Vergessen II

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„Miriam. Miriam." Ich riss die Augen auf. Meine Hände hatten sich in das Lacken verkrallte und lösten sich nun schmerzhaft. Aus dem Augenwinkel sah ich nun Briseis, die mich besorgt ansah. Sie sieht wieder normal aus.
„Was ist den los Miriam? Du hast im Schlaf geschrieen." Langsam setzte ich mich auf und ließ meinem Blick für einen kurzen Moment wandern. In dem  Zimmer war es noch dunkel. 

„Ich hab nur was komisches geträumt. Tut mir leid ich wollte dich nicht wecken." Sie zog nun leicht irritiert eine Augenbraue nach oben.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?" Ich nickte und versuchte etwas zu lächeln.


„Wie spät ist es eigentlich?" Briseis drehte sich nach hinten zur Wand. 

„Ähm...viertel nach fünf." So früh.

„Ich hatte gehofft es wäre schon später." Briseis nickte und begann sich neben mir zu strecken. 

„Eigentlich würde es sich noch richtig Lohnen etwas zu schlafen, nur kann ich sicher nicht mehr einschlafen." Sie sank langsam wieder zurück ins Bett. Ich hätte es ihr gleichtuen können, doch irgendwie fühlte ich mich einwenig unruhig. Um etwas von meiner Energie los zu werden stand ich aus dem Bett auf und lief etwas durch das Zimmer. Es war nicht besonders groß, weshalb sich nicht wirklich etwas von meiner Energie abhauen konnte. Briseis sah mir dabei zu und schien nicht wirklich zu wissen was sie davon halten sollte. 

„Ich bin einwenig nervös." Briseis drehte sich etwas herum und meinte dann:

„Du siehst ihn erst in mehreren Stunden und machst dich jetzt schon verrückt." Sie klingt etwas genervt.

„Tut mir leid." Briseis setzte sich wieder ganz auf und strich sich mit einem Finger über die Stirn. Schließlich seufzte sie und stand auf. 

„Es ist einfach zu früh." Briseis lief zu dem kleinen Schreibtisch der ein Stück vom Bett entfernt stand und zog eine der Holzschubladen auf der rechten Seite auf. Als sie hinein griff begann es wild zu rascheln und sie zog etwas heraus. Sie streckte mir ihre Hand entgegen, in der sie etwas kleines hielt. 
„Ich hab immer etwas zu naschen in der Schublade. Das hebt die Stimmung und beruhigt die Nerven." Briseis hatte mir einen Mars in die Hand gedrückt. Ich drehte ihn noch etwas in meiner Hand, bevor ich schließlich die Verpackung Aufriss und das erste Mal in den Riegel biss. Die Schokoladenhülle begann leicht zu knacken, als sie brach und das Karamell legte sich wie eine zweite Schicht um meine Zähne. Mit jedem Bissen gelang mehr Zucker in meinen Mund und meinen Körper. Als der Zucker sich in meinem Körper zu lösen begann fühlte sich das an wie ein kleines Hoch.

Um acht verließen Briseis und ich wieder das Haus. Briseis Oma brachte uns mit dem Auto wieder zu der Station, da sie weiter zu einem Frühstückstreffen mit Freundinnen fuhr. Wir hatten beschlossen noch zu einer Bäckerei zu gehen und ebenfalls etwas zu frühstücken. Sie war ein kleines Stückchen von der Station entfernt und so ziemlich der Innbegriff einer Dorfbäckerei. 

Die Bäckerei war in ein Wohngebäude integriert. Das Gebäude war in einem leichten grauweiß gestrichen, nur die Bäckerei in einem leichten, schon etwas ausgebleichten Himmelblau. Neben der Bäckerei befand sich eine kleine Apotheke in die gerade ein Mann hinein lief.

Als Briseis und ich die Bäckerei betraten ertönte ein kleines Glöckchen, dass unser eintreten ankündigte. Es war ein kleiner Raum, der sehr häuslich eingerichtet war. Vor uns befanden sich zwei Runde Tische mit jeweils drei Stühlen, diese bestanden aus dünnen Metallrohren und einem bestickten Sitzpolster in zartem Rosa. Praktisch direkt dahinter befanden sich die Theke. In der Glasvitrine sah man frische Torten, Kuchen, Muffins, sogar Marmeladen in den verschiedensten Ausführungen. Der Geruch, der uns sofort beim eintreten entgegen strömte, ließ meinen Magen leise knurren. Noch während wir auf die Theke zuliefen kam eine Dame etwa Mitte dreißig hinter die Theke und lächelte uns an. Mit gierigen Blicken stellten wir uns vor die Theke, was die Frau dahinter mit einem amüsierten schmunzeln kommentierte. 

„Guten Morgen, was hätten sie den gerne. Kann ich vielleicht bei der Auswahl helfen?" Die Stimme der Frau klang sehr fröhlich und ihre Ausstrahlung unterstrich dieser Vermutung. 

„Ähm... das ist wirklich schwer....Allerdings lächelt mich dieser Muffin so an." Die Beiden begannen zu kichern. Die Dame griff hinter die Theke und holte einen Teller heraus, auf den sie dann den Muffin platzierte. Schließlich sah die Dame zu mir.

„Und wie kann ich ihnen helfen?" Ich sah wieder zu den vielen Süßspeisen.

„Ähm...Ich hätte gern ein Stück des Schokokuchens." Ich lächelte sie an und versuchte mir so meine leichte Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Mit jeder Woche schien es ein bisschen unangenehmer zu werden in die Öffentlichkeit zu gehen. Man sah noch nicht so viel, doch ich hatte einfach das Gefühl, das mir jeder Mensch, dem ich begegnete oder an dem ich nur vorbei lief, mir auf den Bauch starrte. 
Briseis lud mich auf den Kuchen und einen Cafe Latte ein. Mit denen zusammen setzten wir uns an einen der Tische. Ich musste lächeln als ich den Kuchen vor mir sah und konnte es kaum erwarten mir das erste Stück in den Mund zu schieben. 
Leider, zu meinem eigenen Bedauern, war der Kuchen viel zu schnell aufgegessen.
 
„Das war wirklich ein tolles Frühstück." meine Briseis während sie an ihrem roten Tee nippte. Ich konnte ihr dabei nur zustimmen und nippte ebenfalls an meinem Kaffee. Nach weiteren zehn Minuten in denen wir redeten, fertig tranken und alles bezahlten, verließen wir auch schon wieder die kleine Bäckerei.
Der Himmel war an jenem Tag ziemlich verhangen, weshalb alles in diesem kleinen Dorf einen leichten schaurigen Charakter bekam. Wir liefen den selben Weg, den wir auch gekommen waren, als mich plötzlich von der Seite ein Mann leicht anrempelte. Es schien nicht seine Absicht oder etwas in der Art gewesen zu sein, da er sofort stehen blieb und sich zu mir drehte.

„Oh...Es tut mir leid." Die Stimme klang etwas kratzig und nach der Zigarette in seiner Hand zu urteilen, schien das nicht eine seltene Erscheinung zu sein.

„Nicht so schlimm." Eigentlich wollte ich ihn einfach nur diskret abwimmeln und ich hatte eigentlich gedacht, dass er das Selbe wollte, doch dann hielt er mich davon ab.

„Warten sie mal. Sie waren gestern im Zirkus, nicht war?" Woher wusste er das?

Ich begann mir den Mann vor mir genauer anzusehen. Er war mindestens über 1,80 Meter und schien Anfang zwanzig zu sein. Seine Haare waren schwarz und im Nacken zusammengebunden, darüber trug er einen schwarzen großen Hut. In seiner Nase hing ein silberne Ring. Er trug einen schwarzen langen Mantel und darunter eine enge braune Hose und ein weißes Hemd. Sehr...individuell.

Der Mann schien immer noch auf seine Antwort zu warten, doch ich wusste nicht so recht was ich machen sollte. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass es vielleicht besser wären, wenn ich nicht antwortete.

„Doch sie waren sicher dort. Ich habe sie mit diesem einem Artisten gesehen....ähm diesen mit der Spinne." Der Mann begann wie wild zu überlegen. Die ganze Situation war mir nicht so ganz geheuer, doch ich wollte auch nicht unhöflich sein und konnte ihn deshalb auch nicht einfach abwimmeln. 

„Ich hab gesehen, wie sie aus dem Zelt geeilt sind..." Er sprach noch weiter, doch ich schenkte dem nicht sonderlich viel Beachtung. Vor meinen Augen begann etwas aufzublitzen. Zuerst war es nur ein einziges Mal und ich dachte schon, dass ich es mir nur eingebildet hätte, doch dann begannen mehrere punkte aufzuleuchten und ich begann eine Art klopfen zu hören. Es fühlte sich an als würde jemand gegen meinen Kopf schlagen. Immer und immer wieder. 

Ein kalter Wind kam auf und ließ mich erzittern. Ich sah wieder zu dem Mann und bemerkte eine Veränderung. Sein Blick war nun gesenkt und durch seinen Hut konnte ich seine Augen nicht mehr sehen, doch auch seine Haltung hatte sich etwas verändert. Sein ganzer Körper schien nun angespannt. Was ist den jetzt los. 
Das Bild vor meinen Augen begann etwas zu flimmern, so dass ich es nicht mehr ganz genau sehen könnte, doch als das Bild in der nächsten Sekunde wieder klar wurde sah mich der Mann mit leeren Augen an. Wie heute schon in meinem Traum waren die Augen des Mannes ganz weiß.

„Du solltest dich doch erinnern." Wieder diese Stimme.

Ich wich instinktiv einen Schritt zurück und erwartete eigentlich eine Reaktion von Briseis, als ich allerdings in ihre vermeintlich Richtung sah, befand sich da niemand. Ich war mit dem eigenartigen Mann allein. 

„Wieso erinnerst du dich nicht?" 

„An was soll ich mich erinnern." Meine Stimme klang etwas nervös, doch lang nicht so, wie ich es von mir erwartet hatte.

„Die Gefahr. Du musst dich an die Gefahr erinnern." 

„Welche Gefahr?" Wieder drang ein eiskalter Wind mir entgegen. Ich kniff die Augen zusammen und hielt mir die Hände vors Gesicht, um mich etwas vor dem Wind zu schützen.

„Wieso ist er heute nicht gekommen?" Ich erkannte die Stimme sofort. Es war meine kleine viel zu hohe Stimme. 

„Er wird nicht mehr wiederkommen." Die Stimme der Frau kam mir nicht sehr bekannt vor und dennoch weckte sie in mir vertrauen. Der Wind hatte wieder aufgehört und ich öffnete meine Augen wieder.
Vor mir sah ich eine verschneite Landschaft und in ihrer Mitte stand mein kleines ich, dass in einen dicken silbernen Overall eingepackt war. Auf dem Kopf trug ich eine bunte Strickmütze und meine Hände steckten in Fäustlingen. Mein kleiner Körper stand vor der Trauerweide im Garten meiner Oma und dazwischen stand eine Frau. Sie war groß und hatte eine langen, schlanken Körper. Ihre Haare gingen ihr bis etwas über die Schulter. Sie hatte rotebraunes Haar auf dem ein Diadem saß. Es schien aus silber zu sein und trug vorne im Zentrum ihrer Stirn einen kleinen blauen Stein. Ihr Kleid war lang und weiß, wie der Stern um sie herum. Sie ist wirklich schön.

„Aber er hat mir doch versprochen wieder zu kommen." Die Stimme des Mädchens begann etwas zu zittern.

„Ich weiß Prinzessin, aber er kann nicht wieder kommen." Die Schöne Frau hockte sich vor meinem kleinen Körper nieder und legte ihre Hände rechts und links auf meinen Körper. 

„Hasst er mich?" Meine Stimme verriet, dass ich kurz davor war zu weinen. Die Frau schüttelte allerdings den Kopf.

„Nein...doch auch wenn er will kann er nicht zu dir kommen."

„Wieso nicht?" 

„Das darf ich dir leider nicht sagen." 
Ein Windstoß kam mir erneut entgegen und trübte wieder für einen Moment meine Sicht.

„Entschuldigen sie, aber wir müssen jetzt weiter." Ich spürte Briseis Hand die meinen Arm ergriff und mich mit sich zog. Den Mann ließen wir hinter uns. 
 


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