52

615 53 0
                                    

Ein plätscherndes Geräusch weckt mich langsam auf.
Als ich die Augen öffne, merke ich, dass es mitten in der Nacht sein muss.
Ich blinzle ein paar mal und kurze Zeit später haben sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt.
Das Plätschern hat nicht aufgehört, also setze ich mich etwas auf und da es nicht regnet, muss es aus dem See kommen.
Ich mustere den See und in dem blassen Mondlicht fällt mir eine Silhouette auf, die irgendwas im Wasser macht.
Sofort schaue ich auf den Fahrerplatz, aber Ryan liegt dort tief schlafend.
Also muss es Gerith sein.
Die Person richtet sich auf und an ihrer Statur erkenne ich, dass er es definitiv ist.
Anscheinend ist er womit auch immer fertig und kommt mit irgendeinem Tuch in der Hand auf unseren Wagen zu.

Ich lehne mich wieder zurück und lasse meine Augen nurnoch einen Spalt offen.
Er läuft langsam, wodurch ich ihn einen Moment lang aus der Nähe betrachten kann.
Er hält kein Tuch in den Händen, sondern seine nasse Kleidung, die er gestern an hatte und Wasser tropft ihm auch vom Gesicht.
Als er direkt neben meinem Fenster ist, schließe ich die Augen, bis ich höre, wie er auf die Lagefläche steigt.

Irgendwas stimmt nicht.
Wieso wäscht er mitten in der Nacht seine Anziehsachen? Was hat er zu verheimlichen, wieso hat er gestern Abend so lange gebraucht? Ich sollte ihn besser im Auge behalten, als ihm vollkommen zu vertrauen, auch wenn er uns geholfen hat, zu fliehen.

[...]

Heute Morgen war nichts ungewöhnlich.
Ich habe Gerith seine Anziehsachen zurückgegeben und mir meine angezogen.
Wir haben die restlichen Sachen gewaschen und sitzen jetzt am Wasser und binden unsere Messer an Stöcke, um dann Fische fangen zu können.

Ich weiß nicht, wie sie es gestern hinbekommen haben, überhaupt was zu fangen, denn als ich deren "Speere" gesehen habe, hab ich die Messer mit Leichtigkeit von den Stöcken entfernt und das unbrauchbare Holz weggeschmissen.

Ich binde den letzten Knoten zu und lege meinen Speer zur Seite.
Dann beobachte ich, wie sich Ryan und Gerith damit schwer tun.

Mein Blick bleibt bei Geriths Kratzer an seiner Wange hängen, der gestern definitiv noch nicht da war.

"Was ist?", fragt er verschlossen und schaut auf.

Ich lasse mir Zeit, bis ich antworte und schaue ihn derweil weiter an, was ihm anscheinend ziemlich unangenehm ist.

"Du musst den Knoten fester ziehen.", antworte ich und eine Sekunde später legt Ryan seinen Speer stolz vor sich.

"Wir können schonmal anfangen.", meine ich zu Ryan und wir stehen auf.
Er zieht sich sein Oberteil und die Schuhe mitsamt Socken aus und stürmt energiegeladen ins Wasser.

"Du solltest aufpassen, dass sich das nicht entzündet.", sage ich zu Gerith und deute auf die Stelle auf meine Wange, wo bei ihm der Kratzer ist.
Er sieht mich kurz mit einem bedrängten Gesichtsausdruck an, jedoch sagt er nichts.
Dann ziehe ich mich auch aus und gehe ins Wasser.

"Hier drüben sind viele!", ruft Ryan und ich schwimme zu ihm.

"Wir sollten mal nach einem Netz suchen.", antworte ich, als ich sehe, wie viele, große Fische hier im See leben.

Wir fischen eine kurze Zeit lang, bis Gerith auch dazu kommt.
Jedoch lässt er sein Shirt an und versucht, im hüfthohen Wasser zu fischen.

"Was macht er da?", fragt Ryan, als er auftaucht.

Das reicht mir.
Wenn er uns nicht sagen will, was mit ihm los ist, dann ist das halt so, aber wenn er bewusst Zeit verschwendet, und das tut er, denn so weit vorne wird er nichts finden und erst recht nicht, wenn man nicht tauchen geht, dann habe ich ein ernstes Problem damit.

"DA VORNE FÄNGST DU NICHTS-", rufe ich und schwimme ein Stück zu ihm, "Du musst schon tiefer in den See.", strenge ich mich an, nicht sofort wütend zu werden.

Er dreht sich zu mir um, "Da war eben einer."

Ich runzle die Stirn, "Schön. Da hinten sind ganz viele, komm-"

"Es reicht, wenn ihr beide dort fischt, ich bleibe hier. Verteilt können wir mehr fangen.", er wendet sich wieder dem Wasser zu.

"Wieso hast du dein Shirt im Wasser an?", werde ich direkter und baue Druck auf.

"Wieso nicht.", er sieht mich nicht an.

"Sag schon, gestern konntest du auch problemlos halbnackt rumrennen, was ist los mit dir?", ich komme ihm näher.

"Mir ist nur kalt.", redet er sich heraus.

"Kalt. Deine Beine sind im Wasser, was kälter als die Luft ist und du lässt dein Shirt an? Wenn du dich nicht gut fühlst, dann sag es einfach.", ich stehe jetzt direkt neben ihm.

"Weißt du was-", er richtet sich auf und dreht sich zu mir, "Ich hab keine Lust mehr auf so scheiß Diskussionen, besonders nicht mit dir also fischt doch alleine.", er holt aus- wobei ich kurz zucke- und wirft seinen Speer weit in den See.
Dann steigt er aus dem Wasser und geht zum Wagen.

Ich drehe mich perplex zu Ryan um.
Er zuckt mit den Schultern und schaut mich fragend an.

[...]

Während Ryan und ich den Vormittag mit Fischen verbtacht haben, hat Gerith ein Feuer vorbereitet und die Lagefläche aufgeräumt.
Ich ziehe meinen Fisch aus der Flamme und lege ihn auf ein Stück Pappkarton. Auf den Stock spieße ich einen neuen auf, sodass er ein Stück über den Flammen gegrillt wird.
Ich nehme mir einen Happen Fisch in die Finger, doch bevor ich ihn esse, senkt sich meine Hand wieder, woraufhin mich Ryan verwirrt anschaut.

"GERITH DER FISCH IST FERTIG!", schreie ich in Richtung Auto.
Er hat sich seit heute morgen nicht mehr wirklich blicken lassen, aber nach der ganzen Arbeit muss er ziemlich hungrig sein.
Als er nach ungefähr fünf Minuten nicht reagiert, rufe ich ihn nocheinmal, "BEWEG DEINEN HUNGRIGEN ARSCH HIERHER, DER FISCH WIRD KALT!"

"Ich rede mal mit ihm.", meint Ryan nach weiteren fünf Minuten, leckt sich die Fingerspitzen ab, steht auf und verschwindet hinter dem Wagen.

Ryan P.O.V

"Okay Gerith, was verdammt nochmal ist los mit dir?", fange ich an, sobald er mich bemerkt hat.

Er schaut mich einen Moment an, dann kramt er weiter in einer Kiste rum.

"Das kannst du nicht machen, man. Sie ist gerade wieder halbwegs normal geworden, da kannst du jetzt nicht anfangen, zu spinnen! Sie ist noch nicht fit, sie soll sich jetzt nicht um andere Sorgen machen, verstehst du. Du bist ein erwachsener Mann und ich will dir auch garnicht sagen, was du zu tun hast, du musst mir nichteinmal sagen, was du hast, aber komm bitte einfach mit nach vorne und iss was.", bitte ich ihn mit einem flehenden Blick.

Ashleys P.O.V

Kurze Zeit später kommt Ryan wieder zurück, und mit ihm auch Gerith.

Er nimmt sich einen Fisch, legt ihn auf seine Unterlage und schaut sich suchend um.
Ich beobachte ihn dabei, während ich weiter esse.

"Du hast es mit in den See geworfen.", sage ich kurze Zeit später und er schaut auf, "Dein Messer, es liegt irgendwo auf dem Grund des Sees."

Er läuft rot an und starrt auf sein Essen.

"Wenn du vorhast, heute wieder für eine Zeit lang im Wald zu verschwinden, dann halte doch bitte Ausschau nach einem neuen, irgendwie muss deins ja ersetzt werden."

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt