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"Verdammte Scheiße.", flüstert er und schluckt, "Ha-hast du?", er zeigt mit seinem Finger auf mich.

"Hab mal lange Haare in soner Welt. Dann weißt du, dass ich das schon längst hätte tun sollen.", ich setze mich mit angwinkelten Beinen hin und schaue zur Küche.

Stille entsteht.

"Oder hab mal mit dir selbst zu kämpfen. Krieg, in dem keiner gewinnen kann. Die Stimme in dir kann dich Sachen machen lassen...", flüstere ich nach einiger Zeit.

Ich merke, wie er aufsteht und sich ans andere Ende der Couch setzt, genauso wie heute Mittag.

"Du siehst hübsch aus."

Ich schaue zu ihm, dann zu seiner Flasche, die immernoch ungerührt ist und dann wieder zurück zu ihm, woraufhin er leicht lacht.

"Ich sehe aus wie ein Kerl.", antworte ich.

Er schüttelt lächelnd den Kopf, "Nein, deine Haare haben doch nur vor deinem Gesicht abgelenkt.", er stützt seinen Kopf auf seine Hände ab, "Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. Ernsthaft.", grinst er mit dicken Backen.

Ich nehme einen Schluck.

"Wenn du alle hübschen Mädchen so behandelt hast wie du mich heute, dann ist es kein Wunder, dass du keine Freundin hattest. Oder du bist einfach schwul und sagst es mir nicht."

Er lacht spottend auf und schüttelt den Kopf, "Sicher nicht. Und auch wenn, ich glaube du hättest das geändert-"

"-Ich sehe scheiße aus, da brauchst du dich nicht einschleimen. Aber es ist besser so. Praktischer. Als Junge hat man doch viel bessere Chancen, was?", lächle ich sarkastisch.

"Naja eigentlich müsstest du am besten wissen, dass es nicht so ist.", er zupft an seinem Kragen rum, "Haben bis jetzt noch keinen getroffen, dem du dich nicht wiedersetzen konntest, um dein eigenes Ding zu machen."

"Du hast doch keine Ahnung.", Ich verdrehe die Augen und schaue wieder zur Küche, "Ich hatte nur Glück."

Er schüttelt stur den Kopf und lehnt sich nach vorne, "Ich bin der, der nur Glück hatte. Du hast es bis hierhin aus eigener Kraft geschafft, trotz all der Scheiße, die uns passiert ist."

"Ryan.", ich lehne mich auch etwas nach vorne und lächle , "Ich habs bis hierhin geschafft, weil ich andere Leute ausgenutzt habe. Glaub mir, ich bin auf andere angewiesen. Mehr als auf alles andere, sonst wären wir ja kaum zusammen hier.", genervt lehne ich mich wieder zurück.

Er zuckt mit den Achseln.
"Du hättest es auch alleine gepackt."

"Du kapierst es nicht.", lache ich bitter auf, "Ich hätte mich umgebracht.", mein Blick wird starr, "Ich hätte garnicht erst versucht, das hier alleine durchzumachen.", ich scheiße aufs Glas und nehme einen Schluck direkt aus der Flasche, "Hätte ich nicht Delron als Ziel gehabt, dann wär ich garnicht hier."

Er nickt nur langsam, während er ins nichts starrt.

Und so bleibt es eine Weile still.
Draußen ist es mittlerweile stockdunkel geworden und nur das Feuer vom Kamin erhellt den Raum aus einer Ecke.
Im Winter wird es früher dunkel, es könnte schon zehn Uhr sein, aber genausogut erst fünf.
Jedenfalls hab ich nicht nach irgendwelchen Uhren Ausschau gehalten um Gewisseheit zu bekommen.
Ist sowieso unwichtig, egal wie viel Uhr es ist, ich bin scheiß müde.

"Du hast den ganzen Tag nichts gegessen.", bemerkt er als er aufsteht, "Die hatten paar trockene Sachen gelagert, Müsli und Salzstangen und so.", er geht um die Couch zur Küche.

Meine Augenbrauen verziehen sich als ich ihm genervt nachschaue.
Genau das ist der Unterschied zwischen den beiden.
Brandon hätte niemals offen gestanden, etwas extra für mich zu tun. Er hätte Essen geholt, weil er Hunger hat und mir was davon abgegeben. Obwohl es von vorne rein für mich war.
Ryan lässt mich darstehen, als könnte ich einen Scheiß alleine machen.
Als wäre ich immernoch hilflos am Bett gebunden und auf andere angwiesen.
Ich hasse es.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt