Erwachen

643 37 4
                                    

Es fühlte sich an, als würde ich in ein schwarzes Loch fallen. Um mich war es schwarz. Ich spürte nicht den kleinsten Hauch meines Körpers. Keinen Muskel. Nicht einmal schmerz. Immer tiefer viel mein Körper ohne auch nur den Wind zu spüren, der ihm entgegen kommen musste. Meine Augen waren offen, doch ich konnte nichts sehen. 
All diese Erinnerungen stießen durch eine scheinbar unsichtbare Barriere. Immer wieder wurden die kleinen Filme aus meiner frühen Vergangenheit unterbrochen oder rissen mittendrin ab. So kam es dass ich mich auch nicht an alles Erinnerte. Es war ein eigenartiges taubes Gefühl. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben sollte. Gesichter waren verschwommen oder unscharf. Lu...ich kann mich dunkel an diesen Namen erinnern.

Plötzlich begann sich etwas in mir zu rühren. Es war ein kleiner und schneller Herzschlag der sich regte, dann plötzlich ein Tritt. Brutall jagte man mir wieder Luft in meine Lungen. Sie begannen zu brennen. Hektisch stieß ich Luft wieder aus, doch gleichzeitig schien wieder neue Luft in mich zu strömen. Meine Haut begann zu kribbeln und erweckte meinen Körper so wieder zu neuem Leben. Mit diesem Erwachen strömten allerdings auch tausende verschiedene Gefühle in meinen Körper und begannen mein Herz zu malträtieren. Verlust, Hass, die Liebe eines naiven Mädchens, Angst. Ich kann sie kaum alle aufziehen, doch es fühlte sich an, als würden mich all diese Emotionen in ein Flammenmeer ziehen. Die warme Arme des Feuers streckten sich nach mir aus und zogen mich näher zu sich heran. Die Flammen umschlossen meinen Körper und setzten ihn in Flammen. Ich wollte schreien, doch es kam kein einziges Wort aus meiner Kehle. Sie war vertrocknet.

Muskeln meines Körpers begannen ohne mein zutuen zu zucken und ich wand mich in den schmerzenden Armen der Flammen. Das kleine Herz, dass mich aufgeweckt hatte, begann nun ebenfalls schneller zu schlagen. Eine leise, dünne Stimme drang an mein Ohr:

Es tut weh! Überall brennt es! Mama!

Angsterfüllt riss ich meine Augen auf und richtete mich auf. Licht empfing mich. Meine Augen erschreckten sich und ich zuckte instinktiv zurück. Es tut weh.

Einige Augenblicke brauchte es dann doch, bis ich mich an das Licht gewohnt hatte. Immer noch mit Händen vor den Augen, die es vor dem meisten Licht schützten, begann ich erneut aufzusetzen. Langsam nahm ich die Hände wieder von meinen Augen. Es war nun kein Meer von Flammen, dass ich sah, sondern ein großer, beinahe schon prunkvoll eingerichteter Raum. Die Wände waren hoch und in einem satten Rot gestrichen, zusammen mit silbernen Ornamenten, die sich dezent über Wand und Decke verteilten. Ich lag in einem Doppelbett. Die Bettwäsche war schwarz und fühlte sich angenehm kühl auf meiner überhitzen Haut an.
Das Bett war rund mit einem schwarzen, fein ausgearbeiteten Kopfteil. Es bestand aus vielen Schnörkeln und dünnen Stegen, so dass es beinahe an ein kryptisches Symbol erinnerte. Immer wieder lagen kleine Zwischenräume frei, die das ganze noch filigraner und aufwändiger wirken ließen. Dahinter befand sich etwas das blau silber durch die einzelnen Löcher durchschimmerte. Vorsichtig fuhr ich mit einer Hand darüber. Es fühlt sich kalt an.

Schließlich wand ich meinen Blick wieder in das Zimmer. Der Raum hatte auf der linken Seite noch drei große und hohe Fenster, diese trugen rote seidene Vorhänge. Der Raum war nicht besonders aufwändig eingerichtet. Es befanden sich ledliglich ein Schreibtisch und Sessel, passend zum Zimmer, bestehenden aus schwarzblauen und dunkelroten Holz im Raum. Darauf und vor allem darum versammelten sich zahlreiche Bücher. Alle natürlich in Leder eingebunden, zusammen mit mehreren Lexika.

Vorsichtig kroch ich aus dem Bett und begann mich weiter umzusehen. Vor dem Bett lag ein großer roter Teppich, der Boden an sich schien aus einem schwarzen Stein zu bestehen. Langsam schritt ich zu dem Tisch, der nur unweit von mir stand. Vorsicht nahm ich eines der oben aufliegenden Bücher in meine Hände. Das Leder war noch etwas warm und rau. Kleine Abdrückte waren auf der Oberfläche zu erkennen und auch kleine Knicke konnte ich bei genauerem hinsehen erkennen. Irgendjemand scheint hier seine Emotionen an dem Buch ausgelassen zu haben.
Bei genauerem hinsehen entdeckte ich noch auf zahlreichen anderen Büchern ähnliche Spuren. Bei einem davon überwand ich mich dann schließlich und öffnete das Buch. Die Seiten waren an den Rändern bereits dunkelverfärbt und auch die Art der Formulierungen schien nicht aus einem neuem Buch zu stammen.

„Getrennt von unser Eins leben sie Blind. Wir können sie zwar sehen, doch fehlt es uns nur äußerst schwer sie zu verstehen. In ihnen ereignen sich Vorgänge die keiner von uns zu beschreiben mag. Schon oft habe ich ihres Gleichen weinen sehen. Gewalt ist bei ihnen allgegenwärtig und scheint unter den richtigen Voraussetzungen auch geduldet. Massenmorde werden groß inszeniert. Einer von ihnen geht immer als Sieger hervor, zumindest präsentieren sie sich so." Der Text klang einwenig wie ein poetisch verfasstes Sachbuch, das jemand über ein Volk oder etwas in der Art geschrieben hatte. Ich blätterte ein paar Seiten weiter. Die Ausdrucksweise veränderte sich allerdings nicht.


„Wie schon vermutete denken sie sehr eindimensional. Sie scheinen nicht zu verstehen, dass es außerhalb ihres Blickes noch Schicksale gibt. Nur vereinzelt nehmen sie mich wahr. Es erschien mir zunächst sie zu beobachten. Waren sie nicht nur ein Spielzeug für den Meister. Je länger ich nun allerdings unter ihnen weile, desto schlüssiger erscheinen mir die menschlichen Handlungen. Zwar begreife ich sie immer noch nicht so ganz, doch ich spüre, wie sich etwas in mir beginnt zu verändern. Vielleicht eine Krankheit, die von diesen Wesen ausgeht..." Irgendwie erschienen auf mich diese Zeilen etwas traurig. Trauriger als die letzten, dich ich gelesen hatte. Ein einsamer Mensch muss die geschrieben haben. 
Langsam und vorsichtig schloss ich das kleine Büchlein wieder und legte es zurück an seinem Platz auf einem der Stapel. Es lagen noch so viel mehr Bücher auf dem Tisch und daneben herum. Ich hätte vielleicht noch Stunden hier verbringen können und hätte mich sicher nicht gelangweilt, doch ich wollte herausfinden wo ich hier war und beschloss deshalb mich weiter umzusehen.

Ich entdeckte zwei Türen. Beide bestanden aus zwei großen Flügeltüren. An der rechten Seite des Raumes befand sich eine Schrankfront. Leise und beinahe schleichend bewegte ich mich durch den Raum. Vorsichtig öffnete ich die Flügel an der rechten Seite. Zum Vorschein trat ein Badezimmer. Ebenfalls schwarz, mit einer großen Badewanne einem Waschbecken mit Spiegel und Handtücher. An der Decke hing ein kleiner Lüster, den ganzen Raum in ein kühles Licht tauchte. Er war mattsilbern und erschien in dem Licht sogar etwas bläulich. Zunächst war es mir gar nicht aufgefallen, doch rund um den Spiegel erschienen in den schwarzen, glitzernden Fliesen dunkle Kerben. Sie waren tief und schien mit sehr viel Wut in den Stein geschlagen worden zu sein. Jemand scheint sich nicht sehr gerne im Spiegel zu betrachten.

Ich verließ das Badezimmer wieder und entdeckte beim betreten des Schlafzimmers den selben Lüster, nur etwas größer als im Badezimmer, auch hier an der Decke hingen. Ganz langsam und leise lief ich dann auf die zweite Flügeltür zu. Zu meiner Überraschung war sie gar nicht komplett geschlossen. Vorsichtig drückte ich sie auf.

Ein leicht fauliger und etwas muffiger Geruch floss durch die offene Tür ins Zimmer. Das Licht in diesem Raum war etwas dumpfer und so auch angenehmer für meine immer noch etwas verschlafenen Augen. Ich ging ein paar Schritte weiter und durchquerte so den Türrahmen, der beide Räume trennte. Vor mir erschien ein filigranes Metallgeländer. Ich stand nun in einem rund angelegten Raum und das Gelände bildete eine Art Terrasse, von der aus man nach unten sehen konnte. Um mich herum erstreckte sich eine Wand voller Bücher. Es schienen sehr viele alte und eventuell sogar wertvolle Stücke dabei zu sein.
Langsam lief ich entlang des Geländers weiter und kam zu einer Treppe, dich mich in einem großen Bogen nach untern führte. Der Boden war aus dunklem Holz und wirkte sehr edel. Vorsichtig lief ich die Stufen hinunter. 
Am Ende der Treppe betrat ich einen großen Saal. Er war mit dem selben Boden ausgelegt und an den Wänden sammelten sich wieder zahlreiche Bücher. Hohe Fenster erhoben sich an der einen Front, auch sie waren mit Vorhängen verdeckt. Unter ihnen stand ein gewölbter Tisch, auf dem eine dunkle Gestallt lag. In der Mitte des Raumes stand eine lange Couch aus rotem Samt, davor ein kleiner Tisch, auf dem eine Porzellantasse stand. 


Langsam drehte ich mich wieder um und sah zu dem Tisch. Jemand hatte sich darüber gelehnt und rührte sich nun nicht mehr. Vorsichtig begann ich mich näher auf die Gestallt zu zubewegen. Ich konnte beobachten, wie sich sein Rücken hob und senkte. Er scheint zu schlafen.

Ich stellte mich neben die schlafende Gestallt. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Es war tief in seine Arme gedrückt. Um ihm herum lagen Bücher und Zettel. Sie lagen wild durcheinander. Ein paar von ihnen lagen sogar am Boden. Ich stieg über ein paar von ihnen hinüber und trat noch etwas näher an die Person heran. Irgendwie komisch einen Mann so im schlaf zu beobachten.

„Immer noch so neugierig?" 


Pregnant Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt