Montag, 9. Juni.2008

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Liebes Tagebuch,

ich mache mir Sorgen um Mama. Sie ist in letzter Zeit immer öfter müde und bleibt immer öfters im Bett liegen. Heute habe ich die Schule geschwänzt. Ich wollte bei Mama bleiben. Ihr weinen verwandelt sich langsam immer mehr in Stille. Ich habe heute versucht, etwas zu essen zu machen, weil Mama immer noch nicht wach war, als es Zeit zum Mittagessen war.

Ich habe das erste Mal allein Nudeln gekocht und als diese fertig waren, konnte ich Mama dazu überreden, mit mir zu essen und endlich aufzustehen. Obwohl sie so viel schlief, sah sie mit jedem Tag müder aus.

Ich verstehe nicht, was mit ihr los ist. Irgendwas stimmt mit ihr nicht, aber jedes Mal, wenn ich sie frage, was nicht stimme, sagt sie immer nur, dass sie müde ist.

So viel kann man gar nicht müde sein. Schon gar nicht Mama. Sie war sonst immer schon zwei Stunden vor mir wach gewesen und Top fit und nun schlief sie den halben Tag und war trotzdem müde.

Ich verstehe das nicht...

Ich bin auch in der Schule stiller geworden in den letzten Tagen. Ich mache mir solche Sorgen um Mama, ich will ihr helfen, aber sie scheint, das nicht zu wollen.

Nach dem Essen bin ich in mein Zimmer gegangen und habe angefangen, ein Bild für sie zu malen. Sie freut sich immer darüber. Vielleicht muss ich ihr jetzt nur öfters eins malen, damit sie wieder lacht.

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Ich sah vom Tagebuch auf. Mein Sieben – jähriges – Ich begann langsam zu verstehen, dass mit Mama was nicht stimmte. Damals hatte ich jedoch noch keine Ahnung, was genau. Als Kind hatte ich immer versucht, sie glücklich zu machen und zum Lachen zu bringen. Ich kann es bis heute nicht leiden, wenn sie weint. Ich habe sie in dieser Zeit zu oft weinen sehen. Mit sieben habe ich noch fest daran geglaubt, dass selbstgemalte Bilder Mama wieder glücklich machen würden. Oder eher hatte ich es gehofft. Ich hatte schon damals gewusst, dass das wahrscheinlich nichts bringen würde. Aber dennoch glaubte ich daran. Denn ich wusste schon damals, dass ich wohl kaum etwas ausrichten konnte...

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Als ich mit meinem Bild wieder runter in die Küche kam, telefonierte sie gerade. Wieder weinte sie und sie hörte sich verzweifelt an. Ich wusste nicht, wer da am Telefon war, aber sie fragte nach Hilfe. Sie sagte, dass sie das nicht allein schaffen würde und dass sie ein Kind hat, um das sie sich kümmern muss.

Als ich sie später gefragt habe, mit wem sie telefoniert hat, gab sie mir keine Antwort. Sie hat später nur gesagt, dass sie sich Hilfe holt. Hilfe, um nicht mehr so traurig zu sein.

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt