Als würde er schlafen

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So gut es ging versuchte ich weiter meine Fassade aufrecht zu erhalten. Ich lachte weiter und sprach mit Briseis. An einem Tag fuhr ich sogar mit ihr ins Krankenhaus . Ich erinnere mich noch daran, wie wir aus dem Taxi ausstiegen. Mein Herz klopfte wie wild, als sich meine Hand sanft um den Griff legte. Mit einem Ruck öffnete ich die Tür und stieg aus. Briseis war schon ausgestiegen und wartete, dass ich um das Auto lief, dann gingen wir zusammen weiter. Vor mir baute sich das graue, gläserne Gebäude auf. Ein gepflasterte Park führte zu dem Eingang. Rechts und links von uns wuchsen Bäume auf kleinen grünen Inseln, dazwischen standen auch mal Bänke, auf denen sich einzelne Menschen nieder gesetzt hatten. Einige von ihnen hatten noch Tränen in den Augen, andere Lachten. Schützend legte ich eine Hand auf meinen Bauch und atmete tief ein.

Elektrische Türen glitten vor uns auf, als wir durch die Lichtschranke traten. Ein leichter bittersüßer und irgendwie auch chemischer Geruch stieg mir in die Nase. Vorsichtig berührten meine Füße den glatten Boden. Mit einem mal wurde mir kalt. Das Licht der Neonröhren begann sich mit den Tageslicht zu mischen, je tiefer wir in das Gebäude vordrangen. Es war bereits vier und still begann sich draußen bereits der Abend anzukündigen. Eine kleine etwas, kurvige Krankenschwester kam auf uns zu und erkannte Briseis.

„Briseis!" Sie hielt uns an und nahm Briseis in die Arme. Ich stand still daneben, wollte um keinen Preis auffallen.

„Wie geht es dir." Sie klingt wirklich besorgt.

Mit jedem Wort das die Beiden sprachen wurde mein schlechtes Gewissen noch größer und mein Herz in meiner Brust schwerer. Es schien mich immer weiter nach unten zu drücken.

„Ganz gut...Ich versuche so gut es geht damit fertig zu werden." Die Dame begann freundlich zu lächeln und strich Briseis ganz sanft über ihre Wange. Irgendwann liefen wir weiter. Es folgte ein endlos langer Gang. Menschen liefen an uns Vorbei, sahen uns aber nicht an. Jeder Schritt wurde anstrengender. Schritt für Schritt eine Qual.

Briseis wurde mit einem mal langsamer, bis sie vor einer Tür stehen blieb. Ihr Blick fixierte die Klinke. Ich stand nur ein, vielleicht zwei Schritte hinter ihr, es wäre für mich ein leichtes gewesen einfach diese Klinke hinunter zu drücken, oder sie zumindest zu ermutigen, doch ich brachte kein Wort heraus. Die Angst vor dem, was hinter dieser Tür auf mich wartete war einfach zu groß.
Briseis Gesicht wurde blasser, als sie ihre Hand nach der Klinke ausstreckte und sie langsam hinunter drückte. Die Tür machte kein Geräusch, als sie aufglitt, doch die Stille schlug mir wir eine geballte Faust ins Gesicht.
Rötliches Licht fiel durch ein Fenster genau auf die unschuldig weiße Decke. Mit Briseis betrat ich das Zimmer. Die Wände waren hell und schienen einen Menschen unendlich viel Platz für Träume zu lassen, als hätte der Junge die Wände nur füllen müssen. Das Bett stand nicht alleine in dem Raum, gegenüber stand noch ein zweites, doch es war leer.

Neben dem Bett des Jungen stand ein kleiner Tisch, auch weiß mit einer Schublade, darauf Blumen. Auf der anderen Seite ein einfacher metallener Sessel mit schwarzen Sitz. Ohne zu sprechen lief Briseis um das Bett und setzte sich auf den Sessel. Ihr Blick war nur noch auf den kleinen Körper gerichtet, der unter der dünnen weißen Decke lag. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, als würde er einfach nur ganz tief schlafen. Seine Lieder lagen leicht auf seinen Wangen. Die Haut waren durchscheinend und kleine Adern zeichneten sich darunter ab.
Mit schweren Schritten lief ich auf das Bett zu. Mit verschwimmenden Blick sah auf den kleinen Körper hinab. Langsam legte ich meine Hand auf das Bett und spürte darunter seine dünne Hand.

„Es tut mir so leid...."Meine Stimme war ganz leise, doch ich sah aus dem Augenwinkel wie sich Briseis Blick von ihrem Bruder löste. Ihre Augen fixierten mich, doch ihre Kraft war schwach.

„Es ist nicht deine Schuld...es ist ein Fluch." Bei dem Wort setzte mein Herz einmal aus. Ich musste wieder an diese Frau denken, die ich gesehen hatte, als ich bei Briseis zu Besuch war. In den letzten Tagen hatte ich immer wieder an sie gedacht und versuchte mir über die Verbindung der Beiden klar zu werden. Es hätte alles nur Zufall seien können. Die Bilder aus seiner Erinnerung tauchten auf wie sie wollten. Ich hatte keine Kontrolle darüber, dennoch glaube ich nicht daran. Nicht nach der Sache mit ihrem Bruder.

Weitere Tage vergingen und meine Schuldgefühle fraßen sich weiter in mich hinein. Ich aß nur noch wenig, da ich das Gefühl hatte, dass mir jeder Bissen gleich wieder hochkommen würde. Mit jedem Tag, den ich mich wieder in den Spiegel sah konnte ich sehen, wie meine Haut fahler wurde. Ich sehe aus wie Lucius.

Das Bild von ihm schlafend im Krankenbett verfolgte mich und mischte sich in meine Erinnerungen. 
Jeden Tag quälte ich mich wieder aus dem Bett. Ich schlief kaum noch richtig. Briseis schien es zu bemerken, doch sie konnte auch nichts dagegen machen.
Die nächste Woche brach an. Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerst...

Irgendwann reichte mein Wille nicht mehr. Mein Körper forderte seine Ruhe, seinen Schlaf und das mit dem einzigen Mittel, dass er in dieser Situation noch für wirksam erachtete. Wir hatten gerade Turnen. Ms. Librer ließ uns zum Aufwärmen ein paar Runden laufen und danach dehnten wir uns. Ich war wirklich müde an dem Tag, doch irgendwie versuchte ich weiter zu machen.
Völkerball blieb mir an dem Tag nicht wirklich erspart. Irgendwie schien mein Team das ganze Spiel verschlafen zu haben, so dass ich als letzte im Feld stand. Das Gegnerteam hingegen war noch beinahe voll besetzt. Ich muss wohl nicht betonen, was für ein großen Glück ich hatte, dass Sarah und natürlich auch Nina im Gegnerteam waren.
Ich wich aus und versuchte so einem schlag mit den harten Gummi zu entgehen. Musik hallte in den hohen Hallen und dennoch hörte ich das tippen des Balles, wenn er auf den Boden schlug. Ich versuchte mich zu fokussieren, doch ich war unkonzentriert. Aus dem Freigeistfeld flog der Ball in einem hohen Bogen über meinem Kopf. Seine Flugbahn lenkte ihn tiefer und genaue in die Hände meines Feindes. Nina begann vor Begeisterung zu strahlen, als sie gelbe Gummi in ihren Fingern spürte. Nachdenklich tippste sie auf die gespannte Oberfläche, als müsse sie noch überlegen, welches ihr nächstes Opfer wäre. Bring es doch endlich zu enden!

Ich war bereit das Gummi auf meiner Haut zu spüren. Nina holte noch einmal tief Luft und schoss dann mit all ihrer in diesem Moment vorhandenen Kraft den Ball in meine Richtung. Ich wollte ausweichen, doch mein rechter Fuß rutschte und zog meinen Körper hinter sich her. Der Ball folgte seiner Flugbahn und traf nun mein Gesicht. Die Stelle begann zu brennen. 
Die Wucht schlug meine Kopf zurück und zog mich so noch schnelle zu Boden. Ohne Schutz fiel mein Kopf auf den glatten, harten und kalten Boden. Ich hörte einen dumpfen Schlag. Plötzlich verstummte die Musik und ich hörte aus der Ferne Schritte. Besser ich stehe auf...sonst beginnt sich noch jemand Sorgen zu machen.
Ich gab meinen Muskeln den Befehl, doch mein Köper rührte sich nicht mehr. Steh auf. Nun mach schon!
Weiterhin nichts. Etwas schien die Verbindung zwischen mir und meinem Körper zu stören. Mein Blick war auf die Decke gerichtet, als sich etwas begann in mein Blickfeld zu schieben. Es war Briseis. Ihr Blick besorgt. Sie schien etwas zu sagen, zumindest konnte ich sehen, wie sich ihre Lippen bewegten, doch ich hörte ihr Stimme nicht.
Generell waren zu diesem Zeitpunkt alle Geräusche verschwunden. 
Langsam wurde mein Blick trüber. Langsam begannen alle Farbe zu verblassen und um mich wurde es schwarz. Die Stille und die Dunkelheit um mich herum schien mich beinahe zu Umarmen und mich fest an sich zu drücken, als wollte sie mich nie wieder gehen lassen. Mein Köper war zu müde, um sich weiter zu währen, deshalb ließ ich mich mitziehen. 

„Mama?"


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