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Ich höre noch Brandon kurz meinen Namen rufen, doch in dem Moment bin ich schon dabei die Tür abzuschließen und mich gegen sie zu lehnen.
Das hat gerade noch gefehlt.

Ich lasse mich auf den Fliesenboden fallen und strecke mein Bein aus.
Da ich die paar Meter ohne Krücken gegangen bin und mich auch noch beeilt habe, spüre ich ein unangenehmes Stechen an meiner Wade.

Ein paar Minuten sitze ich nur da und atme unruhig ein und aus, bis es leise Klopft.

"Ashley?", kommt es vorsichtig von Brandon.

Er wartet kurz auf eine Reaktion.

"Ich äh...wollen wir woanders hingehen. Hier wird es langsam zu laut."

Er macht es schon wieder.
Schonwieder formuliert er es so, dass es einen anderen Grund gibt, wegzugehen, als wegen mir.

Weswegen ich nach kurzem überlegen auch aufstehe und die Tür öffne.
Er lächelt mich leicht an und macht einen Schritt platz.
Langsam bewege ich mich wieder zu dem Hocker, auf dem ich voher saß, wobei ich diesen nicht aus den Augen lasse, damit ich garnicht erst den Platz finden kann, auf dem sich Richard befindet.

Brandon bietet mir seine Hilfe nicht an. Er weiß genau, dass ich sie nicht annehmen würde.

"Okay äh...sag Marta, dass die Suppe super war, aber ich denke, dass wir langsam gehen sollten.", meint Brandon zu Arthur, der lächelnd nickt.

"Vergesst euer Bier nicht.", bemerkt er, woraufhin Brandon die zwei Flaschen in eine Hand nimmt, "Und dir gute Besserung."

"Danke Arthur, ich bring dir dann Morgen die Flaschen zurück.", verabschiede ich mich.

Brandon reicht mir die Krücken und ich drehe mich um, wobei ich direkt in zwei eiskalte, herausvorderne Augen blicke.
Er schaut mich von der anderen Seite des Raumes an und als er meinen starren Blick bemerkt, grinst er leicht.

"Ignorier ihn einfach."

Ich schaue sofort weg, auf den Boden, zur Tür, hauptsache nicht zu ihm.
Dann schlucke ich kurz und laufe so schnell es geht zur Tür.

Brandon schließt sie hinter sich und ich atme aus.

"Wohin gehen wir?", fragt er, nachdem wir die Bar einige Meter hinter uns gelassen haben.

"Zu mir.", der Ort, an dem ich mich nie mehr sicher fühlen werde.

Er nickt nur.

Ungefähr zwanzig Minuten später kommen wir an und er hält mir die Tür auf, während ich reingehe und mich aufs Bett setze.

Er zieht sich die Schuhe und Jacke aus und lässt sich neben mich fallen, während er mir meine Flasche  hinhält.

Wir sitzen einige Minuten nur so da, bis er sich nach hinten lehnt, sein Bier auf dem Boden abstellt und mich lächelnd anschaut.
Ohne weiter nachzudenken stelle ich mein Bier neben seins und lasse mich neben ihm in seinem Arm fallen.
Er drückt mich leicht an sich und seuftzt.

"Wieso haben wir uns nicht früher getroffen?", stellt er die Frage in den Raum.
Ich fange an, dem Arm, der mich umarmt, zu folgen und schließe seine Hand, die voher auf meinem Bauch ruhte, in meine.

"Wir ergänzen uns, Ashley.", er drückt sie kurz, "Wieso musste es jetzt sein."

"Wenn es nicht jetzt wäre, dann hätten wir uns niemals getroffen. Ich wäre für immer in Nevada geblieben.", ich spreize meine Finger und schließe sie wieder, "Oder ich würde in einem Pickup durchs Land fahren.", murmle ich eher zu mir selbst.

"Mit Delron?", fragt er unerwartet.

Ich überlege kurz
Lüge oder Wahreit.

"Nein.", ich schlucke, "Nein, mit Ryan."

Wie lange ich seinen Namen nicht mehr laut ausgesprochen habe.
Und mit jeder Sekunde, in der ich auf seine Antowort warte, wünsche ich mir mehr und mehr, ich könnte das wieder zurückziehen.

"Wer ist Ryan?", fragt er dann, als hätte er überlegt, was er als nächstes Fragen soll.

Ich seuftze und denke nach wie ich antworten soll.

Wer ist Ryan.

Der wichtigste Mensch in meinem Leben.

Der Mensch, dem ich alles Vertraue.

Der Mensch, der mein bester Freund war.

Der Mensch, der mich abgestoßen und verlassen hat.

Oder die Nervensäge, die mit mir gegangen ist, obwohl ich sie nie wollte.

"Ryan...er war-", ich pausiere kurz, "Er war jemand, für den es sich gelohnt hat, auf so einer Welt zu leben."

"Das tut mir Leid.", antwortet Brandon kurz darauf und drückt meine Hand.

Ich schaue ihn kurz fragend an.

"Du hast gesagt er war...", betont er.

"Nein- ich meine...jaah...ach keine Ahnung.", ich löse meine Hand von seiner um mir das Gesicht zu reiben, "Die Sache ist kompliziert."

Er greift wieder nach meiner Hand, "Willst du schlafen gehen?", fragt er sanft.

Ich nicke und er macht anstalten, aufzustehen, doch ich lasse ihn nicht.

"Bleib hier.", murmle ich und bevor ich sofort einschlafe, richte ich mich auf.

"Wehe, du guckst.", warne ich ihn müde und gehe zu dem kleinen Schrank neben meinem Schreibtisch, "Arghh, ich habe vergessen, dass das alles passiert ist, während ich im Schlafanzug war.", wütend, aber zu müde um mich wirklich aufzuregen knalle ich die Schranktür zu.

"Warte kurz, ich hol dir was.", Brandon steht auf, tritt dabei fast die Bierflaschen um und bevor ich noch irgendwas sagen kann, ist er verschwunden.

Ich nehme die halbvollen Flaschen und stelle sie aus dem Weg auf meinen Schreibtisch ab.
Dann ziehe ich schonmal meine Socken aus und setze mich wieder wartend aufs Bett.
Ich nehme die bereits runterhängenden Verbände von meinen Armen ab und schmeiße sie nebens Bett. Sie sind zerkratzt und haben einige blaue Flecken.
Meine Augen wandern runter auf meine Beine.
Ich traue mich noch nicht, dort die Verbände abzunehmen und belasse es dabei.

Ein paar Minuten später kommt auch Brandon mit roter Nase wieder und reicht mir ein schwarzes Shirt und eine olivgrüne Jogginghose von ihm.

Er lässt sich wieder aufs Bett fallen und ich befehle ihm, sich ein Kopfkissen vors Gesicht zu halten, während ich mich umziehe.

"Ach komm schon, nur ein ganz kurzer Blick würde mich direkt wieder aufwärmen-", meint er, während ich ihn schon fast grinsen höre.

Es dauert länger als sonst, da ich wegen den Verbänden und Schmerzen etwas eingeschränkt bin, und als ich fertig bin, lege ich mich wieder in Brandons Arm, der uns zudeckt und mir mit seiner kalten Hand über die Schulter streichelt, woraufhin ich Gänsehaut bekomme.

Ich drehe mich auf die Seite und drücke mich an ihn, woraufhin er seine Hand auf meine Tallie legt.

"Gute Nacht.", flüstert er, sobald ich meine Augen schließe.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt