb ein leicht melancholisches und fast schon trauriges Gefühl. Es wird nie ein normales Kind sein. Irgendwann wird Lucifer sicher versuchen sich das Kind zu holen, um seine perfiden Plan durchzuführen, von dem er gesprochen hat.
 
Mit einer Hand strich ich vorsichtig über meinen Bauch und stellte mir vor wie darin ein kleines Wesen ruhte, ohne zu wissen mit was es die Welt erwartete wenn es in knapp zwei Monaten auf die Welt kommen sollte. Warum kannst du nicht in eine normale Familie hineingeboren werden? Ohne Flüche, Packte und eine Welt vor heiligen, die meinen über uns entscheiden zu dürfen.
Langsam schloss ich meine Augen und versuchte das brennen in meinen Augen zu lindern. Einzelne Erinnerungen begannen in meinem Kopf wieder aufzuflammen. Es waren Bilder von mir, wie ich weinend vor einem Wagon hockte. Mein Gesicht begann zu brennen und ich riss die Augen wieder auf. Die Bilder verschwanden. Warum lässt du mich nicht in ruhe?
Einzelne Tränen der Verzweiflung begannen über meine Wange zu laufen. In diesem Moment begann sich in meinem Kopf der erste Ansatz für etwas zu formen, was schließlich mein Ende herbei beschwören sollte.

Etwas merkwürdiges lag in der Luft. Raphael konnte es spüren und schon beinahe mit den Fingern greifen. Die Spannung lud seinen Körper auf und ließ seine Muskeln vor Spannung zittern. 

„Etwas beginnt sich zu verändern Meister. Ich werde diese Unruhe nicht mehr los." Wie ein Mittelalterlicher Knecht kniete Raphael vor seinem Meister und sprach zu ihn, um ihn endlich dazu zu bewegen etwas zu unternehmen. 

„Ich habe schon geahnt, dass es mit diesem Kind Probleme geben würde, aber dass es gleich so schlimm werden würde." Er schüttelte etwas unglaublich den Kopf und sah durch das Fenster, welches ihm die Welt jenseits seiner zeigte.

„Das Schicksal dieses Mädchen ist ungewiss...dieses Kind allerdings, darf unmöglich geboren werden. Es würde eine große Gefahr für unseres gleichen bedeuten." Raphael kannte die Ansichten seines Meisters sehr gut, doch konnte er sie in diesem Fall nur sehr schweren Herzens erfüllen.

„Ja, Meister...darf ich aber dennoch darum bitten das Leben dieses Mädchens zu verschonen?" Er schien nicht überrascht.

„Sie mag euch sehr sympathisch sein Raphael, doch bedenke die Gefahr. Sie sollte eigentlich nicht auf dieser Erde weilen. Ein Kind von ihr und Lucifer wäre ein nicht zu vorhersehendes Übel." Beschämt senkte Raphael wieder den Kopf, allerdings ohne eine Miene zu verziehen. 

„Jawohl, Meister."  


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