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[...]

Ich zünde mir eine Zigarette an und lehne mich gegen die Motorhaube.
Ryan bleibt im Wagen.
Seit ich vor zwei Tagen mit ihm geredet habe ignoriert er mich völlig.
Gestern war es so schlimm, dass Gerith ihm von mir ausrichten musste, dass wir am nächsten Tag losfahren würden.
Und ich kann nichts dagegen unternehmen, weil Gerith ihm immernoch nichts sagen will.

"Wir können weiter.", kommt er aus dem Wald hervor.
Ich lasse meine Zigarette fallen und zerdrücke sie.
Wir steigen wieder ins Auto und fahren los.

"Bist du dir sicher, dass du nichts brauchst?", fragt Ryan.

"Ja, ja. Um die Jahreszeit ist das bei mir immer so, die Schmerzpillen sollten genügen.", lügt er und wischt sich die Schweißtropfen von der Stirn.
Ryan hat er erzählt, er leide an irgendeiner vorübergehenden Erkältung.

Ich schaue ihn vorwurfungsvoll an.
Er schaut mir kurz in die Augen, bevor er sich in eine Decke wickelt und auf die Straße schaut.

Seit Vorgestern hat sich seine Lage drastisch verschlimmert.
Seine Haut ist irgendwie gräulich, seine Augen sind blutunterlaufen und die Gelbspur auf seiner Pupille ist deutlicher. Alle paar Minuten ist ihm entweder eiskalt oder so warm, als würde er in Flammen stehen. Wenn er auch nur die kleinste Bewegung macht, fängt er an zu Schwitzen und schwer zu Atmen. Und als ich die Wunde heute Morgen das letzte mal kontrolliert habe, war sie mit einer dunkelroten, klebrigen Schicht überzogen.

"Ihr habt heute noch nichts gegessen.", bemerkte ich.

"D-D-Du d-doch a-auch ni-niicht.", stottert Gerith.

"Ryan, wir sollten kurz Pause machen.", wie nicht anders erwartet, schaut er mich nichteinmal an, "Oder-", ich schlucke, "Oder ich fahre meinetwegen in der Zeit, in der du isst."

Er fängt an zu lachen.
Es ist ein Lachen, mit dem man andere ins Lächerliche zieht.

Er macht mich verrückt.
Wenn das noch lange so weiter geht, dann bekomme ich einen Wutanfall.
Und dann bin ich in rage und kann die Stimmen nicht mehr unterdrücken.
Und dann bin ich wieder kaputt.
Und noch einmal schaffe ich es nicht, wieder aufzustehen und weiter zu machen.

"Hör jetzt auf mit dem Kindergarten."

Er seuftzt zufrieden und schaut amüsiert auf die Straße.

"Ich meins ernst, hör sofort auf damit oder ich springe aus dem Wagen und mache alleine weiter. Ich wollte dich sowieso von Anfang an nicht und so bin ich besser dran.", ich schaue wütend zu ihm.

Als ich seinen Mundwinkel nach oben zucken sehe und merke, dass er mir nicht glaubt, schnalle ich mich ab und lege eine Hand auf den Türgriff, obwohl es anfangs nicht einmal ernst gemeint war.

"A-Ashley, w-w-was wird da-das!", mischt sich Gerith ein, was Ryan auf mich aufmerksam macht.

"Willst du wirklich, dass unsere Wege sich hier trennen, nur weil du zu stur bist zu glauben, dass zwischen uns nichts war? Mir macht es nichts aus, ob ich jetzt gehe, Ryan, aber ich bin mir nicht sicher, wie lange du ohne mich überleben kannst.", ich warte einen Moment und als keine Antwort kommt, öffne ich die Tür einen Spalt.
Sofort drückt sie nach außen, sodass ich sie mit beiden Händen festhalten muss.

"HÖR AUF DAMIT.", brüllt Ryan, als dadurch das Auto kurz zum Schwenken kommt, "IST JA GUT! MACH DIE SCHEIß TÜR WIEDER ZU!", er fährt schneller, um mich im Wagen zu behalten und als ich die Tür mit aller Kraft wieder schließe, bremst er sofort.
Der Wagen steht still.
Gerith ist immernoch leicht geschockt und drückt fest die Decke gegen sich.
Ryan steigt aus, knallt die Tür mit aller Wucht zu und zieht mich regelrecht einen Moment später aus dem Auto.
Sobald ich die Tür schließe, bleibt er einige Meter vor mir stehen.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt