3. März. 2010

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**Liebes Tagebuch,**

heute war ein wirklich schöner Tag. Wir haben den Mathe-Test zurückbekommen, und ich habe eine 1 geschrieben! Das ist die erste 1, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Frau Schröder hat gesagt, dass sie stolz auf mich ist und dass sie froh ist, dass ich den Test wiederholt habe.

Ich weiß jetzt, dass ich keine Schuld daran trage, dass es Mama wieder schlechter geht. Luana hat mir erklärt, dass es eine Eigenart dieser Krankheit ist, immer wieder auszubrechen, gerade dann, wenn man denkt, es gehe endlich bergauf. Sie hat gesagt, dass ich damit rechnen muss, dass es noch öfter passiert, weil es ja schon Mamas zweiter Rückfall war. Der erste kam, als Felix alles kaputt gemacht hat, und der zweite nach unserem Telefonat. Die „Gewitterwolken" reagieren sehr stark auf emotionale Dinge. Sie werden größer und regnen mehr, und Mama ist diesem Regen hilflos ausgesetzt.

Manchmal frage ich mich, warum ich nicht bei Mama sein kann, wenn es ihr in der Klinik auch nicht besser geht als zu Hause. Aber ich weiß auch, dass es mir alleine mit ihr genauso wenig gut gehen würde. Deshalb ist es wohl besser, dass ich bei Luana bleibe.

Heute habe ich Linus gefragt, ob er mit mir in den Zoo geht, und er hat ja gesagt. Hast du das gehört? Ich bin ganz alleine mit Linus weggegangen! Ich habe es wirklich gewagt. Die anderen hatten alle keine Zeit, und ich wollte unbedingt wissen, wie es Muckine geht. Linus hat sich so gefreut, Tagebuch! Dass ich vorher alle anderen gefragt hatte, habe ich ihm natürlich nicht erzählt. Ich habe noch nie jemanden so glücklich gesehen, nur weil er Geld für mich ausgeben musste. Immerhin musste er für uns beide ein Busticket kaufen und für sich den Eintritt bezahlen. Später kam natürlich noch was zu essen dazu. Aber er hat den ganzen Tag gestrahlt.

Und ich war glücklich, weil er so glücklich war. Wir haben lange Zeit bei den Bären verbracht. Meine Lieblingstierpflegerin Lucy hat mich begrüßt. Mittlerweile kennen mich alle, die im Zoo arbeiten, weil ich wirklich oft hier bin. Ich kann stundenlang bei den Bären bleiben. Ich weiß nicht genau, warum, aber irgendwie geben sie mir Halt und Hoffnung.

Mama hat mir damals erklärt, dass der Papa-Bär die Familie verlässt, sobald die Jungen auf der Welt sind – so wie das bei uns auch war. Aber hier im Zoo sehe ich, dass Muckine und ihre Mutter immer zusammenhalten und sich gegenseitig beschützen. Ich hoffe, dass Mama das irgendwann auch wieder kann. Ich vermisse sie so sehr, Tagebuch.

Linus und ich sind dann noch durch den Rest des Zoos gelaufen und haben uns die ganze Zeit unterhalten. Er hat mir erzählt, dass sie schon öfter Kinder hatten, die für den Übergang bei ihnen gelebt haben. Die meisten blieben nur ein paar wenige Wochen. Aber zu keinem hat er so eine Bindung aufgebaut wie zu mir. Er hat gesagt, dass er sich eigentlich immer noch einen Bruder gewünscht hatte, aber dass er auch gerne noch eine dritte Schwester hat.

Tagebuch, ich glaube, ich kann Linus jetzt vertrauen. Dieses Kribbeln ist komplett weg, auch wenn ich mit ihm allein bin. Bei Toni ist es noch nicht ganz weg, aber es wird sicher auch besser.

Heute war ein wirklich guter Tag, und ich hoffe, dass es morgen genauso schön wird.

**Gute Nacht, liebes Tagebuch.**

Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt