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[...]

Gestern noch haben wir zu Delrons Gedenken ein großes Kreuz aus Holzbrettern an die Wand neben dem Wandloch angebracht und seitdem reden wir nur sehr wenig.
Obwohl ihn Delron so schlecht behandelt hat, scheint es fast, als würde Ryan mit trauern.
Ich vermisse ihn jetzt schon, aber es ging nicht anders.
Er hatte keine Pillen mehr, früher oder später hätte jemand sterben müssen.
Und die Stimmen in meinem Kopf sind zurück gekommen und reden nun mehr denn je. Sie machen mir Vorwürfe, schreien mich an...

Ich schaue zu Ryan, der neben mir auf der Couch sitzt, "Huh?"

"Ich habe gefragt, wie es jetzt weiter geht?", meint er erschöpft.

Ich starre wieder geradeaus.

"Ich vermisse ihn.", sage ich mit rauer Stimme, "Ich vermisse seine große Klappe, seinen Sarkasmus...", ich starre runter auf mein Handgelenk, welches immernoch mit ein paar blauen Flecken geziert ist.

"Es ist nicht deine Schuld.", höre ich Ryan zum hundertstem mal sagen.

Doch, das ist es.
Es ist meine Schuld, dass er tot ist.
Der erste Mensch, den ich getötet habe.
Die einzige Person, die mich besser kannte, als jeder andere.
Dumpf spüre ich, wie mir stumm eine Träne die Wangen runterkullert.

[...]

Drei Tage ist es nun her und ich sitze nur hier und starre ins Nichts.
Tag und Nacht.
Gelegentlich trinke ich etwas.

"Ashley, hör mir jetzt einmal ganz genau zu, ja.", Ryan kommt zu mir und hockt sich vor mich hin,"Ich weiß, dass es sehr schwer für dich sein muss, mit all dem klar zu kommen, aber du kannst nicht ewig hier sitzen und nichts tun, natürlich werde ich dir Zeit geben, um um ihn zu trauern, aber du hast seit drei Tagen nichts gegessen und-", er bricht ab und wischt sich über das Gesicht, "-Scheiße man, ich will die alte Ashley zurück, die, die mich wegen jedem Scheiß beleidigt und mir sagt, wie sehr ich doch nerve, komm schon, ich halte das nicht mehr aus.", fleht er schon fast.

"Morgen Mittag brechen wir auf.", sage ich müde und ohne Emotionen, während ich auf einen Punkt hinter Ryan starre.

Er seuftzt erleichtert, "Jetzt komm ins Bett, ich weiß nicht, wann du zuletzt geschlafen hast.", als er merkt, dass ich keine Anstalten mache, mich zu bewegen, hebt er mich vorsichtig hoch und trägt mich in mein Bett.
In das Bett, in dem Delron geschlafen hat.

[...]

Ich wache mit den Stimmen auf, mit denen ich schon schlafen gegangen bin.
Sie flüstern mir leise böse Dinge zu, aber ich weiß nicht, wie ich sie loswerde, wie ich es damals geschafft habe.

"Hey, wie gehts dir?", kommt es von Ryan, der in der Tür steht und mich bemitleidend ansieht.

Ich schaue kurz zu ihm rüber und dann wieder auf die gelbliche Bettdecke.

"Ich-äh, hab schon grob ein paar Sachen gepackt."

"Ich werds vermissen auf einem richtigen Bett zu schlafen.", sage ich langsam.

Ryan scheint das nicht erwartet zu haben, denn er schaut mich überrascht an, lächelt aber, "Jaa...ich auch."

Ich stehe auf und binde mir meine Haare zu einem Dutt.

"Ähm, Ash?", seine Tonlage wird ernster.

Ich schaue ihn nur kurz fragend an, dann sammel ich weiter meine Sachen aus dem Raum in meinen Rucksack.

"D-Denkst du, du bist schon fit genug?", fragt er vorsichtig.

"Ja.", murmle ich schlicht.

Ryans P.O.V

Just stay aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt