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Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier sitze.
Vor kurzer Zeit hat sie aufgehört zu schreien. Vielleicht habe ich auch einfach nur aufgehört hinzuhören, keine Ahnung.
Ich sitze nur mit zitternden Händen und schweißnassem Gesicht auf Janes Bett.
Vor einiger Zeit, es könnten Stunden vergangen sein, habe ich es aufgegeben, mich gegen die aktuelle Situation zu wehren.
Ich habs eingesehen.
Sie ist draußen.
Ich bin hier drin.
Fertig.
Ich kann rein garnichts dagegen unternehmen, außer zu warten.
Vielleicht kommen sie gleich rein, sagen, dass sie tot ist und ich der nächste bin.
Vielleicht lassen sie uns gehen.
Vielleicht nicht.
Warscheinlich nicht.
Sicher nicht.

Ich balle meine Hände zu Fäusten, um sie unter Kontrolle zu kriegen.
Es bringt nichts.

Genausowenig kann man sie unter seine Kontrolle bringen.
Ich bin anders. Ich passe mich an. Ordne mich unter. Befolge Regeln.

Ich mustere meine Arme.
Sie sind dreckig.
Genauso meine Kleidung.
Wie mein Gesicht aussehen muss?
Ich streiche mir ums Kinn und spüre kurze, kratzige Bartstoppeln.
Ich hatte noch nie einen Bart, keinen richtigen. Ich musste mich auch nie rasieren. Ich fahre mir durch die Haare. Sie sind so lang wie noch nie und gehen mir ein Stück über die Ohren. Voher habe ich das garnicht bemerkt. Dass sie mir immer ins Gesicht fallen. Ich erinnere mich nicht mehr daran, wann ich mich das letzte mal so richtig gewaschen habe.
War es noch damals, bei Delr-

Ich stehe sofort angespannt auf und schaue mich starrem Blick auf die Tür.
Eben hat man was gehört.

Ich laufe zur Tür rüber und höre leise wieder die Stimmen von Colin und Gerith.

"Es wäre besser, wenn wir das arme Schwein unwissend da drinne lassen, am Ende greift er uns noch an."

"Ich weiß, aber Hades hats angeordnet."

Ich höre Gerith noch seuftzen und dann hört man, wie Ketten leicht gegen die Tür schlagen.
Und kurz darauf mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden landen

"Du kannst raus.", höre ich Colin von draußen.

Ich halte den Atem an und bewege mich nicht.
Aus Angst.
Aus Angst was mich da draußen erwartet.
Ich muss nur die Tür öffnen.
Dann erfahre ich es.

Ich schlucke ein letztes mal all meine Befürchtungen und Ängste runter.
Und dann stoße ich mit einem Mal die Tür auf. Es dauert keine Sekunde bis ich sie ausfindig mache und sofort renne ich auf sie zu.
Je näher ich ihr komme, desto mehr will ich einfach wieder zurück in Janes Wohnwagen eingeschlossen sein. Unwissend sein.

Den letzten Meter stürze ich mich auf die Knie und stoppe dann erstarrt vor ihr.

Mein Körper beginnt zu zittern und eine Gänsehaut überkommt mich.

Ich fasse sie nicht an.
Sie ist nicht ohnmächtig oder tot.
Sie ist wach.
Aber ihr Körper liegt völlig reglos am Boden.
Sie schaut mit starrem Blick an mir vorbei. Eine Träne kullert ihr langsam die Wange hinunter.
Jedoch sieht man keinerlei Emotionen in ihrem Gesichtsausdruck.
Keinen Schmerz, keine Panik oder Angst oder Verzweiflung oder Hilflosigkeit. Nichts.

Vorsichtig nehme ich sie in die Arme.
Sie fühlt sich wie eine Leiche an. Kein Muskel regt sich. Nur ihr Blinzeln verrät sie.

"E-es ist vorbei, jetzt wird all-alles gut.", versuche ich mehr mir selbst als ihr Mut zu machen.
Ich wische vorsichtig mit meinem Ärmel einigermaßen das Blut von ihrer aufgeplatzten Lippe, wobei mir stumme Tränen das Gesicht runterlaufen, "W-ir müssen dich n-nur wieder zusa-sammen flicken, das wars auch schon!", ich lächle sie weinend an, doch ihr Blick starrt immernoch ins nichts.

"Okay", hauche ich und ziehe ihr mit immernoch zitternden Händen das Oberteil ein Stück hoch.

Sofort breche ich laut schluchtzend zusammen und schreie verzweifelt zum Himmel auf.

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt