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"Was hatten sie mit dir vor?", fragt er ruhig.

Ich öffne meine Augen wieder und schaue ihn an.
Dann zucke ich mit den Schultern, obwohl er es nicht sieht, "Mich mitnehmen. Hätten sie auch mit dir gemacht.", ich pule an meinen Handflächen rum, während ich auf die Straße starre, "Erst wollten sie, dass ich mich ihnen anschließe. Naja und als ich mich geweigert habe, wollten sie mich mitnehmen.", ich schlucke und meine Stimme wird leiser, "Ich wäre vielleicht sogar mitgegangen, wenn du nicht im Haus auf mich gewartet hättest."

Er schaut kurz zu mir.
"Du hättest mich nicht decken sollen. Das hier hätte so richtig in die Hose gehen können."

Ich lache auf.
Das sagt er jedesmal.
"Das alles ist mal wieder meine Schuld. Und wenn ich nicht aufgetaucht wäre, hättest du mich gesucht und dann wärst du auch erwischt worden. Naja, war vielleicht dumm zu glauben, aber hätte ja sein können, dass du einmal auf mich hörst, wenn ich sage hau ab.", ich muss schmunzeln.

Wir fahren aus der Stadt, die in einem Tal gelegen ist, raus in Richtung Berg.

Die Steigung wird steiler und von Minute zu Minute sieht man mehr von der Stadt unter uns.

"Zieh dir noch was über- was ist mit den Decken?", fragt er, als eiskalter Wind und feine Schneeflocken durch die kaputte Scheibe ins Auto kommen.

"Wir müssen das später abkleben.", ich rücke auf den mittleren Platz und winkel meine Beine an.

"Ich würd gern wissen, wie groß unser Vorsprung ist. Sie sind uns definitiv gefolgt, ich hab noch den Wagen hinter uns herfahren sehen.", murmelt Ryan skeptisch und schaut zum tausendsten mal durch den Rückspiegel.

Ich schaue zu ihm.
"Was, wenn wir garkeinen Vorsprung haben."

Er schaut mich kurz verwirrt an.

"Wenn sie diejenigen sind, die den Vorsprung haben.", ich richte mich auf und schaue nach hinten, "Sie kennen sich hier aus und wir haben sie direkt am Anfang schon abgehängt, das ist doch mega unwarscheinlich."

Er zuckt mit den Schultern, "Vielleicht haben sie es sich anders überlegt und mussten warten, bis die mit der Glatze wieder trocken ist."

Ich setze mich wieder normal hin und verschränke die Arme.

"Hoffen wirs."

[...]

Ich weiß nicht, wielange wir schon genau fahren, ich schätze mal um die anderthalb Stunden, aber mit jedem Meter beruhige ich mich innerlich mehr.

"Was wollen wir jetzt machen? Uns ne andere Stadt suchen?"

Ich seuftze.

"Keine Ahnung... was, wenn alles mittlerweile in Reviere eingeteilt ist? Wir können nicht für immer wegrennen."

"Jah, hast recht. Irgendwo wollen wir den Winter ja sicher überstehen."

"Nein, das meine ich nicht.", ich schaue zu ihm, "Irgendwann werden sie uns sicher schnappen. Ryan, vielleicht sollten wir uns einfach anderen anschließen."

"Aber... das wollen wir doch. Drüben, im Osten, wo es sicher ist." er schaut kurz verdutzt zu mir.

Ich wende meinen Blick wieder ab, "Wir wissen ja nichteinmal, ob das mit dem Ort stimmt und ob es dort immernoch sicher ist. Ich meine ja nur, dass langsam nichtmehr die Beißer, sondern andere Menschen zur größten Gefahr werden. Und da wäre ne Gruppe, in der man sich gegenseitig beschützt, schon sinnvoll."

"Aber wir beschützen uns doch gegenseitig! Eine Gruppe würde uns nur an unserem Ziel hindern, wenn es nicht auch ihres wäre. Außerdem sind wir zu zweit doch viel mobiler, schneller und unauffälliger unterwegs.", argumentiert er aufgebracht.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt