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"Warte mal, siehst du das?", fragt Ryan und bleibt stehen.

"Was denn jetzt schon wieder?", genervt verdrehe ich die Augen, da er seit ungefähr einer Stunde alle fünf Minuten meint, er hätte eine Hütte oder ein Auto oder sonst was gesehen, wo wir übernachten könnten.

"Na da, da leuchtet was, sieht aus wie ein Knicklicht oder so.", er zeigt mit seinem Stock überzeugt in die Dunkelheit.

Ich gehe zu ihm und entdecke einen kleinen, neongelben Punkt zwischen den ganzen Bäumen und Büschen.

"Na, was sagst du jetzt.", sagt er selbstüberzeugt und humpelt auf das Licht zu.

"Mach dir nicht allzu viele Hoffnungen, am Ende ist es einfach nur ein übergroßes Glühwürmchen oder so.", ich laufe ihm hinterher.

"Ich bin mir sicher, dass wir diesmal Glück haben, nur noch-", plötzlich überwältigt ihn ein Zombie, der aus einem Gebüsch kommt und er fällt sofort zu Boden.

Ich renne schnell zu ihm, doch bevor ich noch in seine Nähe kommen kann, zieht mich etwas mit enormer Kraft nach hinten.
Mein Rucksack hat sich an einem Ast verfangen.
Ich schlüpfe schnell aus den Trägern und laufe zu Ryan, der mit dem Stock versucht, den Zombie davon abzuhalten ihm die Sehnen aus dem Arm zu ziehen.

"Kopf runter.", sage ich hektisch und ohne zu warten, bis sein Kopf unten ist, steche ich dem Zombie mit schwung in den Schädel.

Sofort wird sein Körper schlaff und fällt daraufhin auf Ryan.

"Kannst du nicht besser aufpassen?", genervt helfe ich ihm hoch und gehe dann zum Rucksack zurück, der immernoch an dem Ast hängt.

"Das war nicht meine Schuld, ja.", antwortet er gereizt und humpelt, diesmal etwas vorsichtiger, weiter richtung Licht.

"Natürlich nicht, war sicherlich die Schuld vom Zombie, was auch sonst.", ich ziehe den Rucksack wieder an und laufe ein paar Meter hinter Ryan, der abrupt stehenbleibt.

"Halt einfach deine gottverdammte Klappe, für nur fünf Minuten, wäre das möglich?", er dreht sich wieder um und der restliche Weg zum Neonlicht verläuft ohne ein Wort von uns beiden.

Es bringt nichts, jetzt mit ihm zu diskutieren.
Wir sind beide übermüdet und geschwächt.

Das Knicklicht gehört zu einem sehr kleinem, privaten Zeltlager, was ziemlich gelegen kommt.
Die etwas abgekommenen Zelte sind zum Glück alle leer, bis auf eines, in dem zwei Leichen liegen.
Wir gehen ins Mittlere Zelt, was genauso eng wie die anderen ist.
Höchstens Platz für zwei.
Es gibt keine Schlafsäcke oder Decken, aber wir haben unsere Klamotten aus dem Rucksack auf den Rasen ausgelegt, was es etwas bequemer macht, hier zu übernachten.

"Du hättest wenigstens Decken mitnehmen können.", murmle ich, während ich mich auf den, trotzdem noch harten, Boden lege.

"Ach echt? Du hast doch auch nur deine Kleidung und den anderen Scheiß dabei.", er legt sich mit dem Rücken zu mir hin.

"Ich hatte auch keine Zeit, noch was einzupacken."

Ein Seufzen seinerseits ist die Antwort.
Ich drehe mich auch mit dem Rücken zu ihm und schlafe dann irgendwann ein.

[...]

Ein blendendes Licht lässt mich am Morgen aufwachen.
Ich kneife die Augen zusammen und erkenne, wie die Sonnenstrahlen ins Zelt gelangt sind.
Durch die vielen Löcher im Stoff ist alles natürlich belichtet, nur in den Ecken hat der Boden noch einen leichten orangestich.
Gestern Nacht hat man garnicht richtig gesehen, wie kaputt die Zelte wirklich sind.
Ich klettere nach draußen und schaue mich um.
Heute ist so ein Morgen, an dem man fast vergisst, dass damals die Krankheit ausbrach.
Man hört ein paar Vögel zwitschern und das Rauschen der Blätter im Wind.
Es ist angenehm kühl und ich schließe für einen Moment die Augen.

"Was machst du?", ich drehe mich um und sehe Ryan, der gerade versucht, aus dem Zelt zu kommen.

Ich beobachte ihn dabei, wie er sich mit seinem Fuß im Stoff verfängt und genervt versucht, sich zu befreien.

"Scheiß Ding.", murmelt er und zieht mit seinem Fuß so kräftig, dass der Stoff zerreißt und er von dem Schwung nach vorne fällt.
Fluchend reibt er sich das verbundene Bein.

"Gott, wie kannst du noch am Leben sein.", verdrehe ich die Augen und gehe ins Zelt, um die Kleidung auf dem Boden einzusammeln.

"Boa hab ich einen Hunger! Was gibts heute?", er entfernt das Stoffstückchen von seinem Fuß und bleibt vor dem Zelt sitzen.

"Hast du die Fische mitgenommen?", lache ich, "Also ich weiß ja nicht, wie du das regelst, aber ich besorg mir gleich etwas."

"Du weißt, dass ich nicht jagen kann."

Ich schmeiße die restlichen Sachen in einen Rucksack und schließe diesen dann.
Dann trinke ich noch einen Schluck und gehe wieder aus dem Zelt.

"Okay, wir müssen wieder auf Kurs kommen.", ich öffne den anderen Rucksack und suche nach der Karte.

"Fuck, Ryan..."

"Was ist?

"Hast du die Karte mitgenommen?", ich schaue perplex zu ihm hoch.

Er schüttet leicht den Kopf und fässt sich dann an die Stirn.

"Scheiße man, wie sollen wir ohne Karte diese verfickte Stadt finden!", ich schmeiße alle Sachen aus dem Rucksack, um nocheinmal sinnlos nach ihr zu suchen.

Ohne Karte schaffen wir es nichteinmal zurück zur Hütte, so unkoordiniert, wie wir die Nacht gelaufen sind.

"Hey, ist doch halb so wild, wir haben doch den Kompass.", meint er ruhig.

"DER KOMPASS SAGT UNS ABER NICHT WO CENTREVILLE IST, VEDAMMT!", ich schmeiße genervt ein Messer zur Seite.

"Du hast gesagt wir brauchen zu Fuß zwei Tage, vielleicht auch drei, kann doch nicht mehr weit sein, oder? Und wieso willst du unbedingt nach Centreville, ich meine, wenn wir ein paar Kilometer weiter nördlich oder südlich in einer anderen Stadt landen, ist doch auch egal."

"Nein ist es nicht, in Centreville gibt es jemanden, der kann uns helfen. Deswegen ist es so wichtig, genau da anzukommen.", ich hole meinen Kompass raus.

"Was heißt 'da gibt es jemanden, der uns helfen kann', wie will der uns bitte helfen, wobei überhaupt?",

"Das erzähl ich dir, wenn es soweit ist.", ich drehe mich, bis Norden links von mir ist und ich genau Richtung Osten stehe, "Wir haben Glück, sind schon die ganze Zeit Richtung Osten gelaufen, hoffentlich kommen wir auch richtig an."

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt