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Ich habe so ziemlich alle erreichbaren Walnüsse am mittlerem Baum eingesammelt, weswegen ich nun am linken hänge.

Ab und zu höre ich Ryan leise fluchen, wenn er beim klettern etwas abrutscht, obwohl sein Baum sich gut zum pflücken eignet. Die Äste sind dick und reichen fast bis zur Baumkrone und um ihnen herum sind lauter Walnusstragende Zweige.

Nach einiger Zeit höre ich zwei Bäume weiter ein dumpfes Geräusch.

"SCHEIßE!", ruft Ryan eher verzweifelt als wütend.

Durch die Blätter erkenne ich ihn auf dem Boden vor seinem Baum sitzen, mit dem Rücken gegen den Stamm gelehnt und seinen Arm festhaltend.

Ich springe vom Baum und gehe zu ihm.

"Was ist passiert?", frage ich und gehe vor ihm in die Hocke.

"Bin ausgerutscht.", murmelt er unruhig atmend.

"Und was ist mit deinem Arm?", ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

"Der ist die Scheiß Rinde entlang geschürft."

Ich seuftze.

"Zeig mal her.", ich nehme seine Hand von seinem Arm und schaue ihn mir an, "So ein Drama wegen den paar Kratzern?", er schaut mich verblüfft an.

Ich stehe auf und hole meinen Beutel vom Baum.

"Das reicht für heute, die müssen ja auch noch geknackt werden.", ich schultere die halbvolle Tüte und gehe zurück zur Hütte.

Ich lehne mich gegen die immernoch ausgefahrene Couch, hole mein Messer heraus und beginne, die grüne Schale von den Nüssen zu entfernen.

Kurz darauf setzt sich Ryan neben mich und entfernt ebenso die Schalen.

Eine Weile lang herrscht beruhigende Stille.

"Ash?", aus dem Blickwinkel erkenne ich, dass er mich anschaut.

"Hm.", ich achte weiter auf meine Hände.

Er seufzt.

"Kannst du mir mal ganz kurz zuhören?"

"Ich hör dir zu.", ohne ihn anzuschauen, nehme ich mir eine neue Nuss und befreie sie von ihrer Schale.

"Ich meins ernst!", er greift mein Handgelenk und ich schaue ihn, zum ersten mal seit wir damit angefangen haben, die Nüsse zu knacken, direkt in die Augen, "Denkst du nicht, wir könnten ein bisschen mehr kommunizieren, jetzt wo du mich eh am Hals hast? Was soll das? Wir müssen uns nicht wie Fremde verhalten, ich meine, wir haben in einem Bett geschlafen!", schmunzelt er.

Wir sind Fremde.
Und ich sehe auch nicht wieso sich das ändern müsste.
"Wenn du meinst.", ich befreie meine Hand von seinem Griff und wende mich einer neuen Nuss zu.

"Okay, cool.", er wendet seinen Blick von mir ab und macht weiter, "Also, wie alt bist du?"

"Das hast du schonmal gefragt.", antworte ich monoton.

"Verdammte Scheiße ich will dich doch nur kennenlernen! Ich habs satt nur Smalltalk mit dir zu führen und du sicher auch. Denkst du nicht, wenn wir uns kennen würden, könnten wir besser gegen die Toten bestehen?", ein Hauch von Verzweiflung liegt in seiner Stimme.

Ich lache kurz auf und schaue zu ihm.

"Weißt du was? Ich denke, du wirst garnicht lange überleben! Sieh dich an, heulst wegen ein paar Kratzern. Leute, die ich kannte, mussten sich selbst den Arm amputieren, weil sie gebissen wurden, also erzähl mir nichts von Zusammenarbeit mit dir."

Er schaut mich bleich an.

Dann steht er auf und verlässt die Hütte.

Das zeigt sein Erwachsensein. Kaum versucht man, ihm die Realität vor Augen zu halten, rennt er davor weg wie ein kleines Kind.

Zu allem Überfluss hat er auch noch sein Messer liegenlassen, weswegen er sich womöglich auch super wehren kann.

Ich nehme es und gehe raus.

Genervt laufe ich einmal rund um die Hütte, während ich nach ihm Ausschau halte.

"RYAN!", rufe ich in den Wald hinein.

"RYYAAAAN!", versuche ich es in einer anderen Richtung.

Ich laufe ein paar Meter in den Wald, bis eine, auf dem Boden aufschlagende, Walnuss mir deutlich macht, dass ich vor den drei Nussbäumen stehe.

Mein Blick wandert von der aufgeschlagenen Walnuss, zu dem Baum, von dem sie gefallen ist, entlang.

Es ist der rechte Baum, von dem Ryan gestürzt ist.

Ich schaue hoch zu ihm, der sich auf einem dicken Ast gegen den Baumstamm gelehnt hat.

"Hey."

Er schaut mich genervt und verletzt zugleich an.

Ich verdränge mir ein genervtes Seuftzen.

"Können wir reden?", versuche ich es nett.

"Ich dachte, ich rede zu viel.", er schmeißt kleine Stücke von einem Ast, den er zerbrochen hat, gegen die Blätter.

Ich fange an, den Baum hoch zu klettern und einen Moment später, sitze ich ihm gegenüber.

"Es tut mir Leid, okay.", ich breche Stücke von der Rinde des Asts, auf dem wir sitzen, ab.

"Wieso bist du so zu mir, wenn ich dir was getan habe, dann sag es, denn ich hab keine Ahnung.", sagt er aufgeregt.

Gott, zwischenmenschliche Beziehungen sind so viel anstrengender, als ich sie in Erinnerung hatte.

"Sowas fällt mir einfach schwer, okay. Ich bin es halt gewohnt, mein Ding zu machen, alleine, und plötzlich tauchst du auf und willst dich zusammen mit mir hier durchschlagen."

Er schweigt mich an.

"Jetzt hast du die Chance mich kennen zu lernen, wer weiß, wielange die Öffnungsphase bei mir noch andauert.", lache ich leicht.

Er fängt an, breit zu grinsen.

"Aber lass uns erst wieder rein gehen, dann können wir währenddessen die ganzen Nüsse knacken.", er klettert vorsichtig ein Stück runter bis es nicht mehr zu hoch zum springen ist, und springt dann runter.

Ich gehe auf die selbe Weise hinunter und wir laufen zur Hütte.

Da es langsam dunkel wird, blockiere ich die Tür wieder so gut es geht und setze mich dann zu Ryan.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt