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Gerith stolpert vorwärts und bevor er hinfällt, fängt ihn Ryan noch rechtzeitig auf.
In diesem Moment finde ich mich in der Gegenwart wieder und renne auf sie zu.

"Hol Wasser und Schmerzmittel!", weise ich Ryan an.
Er vergewissert sich, dass ich Gerith irgendwie halte und eilt zum Wagen.

"Gerith-", ich versuche ihn mühsam aufrecht zu halten, aber da er so viel größer als ich ist, halte ich es nicht lange aus, "-GERITH, SCHAU MICH AN!", ich schaue ihm in die Augen, er stöhnt aber und schaut an mir vorbei.

"RYAN!", rufe ich verzweifelt in Richtung Auto.

Geriths Knie knicken ein und ich spüre, wie eine Flüssigkeit auf meine Schulter tropft.
Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass es Blut ist.

"A-A-Ashley!", bringt er mit rauer Stimme hervor, "Es t-t-tut mi-mir Lei-", er beginnt zu husten.

"Shhh, alles wird gut Gerith...", meine Augen füllen sich mit Tränen, als ich mit der einen Hand meine Pistole raushole, "Shhh.", ich nehme ihn in den Arm und meine Tränen tropfen ihm auf den Rücken.
Als er kurz darauf anfängt, nurnoch röchelnde Geräusche von sich zu geben und seine Hände sich in meine Haut bohren wollen, setze ich ihm die Pistole an den Hinterkopf an.

"Danke für alles.", flüstere ich schluchtzend.

Danke für die Rettung,
danke, dass du auf Ryan aufgepasst hast, danke für deine Fürsorge, danke für die schönen Tage, danke dafür, Gerith.

Ich kneife meine Augen zusammen und drücke ab.
Sein Körper wird schwer und sinkt zu Boden, sein Blut klebt in meinem Gesicht, aber ich lasse ihn nicht los.
Ich will ihn nicht loslassen.
Ich fange laut an zu weinen, während die Stimmen mich anschreien und der Klang der Pistole immernoch in meinem Ohr schallt.

"Ashley!", höre ich von weitem, doch ich reagiere nicht darauf.
"Ashley!", ich grabe mein Gesicht in Geriths toter Schulter.
"ASHLEY BEWEG DICH!", Jemand reißt mich mit voller Wucht von Gerith weg.
Ich brauche einen Moment, um zu verstehen was gerade passiert.
Während Ryan mich zum Auto zerrt sehe ich, wie die Beißer, die vorhin noch weit weg waren, jetzt an der Stelle angekommen sind, wo ich eben noch mit Gerith stand.
Sein Körper liegt reglos am Boden.
Die milchigen Augen weit aufgerissen und die graue Haut mit Adern überzogen.
Ich versuche mich zu wehren, zu ihm zurück zu rennen, aber Ryans Griff wird fester bis wir am Wagen angekommen sind, wo ich mich losreißen kann und wieder auf Gerith zurenne.

"Wir können ihn nicht hierlassen-"
Ich komme keine zwei Meter bis Ryan mich am Bauch zurückzieht und mich hochnimmt, während er auf mich einredet und ich schreie.
Irgendwie hat er mich ins Auto bekommen, wo er sofort die Tür abschließt, um den Weg zu der Fahrerseite zu rennen, wo er das Auto wieder für einen Moment aufschließt, um einzusteigen, den Wagen zu starten und sofort loszufahren, da die Beißer bereits an den Türen waren.

"WAS IST LOS MIT DIR!", schreit er plötzlich, weshalb ich wimmernd zusamenzucke.

"WO WARST DU RYAN, WO WA-", meine Stimme bricht und ich fange wieder an zu weinen.

"Du bist KRANK, DU BRAUCHST VERDAMMT NOCHMAL HILFE, WOLLTEST EINFACH IN DEN TOD RENNEN, DIREKT AUF DIE BEIßER ZU! KRANK!", brüllt er während er energisch die Kurve fährt, die uns zurück auf die Waldstraße führt.

Ich fange an zu schreien, stütze meinen Kopf auf meine Knie ab und halte mir die Ohren zu, während ich meine Augen so fest es geht zukneife.

"ICH HASSE DICH!", seine Stimme verändert sich und kurz darauf schluchtzt er.

Ich schaue kurz auf und sehe, dass sein Gesicht rot angelaufen ist, seine Augen tränen und seine Hände zittern, wodurch ich Angst bekomme.
Ich weiß nicht genau wovor ich Angst habe, aber als sich die Schmerzen in meiner Magengrube bemerkbar machen und ich meine roten Handgelenke und mit Geriths Blut bedekten Hände sehe, bekomme ich Panik. Mir fällt es schwer zu Atmen und ich beginne zu zittern.

Plötzlich hält das Auto unter lautem Bremsen und ich falle ein Stück nach vorne.
Ich schaue verzweifelt zu Ryan, der auf dem Lenkrad zusammengebrochen ist und noch versucht, seine Tränen zurück zu halten.
Als er auf das Lenkrad schlägt und somit Hupt, schrecke ich kurz auf.

"Er wurde gebissen und er hats mir nicht gesagt-", flüstert er schluchtzend, "Und ich war auch noch sauer auf ihn. Er war am sterben und ich war sauer. Wir sind nicht friedlich auseinander gegangen. Weil ich sauer auf ihn war. Es ist alles meine Schu-"

"HALT DIE KLAPPE!", schreie ich diesmal wodurch er aufschreckt.
Ich schaue ihm kurz in die Augen, öffne dann die Tür und steige aus.
Ich brauche Luft. Und Abstand.
Ich habe keine Kraft zum Laufen.
Ich lege mich direkt neben das Auto auf den Asphaltboden und starre die Autoreifen an, während mir heiße Tränen die Wangen runter fließen.

[...]

Ryans P.O.V

Ich muss austeigen.
Wir müssen weiter.
Sie will mich bestimmt nicht sehen, aber es wird langsam dunkel.
Ich muss jetzt aussteigen.
Sie liegt da jetzt schon seit einiger Zeit  und es wird kalt.
Aber sie hasst mich jetzt.
Und ich verstehe sie, weil da nichts zwischen ihnen lief. Und ich habe Geriths letzten Tage zur Hölle gemacht. Und ich hatte unrecht. Und ich war ohne Grund sauer auf sie.
Aber ich bin auch jetzt sauer auf sie, weil sie mir nichts gesagt hat.
Aber wie auch, wenn ich ihr nicht zugehört habe. Und jetzt ist Gerith tot und Ashley am Ende und ich habe dazu beigetragen.
Ich muss sofort aussteigen.
Sonst haut sie vielleicht ab und ich kann nicht ohne sie. Aber ich halte es auch nicht mehr mit ihr aus.

Ich reiße die Tür auf und steige aus.

Ich kann nicht von ihr erwarten, dass sie damit alleine klarkommt. Sie hat schon genug durchgemacht und ich weiß nicht, ob sie das hier alleine überhaupt schaffen würde.
Es ist egal ob ich auf sie wütend bin, oder sie auf mich. Wir beide haben einen Freund verloren und deswegen muss ich jetzt für sie da sein. Auch wenn sie meine Hilfe ablehnt.
Ich lasse sie nicht wieder in dieses Loch fallen, wo sie warscheinlich nie wieder rauskommen würde.
Ich werde sie auffangen, obwohl ich selbst schon mit einem Fuß drinne stecke.

Sie liegt auf der Seite auf dem Boden.
Ich weiß nicht, ob sie schläft oder wach ist, aber ich nehme sie hoch und setze sie ins Auto.
Als ich wieder einsteige sehe ich, dass sie tief schläft.
Ihre Wangen glizern noch von den Tränen und ihre Augen und Lippen sind leicht rot angeschwollen.
Ich decke sie etwas zu und starte dann den Wagen.
Ich wische mir eine letzte Träne weg und fahre los.
Und mit jedem Meter wird der Schmerz etwas weniger und ich fühle mich freier.
Denn ich weiß, dass der heutige Tag irgenwann mal nurnoch eine traurige Erinnerung sein wird.
Genauso wie Gerith es sein wird.

R.I.P my friend.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt