Liebes Tagebuch,
Heute war die Schule echt anstrengend. Ich bin erst gegen eins eingeschlafen und wurde um sechs von Karla's Mutter geweckt. Es fiel mir unglaublich schwer, morgens aufzustehen, erst eine Tasse heißer Kakao hat mich dann doch motivieren können.
Karla und ich haben uns nach einer Schale Müsli auf den Weg zur Schule gemacht. In der ersten Stunde hatten wir Mathe. Normalerweise ist Mathe eines der Fächer, die mir am leichtesten fallen. Ich beschäftige mich lieber mit Zahlen als mit Buchstaben – auch wenn ich viel schreibe, mag ich Diktate und die vier Fälle nicht. Aber heute konnte ich mich einfach nicht konzentrieren, und das ausgerechnet bei einer großen Arbeit.
Ich habe mich total unkonzentriert gefühlt, und das hat mich sehr frustriert. Ich habe es geschafft, meinen Namen auf das Blatt zu schreiben, aber nicht einmal Datum oder Klasse habe ich noch hinbekommen. Meine Gedanken waren immer noch bei dem Streit mit Luana und dem schlechten Zustand von Mama. Immer wenn ich versuchte, meinen Gedanken zu entfliehen, starrte ich nur auf mein leeres Blatt. Es war leer, bis auf meinen Namen: Marlene König.
In letzter Zeit denke ich einfach zu viel nach, und es macht mir Angst. Ich versuche mir einzureden, dass ich keine Schande für alle bin, aber es fällt mir schwer. Die vielen Zweifel, die ich habe, lassen mich nicht in Ruhe. Ich frage mich ständig, wie alles anders gewesen wäre, wenn ich nur eine Kleinigkeit verändert hätte. Wenn ich Frau Schuster an einem Donnerstag angerufen hätte, wenn ich Frau Krause erzählt hätte, was los ist, wenn ich mit Paul, dem Mann von der Brücke, gesprochen hätte – all das hätte vielleicht verändert, wie es Mama geht, und vielleicht könnte ich dann mehr als nur meinen Namen auf dieses blöde Stück Papier schreiben.
Mathe ist das einzige Fach, in dem ich es geschafft habe, eine Zwei zu bekommen; bei den anderen Fächern bin ich immer noch bei einer Drei. Das ist zwar viel besser als früher, aber ich frage mich, wie ich die letzten zwei Schuljahre überstanden habe. Ich habe mehr Fünfen geschrieben, als ich zählen kann, und bin trotzdem irgendwie durchgekommen.
Während der Stunde hat mich Liv erschrocken, als sie meine Schulter berührte. Ohne es zu merken, hatte ich angefangen zu weinen. Ich weiß gerade nicht, was mit mir los ist, aber es ist einfach alles zu viel. Frau Schröder hatte Liv aus dem Unterricht geholt, weil sie versucht hatte, mit mir zu sprechen, aber ich war so in Gedanken versunken, dass ich sie nicht bemerkt hatte.
Liv hat gesagt, dass sie jetzt mit mir nach Hause geht und wir ein Gespräch führen müssen. Frau Schröder meinte, ich solle mir wegen dem Test keine Sorgen machen; ich könnte ihn nachholen. Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau, und das macht mir zu schaffen. Es fühlt sich an, als würde alles an mir vorbeirauschen.
Als wir ankamen, war niemand zu Hause, aber ich wusste, dass Liv Luana Bescheid gesagt hatte. Liv hat mir einen Tee gemacht und mit mir gesprochen. Sie wollte wissen, was genau los ist, was mir durch den Kopf geht und warum ich so abwesend wirkte. Ich hatte keine Antwort, weil ich es selbst nicht wusste.
Irgendwann kam Luana dazu. Sie musste gerade aus der Praxis gekommen sein, denn sie trug noch ihren Arztkittel. Sie sagte, dass sie mir gerne helfen würde, aber ich müsste ihr erklären, was ich gerade fühle. Ich habe es selbst nicht genau gewusst, und es frustrierte mich, dass niemand das verstand.
Luana hat gefragt, ob sie in mein Tagebuch schauen kann, um besser zu verstehen, was mir durch den Kopf geht. Ich habe ihr erlaubt, hineinzusehen. Wir haben lange geredet, und ich konnte all meine Sorgen und Zweifel loswerden. Liv hat den Rest des Abends mit mir verbracht und mir geholfen, meine Zweifel zu besänftigen.
Es geht mir jetzt etwas besser, und ich hoffe, dass es mir morgen wieder ganz gut geht. Gute Nacht, Tagebuch. Ich bin müde und habe einiges an Schlaf nachzuholen. Ich werde dir morgen wieder schreiben.
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Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändern
Teen Fiction-Depressionen betreffen die ganze Familie auch wenn nur ein Mitglied daran erkrankt ist- Das das Leben nicht fair ist, bekommt die siebenjährige Marlene zu spüren. Seit sie Schreiben gelernt hat vertraut sie ihrem Tagebuch ihre Sorgen an. Bisher bes...