Warnung

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Sei stellte sich neben mich und sah mich an. Keiner von uns beiden sagte etwas. Sie schien auf etwas zu warten und ich war einfach viel zu verwundert, um auch nur etwas zu sagen. Ich musterte das kleine Mädchen neben mir. Sie trug eine orange Latzhose und darunter ein weißes Leibchen, an dessen Saum sich Rüschen befanden. Ihre Füße steckten in kleinen lila Sandalen. Ihre Haare waren blond und hörten etwas über der Schulter auf. Ich kann mich an das Outfit erinnern. Meine Mutter hat mich daran Fotografiert. Aber ich kann doch nicht vor meinem vier, fünf Jahre alten Selbst stehen.

Das Mädchen streckte mit einem Mal ihre Hand nach mir aus und tippte mir gegen die Stirn. Es tat nicht besonders weh, dennoch rieb ich mir über die Stirn. Die Stelle begann einwenig zu prickeln. 

„Wieso schaust du so ernst?" Ist meine Stimme wirklich so hoch gewesen?

Ich begann zu lächeln und versuchte mir selbst nicht die Verwirrung anmerken zu lassen.

„Ich denke nur über vieles nach." Sie oder besser ich schien das nicht wirklich zu verstehen und begann nur das Gesicht zu verziehen, weshalb ich etwas schmunzeln musste. 

„Und deshalb musst du so streng schauen." Ich war ja so naiv.

Ich nickte und blickte kurz wieder nach oben. Das ist die Chance. Sie wird sich an alles sicher noch erinnern können und mir weiter helfen.- Ist dir eigentlich klar wie verrückt das klingt? 

„Miriam?" Sie widmete mir ihre volle Aufmerksamkeit. Du willst das also wirklich versuchen?

„Wer ist dieser Mann eigentlich, den wir da am Baum oben sitzend gesehen haben." Sie sah ebenfalls nach oben und dann wieder zu mir. Für einen Moment überlegte sie nun auch.

„Weist du das nicht mehr." Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. Ihr Blick wurde trauriger und sie sah zu Boden.

„Also haben wir ihn doch vergessen..." Mit gesenkten Kopf sah sie mich wieder an.

„Heist das er hat uns nicht geholt, so wie er es versprochen hat?" Sie klang sichtlich verzweifelt und hätte ich es nicht besser gewusst, so hätte ich gemeint, dass sie jeden Moment zu weinen anfangen würde.

„Ich weiß es nicht..." Mein jüngeres Selbst sank langsam zu Boden und starrte weiter auf den Boden. Ich hab das damals also auch schon gemacht.

„Haben wir sein Geheimnis verraten? Ist er jetzt böse auf mich?" Sie sah mich nun wieder vorsichtig an und ich konnte ihre Augen bereits glitzern sehen. Ich schüttelte allerdings nur den Kopf und drehte mich nun ganz zu ihre. 

„Ich kann mich wirklich nicht erinnern." Ihre Mundpartie begann sich anzuspannen und ich wusste genau, dass sie jetzt versuchte ihre Tränen zu verkneifen, weil sie ein starkes Mädchen sein wollte. Mir war sofort klar, dass ich etwas tuen musste, wenn sie sich nämlich weiter begann hineinzusteigern, dann würde sie mir nichts mehr erzählen. Ich beugte mich also etwas zu ihr nach vorne und sah sie fest an.

„Willst du mir nicht helfen? Vielleicht schaffen wir es ja zu zweit, dass ich mich an alles erinnere." Sie versuchte so optimistisch wie möglich zu lächeln. Mit großen glitzernden Augen sah sie mich an und ich konnte beobachten, wie sich ihr Blick begann zu verändern. Eine ihrer Augenbrauen zog sie hoch und legte ihren Kopf wieder schief. Was hat sie den?

Sie begann nachdenklich an ihrer Lippe zu knabbern, als wieder einmal begann ihre Hände auszustrecken. Sie musste sich etwas vorbeugen, doch schaffte es zu meinem Gesicht.  Vorsichtig  platzierte sie ihre Hände etwas unterhalb meiner Augen und begann mir nun ganz starr in die Augen zu sehen. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, also blieb ich erstmal still und wartete auf ihren nächsten Schritt.

„Deine Augen glitzern." Zuerst verstand ich nicht so recht, was sie meinte, doch dann wurde es mir schlagartig klar. Vor meinem geistigen Augen sah ich mich selbst, wie ich ungläubig in den Spiegel starrte. Es viel mir gar nicht mehr so stark auf, doch sie kannte das ja noch gar nicht.

„Das ist schon eine ganze Weile so. Ich weiß selber nicht so genau wieso." Ihre Hände lösten sich von meinem Gesicht und sie begann leicht zu strahlen. 

„Seine Augen haben auch immer so geleuchtet." Ich zuckte zusammen. Vor mir erschienen nun wieder seine Augen. Sie hatten mich wirklich an Sterne erinnert, damals fand ich sie wirklich schön. Bei mir allerdings hatten sie mich abgeschreckt. Eventuell nur weil ich es bei mir nicht kannte oder vielleicht auch, weil ich mir irgendwo tief in mir der Gefahr sehr wohl bewusst war. Ich wollte sie wahrscheinlich einfach nur nicht akzeptieren.

Je länger ich darüber nachdachte desto mehr begann sich vor meinem Auge noch ein weiteres Bild zu formen. Ein bekanntes, sehr vertrautes Bild. Türkise Auge.

Plötzlich spürte ich eine zarter Berührung, die mich aus meiner Träumerei riss. Ich zuckte ganz leicht zusammen und sah zu der kleinen Miriam. Sie hatte an meinem Leibchen gezupft und sah mich nun fragend an. Sie streckte ihre Hand von sich weg und zeigte in die ferne.

„Wer ist das?" Was meinst du?

Langsam ließ ich meinen Blick wandern und sah wieder zu der Schaukel. Sie hatte wieder leicht begonnen zu schwingen, da sich wieder jemand auf ihr nieder gelassen hatte. Als ich erkannte wer da saß begann mein Herz schneller zu schlagen. 
Er saß seitlich auf der Schaukel und hatte ein Bein angewinkelt, das andere stand am Boden und hielt die Schaukel in Bewegung.

„Hallo." Seine Stimme ließ Gänsehaut, wie ein Wasserschwall über meinen Rücken laufen. Die kleine Miriam schien ebenfalls angetan von ihm zu sein. 

„Gabriel." Bei seinem Namen begann er breit zu lächeln und warf nun auch einen Blick zu meiner kleineren Ausgabe. Wie eigentlich immer, wenn ich ihn sah erstarrte ich, bei der kleinen war das allerdings anders. Als würde sie an einem unsichtbaren Seil gezogen werden, torkelte sie langsam näher auf Gabriel zu. Währenddessen wechselte Gabriels Blick zwischen uns hin und her. Vor der Schaukel blieb sie stehen und hielt sich an seinem Bein fest. Er beugte sich langsam zu ihr hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie begann plötzlich zu springen und lächelte. Gabriel lächelte ebenfalls und sah wieder zu mir. Seine Augen begannen wie in meiner Erinnerung leicht zu glitzern, doch lange konnte ich das nicht genießen, denn mit einem Mal war dann auch Gabriel wieder verschwunden.Was...?

Die Kleine drehte sich wieder zu mir und kam zurück. Sie strahlte über beide Ohren, dachte allerdings nicht daran mir zu sagen, was er ihr geflüstert hatte. 

„Du schaust wieder so ernst." Ich schüttelte kurz den Kopf und sammelte mich wieder. Sie stellte sich in der Zwischenzeit wieder zu mir. Mit einem Mal lag ihre Hand plötzlich wieder auf meinem Gesicht und strich mir sanft über die Stirn.

„Denkst du wieder nach?" 

„Ja...Ich versuche mir zu überlegen, was er dir wohl gesagt haben könnte." Ihre Hand stoppte und sie hob sie wieder Weg, dann schüttelte sie den Kopf.

„Das ist ein Geheimnis, er hat gesagt ich darf es dir nicht sagen." Jetzt wirklich!

„Aber wir sind doch ein und die selbe Person. Sollte ich es dann nicht auch wissen?" Die Kleine überlegte kurz und legte nun die Stirn in Falten, dann schüttelte sie wieder den Kopf.

„Er hat gesagt, du würdest es schon wissen." Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich plötzlich zusammenzuckte. Mit einer Hand fuhr ich meinen Kopf hinauf. Es ist nass?!

Ich sah nach oben und vereinzelte Tropfen fielen auf mich hinab. Ach nö. Nicht schon wieder Regen. 

Langsam nahm ich meine Hand wieder von meinem Kopf und entdeckte schwarze Flecken. Ich rieb zwei Finger an einander, um die Konsistenz festzustellen. Es war eigenartig klebrig und sickerte ziemlich schnell in die Haut. Plötzlich kam mir wieder die Kleine in den Sinn. Schnell hob ich wieder meinen Blick, doch sie war nicht mehr da.
An ihrer Stelle stand nun ein anderes Kind. Es war ein kleiner Junge. Seine Haare waren komplett beschmiert mit dem schwarzen Zeug und seinen Kopf hielt er gesenkt. Irgendetwas gefällt mir an der Sache nicht.
Langsam hob sich der Kopf des kleinen Jungen. Seine Pupille war geweitet und verdeckte seine gesamte Iris. Wie ein schwarzes Loch begannen sie Licht um sich einzusagen. Seine Lippen waren fest aufeinander gedrückt, dennoch rannte durch seine Mundwinkel eine schwarze Flüssigkeit aus seinem Mund.

„Du musst aufpassen." Seine Stimme klang verzerrt und rief in mir ein schreckliches Bild hervor. 

„So leicht entkommst du mir nicht." Es war Lucius Stimme, da war ich mir fast hundertprozentig sicher, allerdings klang sie stark verzerrt und nicht mehr wirklich wie er. Während ich lief, sah ich über meine linke Schulter nach hinten und konnte sehen, wie er mich triumphierend ansah. Sein Blick wurde dunkler und er begann noch breiter und absurder zu lächeln.

Schnell versuchte ich diese Erinnerung wieder zu verdrängen. Es war nur ein Traum, sonst nichts. 

„Sie wollen sie dir wegnehmen." Ich verstand nicht was er von mir wollte. Im Nachhinein wundere ich mich selbst, wie naiv ich doch gewesen war.

„Was....wen wollen sie mir wegnehmen?" Ich versuchte ruhig zu klingen, war aber eindeutig panisch. Er macht mich nervös.

„Sie versuchen dich zu blenden. Pass auf." Seine Stimme schien die ganze Zeit ruhig und hätte sie nicht so seltsam geklungen, wäre ich sicher auch etwas entspannter gewesen. 
Immer mehr Tropfen vielen auf mich hinab und begannen mich mit schwarz zu umhüllen. Was ist den jetzt los?!

„Du musst ihn finden." Wen?...was ist...

„Miriam? da bist du ja komm rein. Es fängt an zu regnen!" Die Stimme meiner Mutter riss mich erneut aus heraus. Schnell drehte ich mich nach hinten und sah meine Mutter an der Ecke stehen. Mein Blick wanderte wieder nach oben. Es ist nur Regen.

Ich sah wieder auf meine Hände. Die schwarze Flüssigkeit war verschwunden, zusammen mit dem Jungen. Ich verstehe es nicht...

Langsam und noch etwas paralysiert stand ich auf. Mein Kopf war bereits etwas nass und auch der Boden wurde langsam feuchter. Ich sollte wirklich rein gehen.

„Miriam!?" Ich drehte mich um und rannte zu meiner Mutter. Ohne ein Wort zu sagen rannten wir rein. Der Regen wurde mit jeder Minute stärker. Wäre ich noch länger draußen geblieben, wäre ich jetzt komplett durchnässt.

Meine Oma stand zum Glück bereit mit Handtüchern. Dankend nahm ich es an und verschwand auch gleich oben im Badezimmer. 

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