49

679 52 1
                                    

[...]

"Und mein Vater hat nicht gekocht. Nie. Außer ein einziges Gericht.", er macht eine kurze Pause.

"Was hat er gekocht?", frage ich halblaut, mein Kopf immernoch auf Ryans Schulter gestützt.

"Er konnte Gemüseauflauf machen."

"Gemüseauflauf?"

"Damit hat er meine Mutter erobert.", ich spüre, wie er leicht auflacht, dann wird sein Körper wieder ganz ruhig, "In dieser Welt fehlt eindeutig Liebe.", meint er mit einem verträumten Ton.

"Ja, das stimmt. Die Leute töten sich jetzt gegenseitig, anstatt sich in die Arme zu fallen."

"Das meinte ich nicht. Ich meine die Liebe, wegen der man gegen Regeln verstößt, sich leidenschaftlich küsst, sich stundenlang ansieht, ohne dass man was anderes machen will, die, wegen der man eine Familie gründet und die Liebe auch nach dreißig Jahren noch vorhanden ist."

"Ach Ryan...gab es die Liebe denn jemals?"

Er denkt einen Augenblick lang nach.

"Ja, Ja es gab sie. Meine Eltern haben sich so geliebt. Ich wollte immer jemanden finden, den ich genauso lieben kann, wie meine Eltern es taten."

"Und, hast du so jemanden gefunden?"

Er zögert.

"Nein. Ich glaube ich werde auch nie so jemanden finden. Die Liebe ist letztendlich doch ausgestorben, hm."

"Ja, das ist sie. Und der Großteil der Menschen mit ihr."

Es entsteht eine lange, angenehme Stille.

"Wir fahren richtig.", unterbricht er die Stille, er streckt seinen Arm aus und zeigt nach vorne, "Die Sonne."

"Sie geht im Osten auf.", flüstere ich und beobachte die ersten Sonnenstrahlen, die sich am gelb orangenen Himmel sichtbar machen.

"Wie wärs, wenn wir was  frühstücken und dann Gerith wecken und zusammen in den Wald nach Wasser suchen gehen hm?", er schaut mich an.

Ich nehme meinen Kopf von seiner Schulter und stehe auf.
Wir gehen auf die Lagefläche und suchen irgendwelche Lebensmittel, die zusammen nicht unerträglich schmecken.

"Ich hab hier fünf Monate abgelaufenen Senf.", bemerkt Ryan.

"Zeig mal her.", ich nehme ihm das Glas ab, öffne es und rieche daran. Dann dippe ich meine Fingerspitze hinein und probiere den Senf, "Ein bisschen sehr bitter, aber ist okay."

"Gut, wie viel Knäckebrot ist noch übrig?", fragt er.

"8, 9 Scheiben. Wir müssen noch was für Gerith übrig lassen.", ich gebe ihm drei Scheiben und er beschmiert sie sich mit dem Senf. Ich tue es ihm gleich und lasse die restlichen drei Scheiben in der Verpackung.
Dann lehnen wir uns an den Rand und essen.

"Ich hasse es, zu essen.", bemerke ich und nehme unwillig ein Stück zu mir.
Alles schmeckt heutzutage scheiße.

"Du musst essen. Seit der Sache im Camp müsstest du eigentlich doppelt soviel zu dir nehmen, so viel Gewicht, wie du da verloren hast."

"Gott, wenn uns nicht Medizin fehlt, dann sind es Lebensmittel. Können wir nicht einmal gut versorgt sein um uns auf unser Ziel konzentrieren zu können?"

"Vielleicht fangen wir ja heute Fisch. Oder finden Beeren.", versucht Ryan mich wieder aufzumuntern.

"Der Senf ist wiederlich.", ich schlucke den letzten Happen runter und gehe runter auf die Erde zur Fahrertür.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt